Ausstellung

Witz und Grauen

Von Dorothea Breit |
Surrealistisch anmutende Landschaften und verstörende Selbstporträts: Der US-Künstler Llyn Foulkes, Jahrgang 1934, war die wohl faszinierendste Entdeckung auf der vergangenen Documenta. Etwa 100 seiner Werke sind nun in Kleve zu sehen.
Der amerikanische Künstler Llyn Foulkes spielt mit Trommelstöcken auf seiner Musikmaschine, ein Ungetüm aus Hupen, Pfeifen, Hörnern und Trompeten. Seit Jahrzehnten baut der 1934 geborene Künstler daran. Sein Auftritt auf der Documenta 2012 in Kassel war sein letzter, sagt er, die Maschine sei auch zu fragil für Reisen.
In der Retrospektive im Kurhaus Kleve ist sie in einem Video zu sehen. Die chronologisch aufgebaute Ausstellung gibt Einblick in Foulkes lebenslanges Schaffen von den witzigen Cartoons des begabten Jungen bis zu den späten räumlichen Bildinszenierungen. Zu seinen künstlerischen Vätern zählt er den Surrealisten Salvador Dalì, ebenso Spike Jones und Buster Keaton. Indessen draußen Kriege tobten.
„Ich wuchs während des Zweiten Weltkriegs auf. Die Japaner bombardierten Pearl Harbor, da war ich sieben Jahre alt. Das war mein Leben, Hitler, und dann musste ich zur Armee während des Korea-Kriegs. Ich hatte die Wahl, in der Armee-Band Schlagzeug zu spielen oder nach Deutschland zu gehen. Ich ging nach Deutschland, das bedeutete Abenteuer. Zwei Wochen dauerte die Reise mit dem Schiff, alle kotzten. Und dann die Ankunft in Hamburg: Wir hatten viel vom Krieg gehört und dort sahen wir die Realität. Ich spazierte durch zerbombte, ausgebrannte Häuser. Das inspirierte mich zu dem Werk ‚Schwarze Tafel und Stuhl‘.“
Militärdienst im kriegszerstörten Deutschland
In einer Serie dunkler Gemälde verarbeitete Llyn Foulkes seine Erlebnisse während des Militärdienstes in Deutschland von 1954 bis 1956. Expressiv gemalte formlose schwarze Farbfelder suggerieren explodierende Figuren, schwarze Farbe tropft in Tränen über oft dreigeteilte Bildflächen. Als Rahmen dienten ihm alte Fensterstöcke. Manche Bilder teilte er wie Fensterscheiben auf in mehrere Szenen, die düstere, aus geknülltem Zeitungspapier collagierte Felsgebirge zeigen.
„Er benutzt gefundene Rahmen und andere Materialien, und er malt mit einem Lumpen. Daher kommt die feinstoffliche Struktur der gemalten Oberflächen. Diese Technik hat er später dann perfektioniert.“
Ali Subotnick, die Kuratorin der Ausstellung in Kleve, die in Zusammenarbeit mit dem Hammer Museum in Kalifornien entstanden ist. Llyn Foulkes fügte gebrauchte Dinge, die Geschichte erzählen, darunter auch Kleider und Haare zu nostalgischen, erinnerungsschweren Bildobjekten. Hie und da schrieb er poetische Texte in die Bildflächen, eigene oder fremde.
„Diese Gemälde waren in seiner ersten Solo-Ausstellung im Pasadena Kunstmuseum 1962 zu sehen, da war er noch keine 30 Jahre alt. Gleichzeitig war dort eine der ersten Pop-Art-Ausstellungen zu sehen. Llyn Foulkes Bilder waren so dunkel, emotional und persönlich, wohingegen die Pop Art absolut glatt und kommerziell erschien. Das war ein großer Kontrast.“
In diesem Kontrast steht das Werk des Einzelgängers und Bilderzählers Llyn Foulkes bis heute. Es scheint aus der Zeit gefallen und spricht doch jeden an. Auch ästhetisch, etwa die Serie der Gemälde nach Postkarten: Blicke aus dem Fenster bei Autofahrten durch die Weite des amerikanischen Westens, samt der diagonal schwarz-gelb gestreiften Schilder am Rand der Autobahnen.
Eigenwilliges und kurioses Werk
Absolut souverän mixt er in diesen touristischen Gemälden Geometrie und Landschaft. Ab den 1980er-Jahren nimmt er in humorvollen, oft auch gruseligen Porträts die amerikanische Politik und andere Autoritäten, beispielsweise die Walt-Disney-Industrie in den Fokus. Die Bildtitel sprechen für sich: „Die Legende von Mickey Ratte“, statt Maus, „Brief für Präsident Ford“, „Militärische Geschäfte“, „Geld auf der Bank“. Das Werk „Der goldene Herrscher“ zeigt Ronald Reagan mit einem Holzstück über blutigen Augen. Von roter Farbe überströmte Köpfe tauchen öfters auf.
O-Ton Video Hammer Museum “Llynn Foulkes / Cadaver”: „Ich sah einmal einen Menschen in der Autopsie. Erst realisierte ich gar nicht, was das war. Sie hatten dem Toten die Haut vom Schädel gezogen, die Haut mit dem Haar klappte über das Gesicht und ich musste lachen, weil es mich an einen Cartoon erinnerte. Ich wollte das nicht, aber ich war so schockiert in der Situation, die absolut nicht lustig war. Später überklebte ich ein Selbstportrait mit einem Foto, darunter rinnt all das Blut über den Kopf. In dem Bild überlagern sich mehrere Erinnerungen, auch an eine Filmszene mit Buster Keaton, da landet eine Cremetorte in seinem Gesicht.“
Witz und Grauen liegen nahe beieinander in diesem außergewöhnlich eigenwilligen und auch kuriosen Werk. Zu den Höhepunkten der überwältigenden Ausstellung im Museum Kurhaus Kleve zählen die bühnenbildartigen Gemälde der vergangenen Jahre. In diesen Bildfriesen leuchten Glühbirnen, die Figuren sind aus Stoffen und Haaren modelliert, Gesichter haben Glasaugen. Ein Kunstkritiker liegt tot am Boden. Und Los Angeles versinkt im Smog. Foulkes kümmerte sich nie um Stile oder Moden in der Kunst oder um Tendenzen auf dem Kunstmarkt. Er tut, was er aus seiner Sicht tun muss, und Baustellen gibt es viele.
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