Ausstellung "Unruhe und Architektur" in Heidelberg

Über Konventionen hinaus

Karl Junker, Wettbewerbsentwurf zur Erweiterung der Museumsinsel, 1883
Monumental: Auch von Karl Junker, über den es nur Gerüchte gab, er sei krank, gibt es Entwürfe in der Sammlung Prinzhorn © © Sammlung Prinzhorn, Universitätsklinikum Heidelberg
Thomas Röske im Gespräch mit Gesa Ufer  · 23.05.2018
Die Sammlung "Prinzhorn" umfasst Werke von psychisch Kranken aus der Zeit um die Jahrhundertwende. Jetzt ist sie in der Ausstellung "Unruhe und Architektur" in Heidelberg zu sehen und bietet Einblicke in die Gefühlswelt der Insassen.
Vor gut 100 Jahren fing der Heidelberger Arzt und Kunsthistoriker Hans Prinzhorn an, besonders faszinierende Werke seiner Patienten zu sammeln. Die meisten von ihnen waren Insassen der Heidelberger "Universitäts-Irrenklinik", wie sie damals hieß: Menschen mit Wahnvorstellungen oder Demenz, Traumatisierte oder Trinker, Autisten oder Schizophrene, deren Blick auf die Welt sehr eigen und gleichzeitig ganz besonders war.
Die Sammlung ist über die Jahre gewachsen und gewachsen, inzwischen gehören gut 26.000 Werke sogenannter Outsider-Art zu dieser weltweit einmaligen Sammlung - und es gibt ein eigenes Museum. Genau dort zu sehen ist jetzt die Ausstellung "Unruhe und Architektur".

Die Anstalt als Zwangsmaßnahme empfunden

Gläserne Mauern, luftige Mauern - das waren die Ideen, die die Insassen unter dem Eindruck der starren und unüberbrückbaren Mauern um sie herum entwickelten. "Dinge, die sich bewegen können, die sich öffnen, die kippen, die fallen, die liegen - die sich ganz anders verhalten, als das, was man gewöhnlich in der Architektur kennt", sagt Thomas Röske, Leiter der Sammlung Prinzhorn, über die Zeichnungen in der Ausstellung. "Man merkt diesen Werken an, dass sie unter einem sehr starken Druck entstanden sind."
"Sie gehen oft über das hinaus, was zeichnerische Konventionen dieser Zeit bedeutet haben - sie halten sich nicht an das, was die professionellen Künstler und Zeichner der Zeit schaffen." Künstler seien oft voller "Vermeidungsregeln", sie wüssten ganz genau, was sie nicht machen dürften oder was andere schon getan haben. "Diese Menschen sind jedoch oft so stark beseelt von einer Idee, dass sie einfach nur schaffen und neue Ideen produzieren und oftmals sehr weit über das hinausgehen, was die Zeitgenossen schaffen", meint Röske.

Das Motiv der Gegnerschaft

Die meisten seien nicht freiwillig in der Anstalt gewesen und hätten sie als Zwangsmaßnahme empfunden, erzählt er. "Die Situation für Menschen mit psychischer Erkrankung war eine ganz andere und die Ärzte waren noch hilfloser als heute diesen Krankheiten gegenüber. Die meisten dieser Männer und Frauen haben tatsächlich den Rest ihres Lebens bis zu ihrem Tod in der psychiatrischen Anstalt verbracht." Oft seien sie vergessen worden von den Außenstehenden. All das seien Gründe, dass das Motiv der "Gegnerschaft" so oft in ihren Werken auftauche, wie die Anstalt als Grabanlage abzubilden.
Manche dieser Entwürfe seien aber sogar verwirklicht worden - wie das Junkerhaus in Lemgo zum Beispiel. Ein dreigeschossiges Fachwerkhaus, verziert mit filigranem Schnitzwerk. Sein Schöpfer war Karl Junker, Künstler und Architekt. Innen sieht es zum Teil "wie eine Stalaktitenhöhle" aus, sagt Röske, "ein ungeheuer fesselndes Gesamtkunstwerk." Es gäbe keine objektiven Belege dafür, dass Junker tatsächlich psychisch krank war, meint Röske. Doch weil es diese Gerüchte gab, seien Entwürfe von Junker in die Sammlung Prinzenhorn gekommen - wie auch ein monumentaler Entwurf für die Museumsinsel in Berlin. (inh)

"Unruhe und Architektur" - Die Sammlung Prinzhorn
Universitätsklinikum Heidelberg
noch bis 26. August 2018

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