Ausstellung "Uncaged Art"

Als Trump Kinder einsperren ließ

06:53 Minuten
Jugendliche Migranten im Internierungslager in Tornillo, Texas, im Dezember 2018. Hinter einem Zaun laufen, begleitet von Wachpersonal, mehrere junge Menschen.
Ein Haarschnitt für alle: Jugendliche Migranten im Internierungslager in Tornillo, Texas, im Dezember 2018. © picture alliance/dpa/AP Photo/Andres Leighton
Von Thilo Kößler · 15.05.2019
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Zur Abschreckung ließ US-Präsident Donald Trump die Kinder illegaler Einwanderer von ihren Eltern trennen und in Lager stecken. Welche psychischen Folgen das für die Kinder hatte, die dort völlig isoliert lebten, zeigt die Ausstellung "Uncaged Art".
"The first thing that hit us was just the vibrancy of the colors, these dazzling reds and yellows and blues."
David Romo steht vor einem der großformatigen Bilder, die im Centennial Museum auf dem Campus der Universität von Texas in El Paso ausgestellt sind. Sie seien von den schrillen Farben dieser Bilder wie elektrisiert gewesen, sagt der Historiker, dieses schreiende Blau, das tiefe Rot, das leuchtende Gelb. Das Bild eines internierten Jungen aus Guatemala zeigt einen Vogel - einen Quezal, das Nationalsymbol Guatemalas.
"Der Quezal ist ein Symbol der Freiheit und der Hoffnung. Wir haben gehört, dass der Junge, der das Bild gemalt hat, von traurigen Vögeln sprach. Denn ein Quezal kann nicht eingesperrt werden, weil er in Gefangenschaft stirbt."
Ein Quetzal sitzt in einem Bild. "Uncaged Art", befreite Kunst: Bilder von Jugendlichen aus dem Internierungslager für Immigranten in Tornillo/Texa
"Quetzal als Symbol der Freiheit" - Bild aus der Ausstellung „Uncaged Art“.© Deutschlandradio / Thomas Spang
"Uncaged Art" - befreite Kunst, haben Yolanda Leyva und David Romo die Ausstellung genannt, die sie zusammengetragen und arrangiert haben. Sie wollen damit auf die Folgen der Einwanderungspolitik Donald Trumps aufmerksam machen, die bewusst und vorsätzlich Kinder von ihren Eltern trennte, um weitere Flüchtlinge abzuschrecken.

2.600 Jugendliche im Internierungslager Tornillo

2.600 Jugendliche waren zuletzt in diesem Zeltlager in Tornillo interniert, das damit das größte Bundesgefängnis der USA war.
"Sie waren alle zwischen 13 und 17 Jahre alt. Und sie hatten Asylanträge gestellt. Eigentlich waren sie gar keine 'unbegleiteten Minderjährigen', wie es immer hieß. Tatsächlich waren sie von ihren Eltern getrennt worden."
Im Januar 2019 wurde das Lager wegen der immer lauter werdenden Proteste geschlossen. Die Politik der getrennten Familien wurde offiziell für beendet erklärt. Doch noch immer gibt es Jugendliche in den US-Internierungslagern für illegale Immigranten, die ihre Eltern noch nicht wiedergefunden haben, heißt es.

Militarisiertes Camp

"It was a highly militarized camp, all the boys had to have the same haircut."
Tornillo sei ein im höchsten Maße militarisiertes Camp gewesen - alle Jungs mussten denselben Haarschnitt tragen, die Zelte waren nach dem militärischen Alpha-Beta-Charly-Alphabet durchnummeriert.
Alle internationalen und nationalen Regeln der Jugendhaft seien hier außer Kraft gesetzt gewesen, sagt Yolanda Leyva. Es gab keinen Schulunterricht, keinen Kontakt nach außen, keine psychologische Betreuung - nur einmal in der Woche für zehn Minuten die Möglichkeit, mit Angehörigen zu telefonieren.
Yolanda Leyva, Historikerin und Mitorganisatorin der Ausstellung
Keinen Schulunterricht, keinen Kontakt nach außen: Ausstellungsorganisatorin Yolanda Leyva.© Deutschlandradio / Thomas Spang
"Auch die Bestimmung, dass Kinder nicht länger als 20 Tage festgehalten werden dürfen, war außer Kraft gesetzt. Weil das Lager auf dem Grund und Boden des Bundes stand, wurde es zum 'Notstandsquartier' erklärt - manche Kinder waren über Monate hier."

Lager unter strengster Geheimhaltung

Vor allem unterlag dieses Lager - fernab in der Wüste und von außen nicht einsehbar - strengster Geheimhaltung:
"Es war ein geheim gehaltener Ort. Niemand konnte die Kinder besuchen. Niemand kam herein, es sei denn, man war dort beschäftigt. Die Mitarbeiter mussten Schweigeverpflichtungen unterschreiben, sie dürfen bis heute mit niemandem über das Lager sprechen."
Weil ihre Asylverfahren immer noch anhängig sind, kann man auch nicht mit den Jugendlichen selbst reden. Aber einer kam viermal hinein in dieses Lager der abgeschotteten minderjährigen Häftlinge: der Jesuit Rafael Garcia. Viermal durfte er dort die Messe lesen - aber wirklich reden konnte er mit den Jugendlichen nicht.
"Nein, das war nicht möglich. Vor der Messe standen 500 Jugendliche an der Tür. Ich begrüßte sie alle mit Handschlag, und ich verabschiedete sie nach der Messe wieder. Es gab nicht wirklich die Möglichkeit, mit einzelnen Jugendlichen zu sprechen."

"Wie in einem Konzentrationslager"

Diese Einzelheiten über das Lager Tornillo, die jetzt nur langsam und bruchstückhaft nach außen dringen, machen einer irritierten Öffentlichkeit deutlich, in welch kurzer Zeit eine neue Administration eine so radikale politische Wende einleiten kann - und wie sie sich dabei über internationale Standards hinwegsetzt.
"Tornillo war eine surreale Mischung aus zwei völlig entgegengesetzten Phänomenen - auf der einen Seite Konzentrationslager, auf der anderen Seite Disneyland. Man beschäftigte dort 1.800 Menschen, die in zwei Schichten arbeiteten und dort draußen in der Wüste alles perfekt organisierten. Auf der anderen Seite wurden hunderte von Jugendlichen, die von ihren Eltern getrennt worden waren, wie in einem Konzentrationslager isoliert und abgeschirmt."
Der Jesuitenpater Rafael Garcia spricht von einer "strukturellen Sünde" des politischen Systems:
"Ich denke, Grausamkeit spielt eine große Rolle in dieser Politik der Trump-Administration. Aber ich sehe auch immer wieder bei einzelnen Leuten, sei es bei den Grenzschützern oder bei Mitarbeitern in diesen Lagern, dass sie auch sehr menschliche Züge zeigen. Sie sind Teil dieses Systems, und sie sind darin Gefangene mit gemischten Gefühlen. Das ist das, was die katholische Kirche 'strukturelle Sünde' nennt. Das System ist unmoralisch."

"Organisierte Kindesmisshandlung"

Der Historiker David Romo indes spricht von "staatlich organisierter Kindesmisshandlung", die im Lager Tornillo vor den Toren der Stadt El Paso stattgefunden habe. Er zeigt auf das Modell eines Fußballplatzes, das in der Ausstellung "Uncaged Art" zu sehen ist: Internierte Jugendliche haben es aus Papier, Pappe und Plastikbechern gebaut. Die 22 Fußballspieler haben sie aus Pfeifenreinigern modelliert.
"Das alles haben sie unter Haftbedingungen gemacht. Das bewegt mich sehr. Sie hätten ja auch in völlige Depression verfallen können - darauf hat auch Pater Garcia immer wieder hingewiesen. Aber sie haben sich nicht aufgegeben und stattdessen eine unglaubliche Widerstandskraft entwickelt. Sie kennen diese Textzeile, wonach der menschliche Wille nicht gebrochen werden kann. Genau das ist die Kraft, die aus diesen Bildern spricht."
"Uncaged Art", befreite Kunst: Bilder von Jugendlichen aus dem Internierungslager für Immigranten in Tornillo/Texas
„Uncaged Art“, befreite Kunst: Bilder von Jugendlichen aus dem Internierungslager für Immigranten in Tornillo/Texas© Deutschlandradio / Thomas Spang
Indes befürchten Yolanda Leyva, Pater Garcia, David Romo und viele andere, dass die Politik der getrennten Familien keineswegs Vergangenheit ist. Donald Trump sprach sich unlängst indirekt dafür aus, wieder zu dieser Praxis zurückzukehren - denn jetzt kämen zehnmal mehr Familien als vorher ins "Disneyland" Amerika, so Trump gegenüber dem Fernsehsender Fox News:
"We go out and stop separation - the problem is you have ten times more people coming up with their families. It's like Disneyland."
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