Ausstellung über "Zuhause"

Geschichten in Gläsern

Kinder gestalten in der Ausstellung "Unter meinem Dach" gemeinsam mit dem Künstler Edin Bajric ihre Vorstellungen von "Zuhause". Die Ausstellung findet bis 16.8.2015 in der Art Gallery der Nord LB statt.
Die Kinder füllten in der Ausstellung "Unter meinem Dach" in Gläser, was sie mit "Zuhause" verbinden. © Nord LB
Von Hilde Weeg |
Was bedeutet eigentlich "Zuhause"? Jeder Mensch verbindet etwas anderes damit. Der bosnische Künstler Edin Bajric hat Kinder dazu befragt und sie ihre Vorstellungen in der Ausstellung "Unter meinem Dach" künstlerisch umsetzen lassen – darunter viele mit Migrations- oder Flüchtlingshintergrund.
"Mein Zuhause besteht fast nur aus Tieren, ich bin mit denen groß geworden und ich liebe sie halt."
"Mein Hochbett."
"Mein Kuscheltier."
"Mein Handy zeigen und im Garten ein Versteck und mein Bruder nervt mich manchmal".
"Das Wichtigste ist, dass ich habe eine Familie."
Kinder erzählen von ihrem Zuhause. Ihre Geschichten sind Teil der Ausstellung "Unter meinem Dach". Der Künstler Edin Bajric hatte den Kindern diese Fragen gestellt:
"Beschreibe dein Zuhause in einem Satz, und wenn du deinem Zuhause einen Namen geben möchtest, wie würde es dann heißen? Und die letzte Frage war, wenn du jetzt gerade an dein Zuhause denkst, was sind die ersten Gedanken?"
Rund 500 Schülerinnen und Schüler im Alter von acht bis 17 Jahren beteiligten sich am Projekt, aus elf Schulen der Stadt und der Region. Innerhalb von drei Monaten setzten sie sich immer wieder mit dem Thema "Zuhause" auseinander. Hunderte Zeichnungen sind entstanden und ein Dokumentarfilm. Vor allem aber eine Sammlung mit Miniatur-Welten in Gläsern.
400 gefüllte Gläser sind entstanden
Denn alle sollten ein Vorratsglas befüllen, wie man es etwa für Gurken nutzt. Entstanden sind 400 gefüllte Gläser, die nun im Zentrum der Ausstellung stehen, in Holzgestellen aufgereiht. Manche sind mit Sand und kleinen Figuren gefüllt, andere mit Fotos, Briefen, Tierfiguren. In einem Glas baumeln Münzen vor einer Mini-Weltkarte. Im Glas daneben liegen Glasmurmeln, ein Mini-Schuh, ein Mini-Skateboard. Die Erklärung liefert der Gestalter im Film:
"Der Schuh, das ist eine Kopie von meinem allerersten Schuh bei meiner Geburt und dieses Board hier, das soll ein Longboard sein und ich fahre immer damit herum wenn ich gestresst bin, um mich abzuregen."
Ausgedacht und organisiert hat das alles Edin Bajric. Der 35-Jährige lebt in Hannover, hat hier Kunst studiert, ist Mitglied der Initiative Kunst und Warum e.V. Was ihm bei diesem Projekt wichtig war:
"Ich habe keine Erwartungen. Keine Ziele, dass ich sage ich möchte: Das und das erreichen. Und das erklär' ich auch den Teilnehmern. Es geht nicht um die besten Bilder, die besten Fensterbilder. Sondern: Ich möchte mich gern überraschen lassen wohin es geht und ich bin selbst überzeugt bin, dass es etwas mit einem machen wird, wenn man dabei ist."
Der bosnische Künstler Edin Bajric gestaltete gemeinsam mit den Kindern die Ausstellung "Unter meinem Dach", die bis 16.8.2015 in der Art Gallery der Nord LB gezeigt wird.
Der bosnische Künstler Edin Bajric gestaltete gemeinsam mit den Kindern die Ausstellung.© Nord LB
Die meisten Bilder und Gläser erzählen Geschichten von einem glücklichen Zuhause. Andere aber von Heimatlosigkeit, sogar von Flucht oder Vertreibung. Das kennt Bajric aus eigener Erfahrung: Er floh als Zwölfjähriger mit seiner Familie aus Bosnien, konnte nur wenig mitnehmen.
"Wir sind dann direkt nach Hannover gekommen. Über Kroatien. Und nicht einfach eingereist, sondern als Besucher, mit einem Visum, von einer deutschen Familie aufgenommen. Da sind wir nicht illegal eingereist, sondern legal. Da konnten wir erstmal drei Monate bleiben. Und dann war klar, der Krieg ist nicht zu Ende, und dann sind wir zur Ausländerbehörde gegangen und haben uns gemeldet, dass wir bleiben möchten."
Das ist nun 22 Jahre her, aber das Thema beschäftigt ihn immer wieder. Was ihn mit seiner Heimat verbinde, erzählt er, sei zum Beispiel die Erinnerung an seine Großmutter, wie sie Maismehl siebe. Diese kleine Alltagsszene hat er bei einem seiner Besuche gefilmt und für das Projekt genutzt.
Damit sind wir oft eingestiegen mit den Schülern, dass ich denen gezeigt habe, wo ich mein Zuhause vorfinde. Bei einer simplen Tätigkeit meiner Oma und den Geräuschen...
Diskussionen wurden angeregt, die weit über das Thema „Unter meinem Dach" hinausreichen. Im Film erzählen zwei Teilnehmerinnen davon:
Vorher hab ich halt nicht soviel mit meinen Eltern geredet oder mit meinem Bruder Sachen etwas gemacht. Aber durch dieses Projekt habe ich gemerkt, ja, das sind die Einzigen, die ich habe, deswegen achte ich auch mehr darauf, etwas mit ihnen zu machen.
"Das müssen nicht immer Gegenstände sein, sondern das können auch Sachen sein, die man nicht sehen kann, die in Erinnerung bleiben."
Und was passiert mit all den Bildern und Geschichten nach dem Ende der Ausstellung? Manche Kinder wollen ihre Werke zurück, andere haben sie gestiftet. Alles andere wird sich zeigen. Aber Bajric hofft, dass die Ideen im Wortsinn weiter Schule machen.
"Das Grundkonstrukt mit den Fragen und allem bedarf meiner Person gar nicht. Vielleicht benötigt es ein paar Teilnehmern, die sich selbst daran beteiligen. Und darüber sind wir noch am Nachdenken."
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