Die Geknechteten würdigen
Sie wurden wie Tiere in einem Zoo zur Schau gestellt - gut 106 Männer, Frauen und Kinder wurden auf der Ersten Deutschen Kolonialausstellung 1869 in Berlin zu Objekten gemacht. Jetzt wirft eine neue Ausstellung in Treptow-Köpenick einen kritischen Blick zurück.
Meine Urgroßmutter ist da gewesen. Als 16-Jährige reiste Marie von Rhamm im September 1896 mit ihrer Mutter und zwei Freundinnen von Braunschweig nach Berlin. Sie wollten sich die Gewerbeausstellung anschauen und die auf demselben Gelände präsentierte Deutsche Kolonial-Ausstellung. Staunend standen die Mädchen vor dem ersten Phonografen, ließen sich von Arabern mit brauen Gesichtern durch einen Papp-Nachbau der ägyptischen Pyramiden führen. Am allerbesten aber gefiel ihr das Negerdorf. Vor einem der Rohrhäuser im Freien konnte man "einen Blick auf die Kocherei der Neger werfen", schreibt sie, "was uns sehr interessierte." Eine Frau, bekleidet mit einem dünnen Leinenkleid und einem Turban auf dem Kopf, bereitete einen Maisbrei zu, eine andere briet an einem offenen Feuer Fleischstücke. Die Mädchen amüsierten sich sehr, weil sie immer wieder ihren Finger in ein Gefäß mit Wasser steckte, und diesen dann an den Löffel mit Maisbrei hielt.
"Als die Maisspeise fertig war, wusch die schwarze Köchin die Schüsseln so rein auf, dass sich manche deutsche Küchenfee an ihr ein Beispiel nehmen könnte, und schob dann mit dem Maisgericht in die Bambushätte. Sonst haben wir weiter keine Neger gesehen, sie blieben bei dem schlechten Wetter drin",
schrieb meine Urgroßmutter in ihr Tagebuch. Die fremde schwarze Köchin, die sie als Backfisch von 16 Jahren wie in einem Zoo bestaunte, war vielleicht die junge Adoko aus Klein-Popo in Togo. Oder Dassi Creppi, eine der beiden Ehefrauen von John Nayo Bruce, der als Chief und Würdenträger für sich und seine Familie als einziger eine Schiffskajüte für die wochenlange Überfahrt ausgehandelt hatte, während alle anderen unter einem Wellblech auf offenem Deck kampieren mussten. Ihre Fotos und Biografien, soweit man sie rekonstruieren kann, hängen in der neuen Dauerausstellung "zurückGESCHAUT", die das Museum Treptow-Köpenick nun eröffnet – und die bewusst den Blickwinkel der 106 Männer, Frauen und Kinder einnimmt, die in den damaligen deutschen Kolonien angeworben wurden, um in der Kolonialausstellung zur Schau gestellt zu werden.
Bezirksstadträtin Cornelia Flader: "Einen Sommer lang mussten sie sich vom Publikum in Berlin anschauen lassen. Doch sie schauten auch aufmerksam zurück. Sie wehrten sich gemeinsam gegen die ihnen zugewiesene Rolle in der Kolonialausstellung und die Ungerechtigkeiten des kolonialen Staates. Für mich sehr eindrucksvoll ist daher auch das Foto eines Mannes aus Kamerun, der mit einem Opernglas auf die Menschen zurückschaut."
"Als die Maisspeise fertig war, wusch die schwarze Köchin die Schüsseln so rein auf, dass sich manche deutsche Küchenfee an ihr ein Beispiel nehmen könnte, und schob dann mit dem Maisgericht in die Bambushätte. Sonst haben wir weiter keine Neger gesehen, sie blieben bei dem schlechten Wetter drin",
schrieb meine Urgroßmutter in ihr Tagebuch. Die fremde schwarze Köchin, die sie als Backfisch von 16 Jahren wie in einem Zoo bestaunte, war vielleicht die junge Adoko aus Klein-Popo in Togo. Oder Dassi Creppi, eine der beiden Ehefrauen von John Nayo Bruce, der als Chief und Würdenträger für sich und seine Familie als einziger eine Schiffskajüte für die wochenlange Überfahrt ausgehandelt hatte, während alle anderen unter einem Wellblech auf offenem Deck kampieren mussten. Ihre Fotos und Biografien, soweit man sie rekonstruieren kann, hängen in der neuen Dauerausstellung "zurückGESCHAUT", die das Museum Treptow-Köpenick nun eröffnet – und die bewusst den Blickwinkel der 106 Männer, Frauen und Kinder einnimmt, die in den damaligen deutschen Kolonien angeworben wurden, um in der Kolonialausstellung zur Schau gestellt zu werden.
Bezirksstadträtin Cornelia Flader: "Einen Sommer lang mussten sie sich vom Publikum in Berlin anschauen lassen. Doch sie schauten auch aufmerksam zurück. Sie wehrten sich gemeinsam gegen die ihnen zugewiesene Rolle in der Kolonialausstellung und die Ungerechtigkeiten des kolonialen Staates. Für mich sehr eindrucksvoll ist daher auch das Foto eines Mannes aus Kamerun, der mit einem Opernglas auf die Menschen zurückschaut."
Herero und Nama zeigten viel Widerstand
Nicht alle waren freiwillig gekommen. Die Frauen aus Papua-Neuguinea sprangen noch im letzten Moment von Bord, bevor das Schiff auslaufen konnte. Die meisten wurden mit Arbeitsverträgen nach Deutschland gelockt, ihnen war ein Kulturaustausch versprochen worden, der sich dann jedoch auf wenige geführte Ausflüge in die Oper und zu deutschen Militärparaden beschränkte. Doch einige waren sogar auf eigene Kosten angereist, um sich bei den Deutschen für eine bessere Behandlung in den Kolonien einzusetzen, erzählt Christian Kopp vom Verein Berlin Postkolonial.
"Es gab ja eine Audienz beim Kaiser, wo die Herero und Nama gemeinsam, übrigens genau wie heute über 100 Jahre später tatsächlich die Chance genutzt haben, um in ihrem Sinne politisch Einfluss zu nehmen. Das zeigt tatsächlich wie viel Widerstand geleistet werden konnte damals, und mit wieviel eigener Persönlichkeit sie die Geschichte selbst gestaltet haben, soweit es möglich war."
Der Bezirk Treptow-Köpenick nimmt hier im Kleinen vorweg, was im Humboldtforum und in vielen großen Museen erst noch diskutiert wird: Wie umgehen mit der Kolonialgeschichte, mit dem kolonialen Erbe, ohne den eurozentrischen Blick von damals zu reproduzieren? Ursprünglich war die Ausstellung als regionalhistorische Schau geplant gewesen, als Erinnerung an den historischen Ort, an dem vor 100 Jahren die Erste Deutsche Kolonialausstellung stattgefunden hatte. Doch dann habe man gemerkt, dass das Thema doch weitaus größere Dimensionen hatte – und beschlossen, nochmal von vorne anzufangen, diesmal in Kooperation mit dem Verein Berlin Postkolonial und der Initiative schwarze Menschen in Deutschland, erzählt Kurator Matthias Wiedebusch.
"Also, wir verzichten in unserer Ausstellung auf die Wiedergabe, auf die Reproduktion von kolonial-rassistischem Vokabular, was in den Quellen eindeutig zu finden ist. Zeitungsartikel mit dem N-Wort, Dokumente mit dem N-Wort. Ähnlich verhält es sich mit Abbildungen. Wir zeigen in unserer Ausstellung keine Abbildungen, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den ehemaligen deutschen Kolonien in entwürdigender Weise darstellen. Darauf haben wir ganz klar verzichtet."
Nur wenige Quellen aus Sicht der ehemals Kolonisierten
Die Fotos an den Wänden zeigen Menschen, die um ihre Würde bemüht sind. Manche tragen afrikanische Kleidung, andere Anzüge und Krawatte. Sie stammen aus dem Ausstellungskatalog, der damals erschienen ist, und der unter anderem von Felix von Luschan erarbeitet wurde. Der spätere Direktor des Berliner Völkerkundemuseum nutzte die gute Gelegenheit, um jeden einzelnen der Teilnehmer aus den Kolonien für seine rassenanthropologischen Studien zu dokumentieren und zu vermessen. So erpicht war er darauf, dass er sich ausbedungen hat, die Leichname überstellt zu bekommen, falls Teilnehmer versterben sollten. Drei Personen überlebten die nasskalte Witterung im Sommer 1896 nicht. Doch manche der Frauen weigerten sich auch, sich vermessen zu lassen – vielleicht auch die schwarze Köchin aus dem Tagebuch meiner Urgroßmutter. 20 der damals Angeworbenen blieben hier, machten Berufsausbildungen oder heirateten – sehr zum Missfallen der deutschen Kolonialbehörden.
Wiedebusch: "Der Martin Dibobe, ein Teilnehmer hier der Ausstellung ist nach Ausstellungsende hier geblieben, hat dann eine Anstellung bei der Bahn hier in Berlin bekommen und war der erste schwarze U-Bahn-Fahrer hier in Berlin."
Doch die Ausstellung stößt auch an Grenzen. Denn es gibt nur wenige Quellen, die die Sicht der ehemals Kolonisierten belegen oder dokumentieren, was aus den Betroffenen nach der Rückkehr in ihre Heimat wurde. Am meisten weiß man noch über die damals Hiergebliebenen. Die Reichsregierung erließ kurze Zeit später einen Erlass, der Ehen zwischen Kolonisierten und deutschen Frauen untersagte. Zwei Menschen starben später als rassistisch Verfolgte in deutschen Konzentrationslagern. Die Kuratoren sehen die Ausstellung als "work in progress" – und hoffen darauf, dass sich Nachfahren aus den Herkunftsländern finden, um biografische Lücken zu schließen. Vielleicht die Urenkel der schwarzen Köchin, die damals sicher zurückschaute, als meine Urgroßmutter sie im regnerischen Sommer 1896 bestaunte.
Wiedebusch: "Der Martin Dibobe, ein Teilnehmer hier der Ausstellung ist nach Ausstellungsende hier geblieben, hat dann eine Anstellung bei der Bahn hier in Berlin bekommen und war der erste schwarze U-Bahn-Fahrer hier in Berlin."
Doch die Ausstellung stößt auch an Grenzen. Denn es gibt nur wenige Quellen, die die Sicht der ehemals Kolonisierten belegen oder dokumentieren, was aus den Betroffenen nach der Rückkehr in ihre Heimat wurde. Am meisten weiß man noch über die damals Hiergebliebenen. Die Reichsregierung erließ kurze Zeit später einen Erlass, der Ehen zwischen Kolonisierten und deutschen Frauen untersagte. Zwei Menschen starben später als rassistisch Verfolgte in deutschen Konzentrationslagern. Die Kuratoren sehen die Ausstellung als "work in progress" – und hoffen darauf, dass sich Nachfahren aus den Herkunftsländern finden, um biografische Lücken zu schließen. Vielleicht die Urenkel der schwarzen Köchin, die damals sicher zurückschaute, als meine Urgroßmutter sie im regnerischen Sommer 1896 bestaunte.