Ausstellung über das Agfacolor-Werbearchiv

Inszeniertes Nachkriegs-Glück

07:29 Minuten
Bilder aus dem Agfacolor-Werbearchiv in orangen Din-A4-Papier, die die Künstlerin Fiona Tan im Rahmen der Reihe "Artist meets Archive" für die Ausstellung im Museum Ludwig zusammengestellt hat. Museum Ludwig Köln, Pressefotos zur Ausstellung Fiona Tan. GAAF (04.05. - 11.08.2019).
Bananenkisten voller orangener Umschläge mit Fotos befinden sich im Lagerraum des Agfacolor-Werbearchivs. © Rheinisches Bildarchiv / Nina Siefke
Miriam Szwast im Gespräch mit Timo Grampes · 03.05.2019
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Künstlerin Fiona Tan ist im Museum Ludwig auf das Agfacolor Werbearchiv gestoßen und hat daraus eine Ausstellung geformt. In dem Archiv geht es viel um Frauen im Urlaub, sagt Foto-Expertin Miriam Szwast. In gewisser Art seien die Fotos sinnbildlich.
Das internationale Fotofestival "Photoszene Köln" will mit seiner Reihe "Artist meets Archive" Foto-Sammlungen und Archive neu entdecken. Auch das Kölner Museum Ludwig hat sich daran beteiligt und die niederländische Künstlerin Fiona Tan für das Projekt eingeladen, das nun in einer Ausstellung mündet.
Die Foto-Kuratorin des Museums, Miriam Szwast, berichtet, wie sie Tan durch die hauseigenen Bestände geführt hat: "Auf das Agfa-Archiv kam ich zu allerletzt", sagt sie im Deutschlandfunk Kultur. "Da leuchteten die Augen auf", berichtet sie über die Reaktion der Filmemacherin, Fotografin und Foto-Sammlerin Tan. "Und Fiona hat sich dann tatsächlich tagelang durch das staubige Material gearbeitet."

Staubige Fotos in Bananenkisten

"Unsortiert, ungerordnet und durchaus staubig" hätten sich in den Bananenkisten zehntausende, orange DIN-A4-Umschläge gefunden, auf denen und in denen Bilder klebten. Es handelt sich um das Agfacolor-Werbearchiv, vorwiegend aus den 50er- und 60er-Jahren, womit Agfa in der Werbung und auf Messen sein Produkt, die Farbfotografie, vorstellte und bewarb. Aus diesem Material habe Tan die Ausstellung eingerichtet, die am Abend eröffnet wird.
Vor allem inszenierte Urlaubsbilder, am Strand oder im Schnee, dominieren. "Wir sehen immer wieder einen Mann am Strand, der auf allen Vieren kniet, und eine Frau auf allen Vieren auf seinem Rücken, also wie die Bremer Stadt-Musikanten", sagt Miriam Szwast. Mit diesem und ähnlichen Motiven habe Agfa die Leichtigkeit, den Spaß, das Vergnügen dieser Wirtschaftswunderjahre zeigen wollen.
Die Bilder seien sinnbildlich für diese Zeit, aber nicht dokumentarisch, betont Szwast. "Sie beinhalten Ideale, die zum Glück total veraltet sind. Das sind immer junge, vornehmlich blonde, weiße, unglaublich gut gelaunte Frauen – in der Freizeit vor allem, die vor allem von Männern fotografiert wurden." Von Realität sei da nicht viel zu spüren. Vom Wiederaufbau, von Frauen, die arbeiten gingen, zeugten die Fotos in diesem Archiv eben nicht.

Schöne Zweischneidigkeit

Szwast spricht von der schönen Zweischneidigkeit der Fotografie, dass man einerseits etwas sehr Spezielles auf einem Bild sehe, dass es andererseits aber desto allgemeiner werde, je mehr Bilder man zusammenbringe. "Und das gelingt Fiona Tan immer – Bilder von Menschen in etwas Allgemein-Menschliches zu überführen."
Künstlerin Fiona Tan
Die Künstlerin Fiona Tan hat das Agfacolor-Werbearchiv gesichtet.© A. van Leeuwarden
Das passiere auch in der aktuellen Ausstellung von Tan, "wenn sie nicht nur ein Bild zeigt von einer Frau auf einem Mann auf allen Vieren am Strand, sondern vier und noch mehr zusammen zu sehen sind." Die absurden, lustigen, sensationellen Motiv würden Fragen aufwerfen, sagt Szwast: "Auf einmal entsteht da so ein Zeitgeist und man fragt sich: Was war da eigentlich los?"
(mfu)
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