Ausstellung "museum global"

Die Kunstsammlung NRW will weg vom Eurozentrismus

Schwarze Umrisse abstrakter Formen gezeichnet auf eine Fläche aus gelb, dunkel- und hellrot sowie weiß
Auch Kunst des nigerianischen Künstlers Uche Okeke – hier das Gemälde "Ana Mmu (Land of the Dead)" – ist in der Ausstellung "museum global" zu sehen. © Franko Khoury/Kunstsammlung NRW
Von Michael Köhler · 06.11.2018
In der Ausstellung "Museum global" beschäftigen sich Kuratoren der Kunstsammlung NRW erstmals mit dem Ursprung ihrer Sammlung. Dabei führen sie den Besucher in kleinen Geschichten nach Brasilien oder Nigeria - und hinterfragen das eurozentrische Bild.
Die Kunstsammlung NRW ist seit ihren Anfängen eine klassisch westliche Sammlung der europäischen und nordamerikanischen Moderne. Kein modernes Museum – und das betrifft nicht nur Düsseldorf – hatte damals eine globale Perspektive, gibt Direktorin Susanne Gaensheimer zu bedenken: "Auch in den Kunstwissenschaften und Geisteswissenschaften hat sich eben die Perspektive vollkommen grundlegend verändert und man stellt heute die bei uns bislang gültige eurozentrische Haltung grundsätzlich in Frage."

Erstmals wurde gefragt, wie die Kunstsammlung entstand

"Das Forschungsprojekt 'Museum global' forderte auf, zu fragen, wie ist unsere Sammlung entstanden, wer sind wir und wie müssen wir uns verändern? Wir haben zwei Dinge, die in der Sammlung nicht präsent sind. Das eine ist natürlich global, internationale Künstlerinnen und Künstler aus dieser Periode. Und das andere sind überhaupt Künstlerinnen."
Die Kulturstiftung des Bundes hat Kunstsammlungen in Berlin, München, Frankfurt und Düsseldorf unterstützt und aufgefordert, ihre Häuser zu untersuchen. Stiftungschefin Hortensia Völckers gab den Anstoß und nennt den Beweggrund: "Wirklich sich mit ihren eigenen Sammlungen zu beschäftigen, um zu studieren, was wurde eigentlich nicht gesammelt."
Das Ausstellungsplakat zeigt eine weiße Frau und einen farbigen Mann mit Anzug und Hut vor einer städtischen Kulisse, gemalt eindeutig im Stil der neuen Sachlichkeit. Es ist von 1924 und heißt vieldeutig "Encontro", Begegnung. Der Maler Lasar Segall wurde im damaligen Russland geboren, heute Litauen, ging nach Dresden, hatte Berührung mit Otto Dix und ist in den Zwanzigern nach Brasilien ausgewandert. Kuratorin Maria Müller-Schareck: "Wir haben dieses Bild als Key Visual ausgesucht, weil es insofern besonders ist, als es eben generell eine Begegnung markiert. Eine Begegnung, die in unserer Sammlung bisher so nicht zu sehen war."

Für die Recherche reisten Kuratoren auch nach Nigeria

Ihre Kuratoren-Kollegin Isabelle Malz war in Nigeria und konnte nicht einfach in Museen gehen, um Bilder zu holen, sondern musste suchen und detektivisch vorgehen. Es war zeitaufwendig und schwierig, erklärt sie. "Ich hab' teilweise aus Privatsammlungen Leihgaben bekommen und das hat sicherlich damit zu tun, dass ich vor Ort war und einfach auf Menschen gestoßen bin, die mir wieder sozusagen die nächsten Türen geöffnet haben."
Sie ist sich des Problems bewusst, dass recherchieren, finden und ausstellen, immer auch entziehen heißt. Das kulturelle Erbe ist in den Herkunftsländern nicht sichtbar. Die mehrjährige Forschungsarbeit hat die Kuratoren, die Institution und die Zusammenarbeit verändert. Auch Kuratorin Doris Krystof betont wie wichtig es war, dass nicht ein einzelner externer Kurator das in die Hand genommen hat, sondern alle Museumsleute mitgewirkt und gelernt haben.
"Wir hatten in der letzten Woche beim Aufbau die schöne Situation, dass hier Kuriere und Kurierinnen aus Georgien sich mit Brasilianern, mit Mexikanern und Mexikanerinnen abgewechselt haben. (…) Und insofern ist es wirklich eine sehr globale Ausstellung."

Die Kunstsammlung will kein elitärer Ort mehr sein

Den Beteiligten ist die Begeisterung anzumerken. Es hat zu neuer Gruppenarbeit mit Laborcharakter, erfrischenden Konfrontationen und neuen Einsichten geführt. Rasch wird deutlich, nach der Ausstellung und dem Forschungsprojekt kann es nicht so bleiben wie bisher. Gleichwohl bleiben Fragen und Lücken.
Doris Krystof: "Übersehene Frauen aus den Zehner-, Zwanzigerjahren, das ist die Frage, ob man die überhaupt noch kaufen kann. Aber, dass man sie ausstellt und dass man da den Blick dafür öffnet. Dazu ist sicherlich die Ausstellung 'museum global' absolut mit angetreten." Die Selbstbefragung hat zu globalerem und emanzipatorischem Denken geführt. Und nicht zuletzt öffnet sich das Haus mehr zum Stadtraum. Es will kein elitärer Ort mehr sein, sagt Museumsdirektorin Gaensheimer. Hortensia Völckers von der Kulturstiftung des Bundes stellt die Zukunftsfrage: "Das Interessanteste wird sein, was passiert danach?"
Mehr zum Thema