Ausstellung "Krieg - Eine archäologische Spurensuche"

Mit der Scholle kommt der Krieg

Die Ausstellung "Krieg - eine archäologische Spurensuche" im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle/Saale. Besucher betrachten das präparierte Lieblingspferd von Herzog Albrecht von Wallenstein, rechts im Bild das Gemälde "Das Feuer" von Giuseppe Arcimboldo.
Besucher in der Ausstellung "Krieg - eine archäologische Spurensuche" im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle/Saale. © picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt
Von Christoph Richter · 06.11.2015
Krieg ist nicht naturgegeben, sondern ein kulturelles Phänomen: Menschen bekämpfen sich erst seit sie sesshaft wurden, wie die Ausstellung "Krieg - Eine archäologische Spurensuche" in Halle zeigt. Eindrucksvoll schildert sie die Geschichte des Krieges.
"Nein, es gab noch nicht immer Krieg", sagt der Prähistoriker Michael Schefzik, "aber es ist schon festzustellen, dass es sich wie ein roter Faden durch die Menschheitsgeschichte zieht. Seit der Jungsteinzeit."
Und das Neolithikum, wie die Jungsteinzeit auch genannt wird, liegt bereits zwischen 7.000 und 5.000 Jahre zurück. Seit dieser Zeit führen Menschen Krieg.
"Es ist ganz sicher ein kulturelles Phänomen, der Mensch muss nicht von Natur her Krieg führen, er kann Krieg führen. Dazu gehören gewisse kulturelle Gegebenheiten und Komponenten. Diese Komponenten sind auf alle Fälle in der Jungsteinzeit, als die Leute sesshaft wurden, Ackerbau und Viehzucht betrieben, da sind die vorhanden."
Also, als die Menschen begannen, ihre Scholle zu verteidigen, weil sie keine Nomaden mehr waren. Ihre ersten Waffen bestanden aus massiven Kriegsbeilen, Streitäxten oder Holzkeulen, die groben Hockeyschlägern ähnlich sahen. Dann entstanden Pfeil und Bogen, einfache Schleudern, erst später kamen Dolche, Schwerter und Lanzen dazu.
Gefunden wurden dieses Reservoir an Kriegsgerät im ältesten Schlachtfeld Europas, im Tollense-Tal im heutigen Mecklenburg-Vorpommern. 1.200 vor Christus standen sich hier zwei befeindete Gruppen mit mehr als 1.000 Kämpfern gegenüber, ein Glücksfund für Archäologen.
Kriegertum entsteht erst allmählich
Zu sehen ist das Schlachtfeld in der Ausstellung "Krieg – Eine archäologische Spurensuche". Man erfährt, dass es am Anfang lediglich einzelne Kämpfer gab. Erst im Laufe der Zeit entsteht über Jahrtausende hinweg das Kriegertum, das letztlich in Armeen, Soldaten und Söldnern mündet, also Angestellten des Krieges.
Das aufrecht stehende Massengrab von Lützen in Sachsen-Anhalt bildet das Herzstück der Sonderausstellung. Ein Massengrab, indem ineinander verschlungen Skelette liegen. Man sieht die Einschusslöcher in den Schädeln unbekannter Soldaten, die 1632 hier hastig und achtlos verscharrt wurden. Ein bedrückendes Bild.
"Es geht darum, was ist mit den Kriegern passiert. Es geht aber nicht nur um die Todesursachen, die sie in jener Schlacht erlitten haben. Sondern wir zeigen auch deutlich, wie ist ihr Leben gewesen. Aus welchem sozialen Hintergrund kommen sie. Denn wir sehen an den Knochen, an den Zähnen, dass sie ja aus ärmeren Familien kamen, in ihrer Kindheit Krankheit und Hunger erlitten haben, dass sie verletzt waren."
Ausstellungsmacherin Anja Grothe – Spezialistin der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges – sieht das als ein Anti-Kriegsdenkmal. Denn es geht nicht um die Herrschenden, die vielerorts verehrt werden und in prachtvollen Sarkophagen liegen, sondern hier geht es um das Leid der Menschen und man wolle den Opfern ein Gesicht geben.
Wallensteins Lieblingspferd
Die Schlacht von Lützen war eine der folgenschwersten Schlachten des Dreißigjährigen Krieges. Neben dem Schwedenkönig Gustav Adolf wurden mehr als 6.500 Soldaten getötet.
Ein Massengrab der Schlacht bei Lützen (1632) aus dem Dreißigjährigen Krieg. Das Grab ist Teil der neuen Sonderausstellung "Krieg - eine archäologische Spurensuche".
Ein Massengrab der Schlacht bei Lützen (1632) aus dem Dreißigjährigen Krieg. Das Grab ist Teil der neuen Sonderausstellung "Krieg - eine archäologische Spurensuche".© picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt
Gezeigt wird auch das Lieblingspferd von Herzog Albrecht von Wallenstein – das Zeitgenossen an der typischen Fellmaserung erkannt haben sollen.
Bereits das Ausstellungsplakat – das riesig über dem Portal des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle hängt - macht die Bedrohung des Krieges überdeutlich, indem dem Betrachter aus dem Dunkel Schwerter zufliegen, in der Bildmitte prangt in riesigen Lettern das Wort Krieg. Kurator Michael Schefzik:
"Es symbolisiert die Gefahr, die vom Krieg ausgeht. Überhaupt die Bedrohung die durch diese Waffen entsteht. Also man soll sich eingeschüchtert fühlen."
Als Betrachter kann man sich dem Sog der Bilder, der Kriegsgegenstände kaum entziehen. Fragt sich aber permanent, warum die Menschheit nicht lernt und immer weiter Krieg führt, Leiden produziert, die Millionen Menschen zur Flucht treibt.
15.000 Kriege seit der Jungsteinzeit
Präsentiert werden etwa 900 Exponate aus 60 europäischen Museen und Sammlungen. Die Ausstellung "Krieg – Eine archäologische Spurensuche" setzt ein Ausrufezeichen. Und zeigt, das Archäologie nichts Verstaubtes, sondern hochaktuell ist. Und sie liefert einen bedrückenden Einblick in unsere Zivilisation.
Wie durch eine Lupe wird eine vergangene, unscharfe und fremde Welt klar und deutlich. Man sieht nicht nur irgendwelche Schädel, Knochen und Skelette, sagt Kurator Schefzik vom Hallenser Landesmuseum für Vorgeschichte. Sondern kann auch in eine Welt schauen, in der seit 5.000 vor Christus Krieg geführt und Leid produziert wird.
Verschiedene Schätzungen haben ergeben, das bis jetzt etwa 15.000 Kriege stattgefunden haben, denen knapp eine Milliarde Menschen zum Opfer gefallen sind. Aber:
"Es hat auch immer die andere Option von Mensch gegeben. Denn das zeichnet uns Menschen aus, dass wir eine Option haben. Es gibt auch die Option auf Frieden. Und das zeigen wir auch in der Ausstellung mit dem Westfälischen Frieden vom Dreißigjährigen Krieg oder mit dem historischen, ältesten und berühmtesten Friedensvertrag der Welt von Kadesh."

Krieg - eine archäologische Spurensuche
Ausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle
6. November 2015 bis 22. Mai 2016
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