Die Ausstellung "Covers and More" ist vom 9. Mai bis 17. August 2014 im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg zu sehen. Weitere Informationen auf der Webseite des Museums zur Ausstellung.
Entlarvender als das Geschriebene
George Bush als Cowboy auf der Erdkugel reitend oder Merkel als gluckende Henne - Wieslaw Smetek zeichnet für Titelseiten deutscher Medien wie "Stern" und "Spiegel". Der Gang durch seine Ausstellung "Covers and More" ist wie eine Reise durch die gesellschaftliche Entwicklung der vergangenen 20 Jahre.
Smeteks Kommentar zum Rücktritt von Papst Benedikt? Er zeigt den alten alten Mann verschmitzt lachend mit einem kleinen Rollköfferchen aus dem Vatikan flüchten. Smeteks Kommentar zum wieder erstarkten Deutschland? Ein Wehrmacht-Helm mit Hakenkreuz wird blau gestrichen und zu einem UN-Blauhelm umfunktioniert. Darunter der Titel "Kann man den Deutschen trauen?"
Seit 22 Jahren arbeitet der gebürtige Pole Wieslaw Smetek für führende bundesdeutsche Printmedien. Woche für Woche erscheinen seine Illustrationen auf oder in den Blättern. Und ebenso regelmäßig kommt es in den Redaktionen vor seinen Vorschlägen zu Diskussionen.
"Da gibt es ein paar Konflikte zu diesem Thema (lacht), weil eigentlich alle, die einen Text zum Thema schreiben, die erwarten, dass die Illustrationen alle Fakten vom Text im Bild wiederholen. Und ich bin der Meinung, dass man nicht unbedingt alles zeigen muss. Ein bisschen Geheimnis, ein bisschen Störung macht das ein bisschen spannender."
So verbirgt er angesichts der Islamisierungs-Debatten die Mona Lisa unter einem Kopftuch. Oder er zeigt eine kriegerische Merkel in Bundeswehruniform und mit Maschinengewehr in einer Hand. Bei einigen Illustrationen ahnt man, dass Smetek heftig für deren Umsetzung gestritten haben muss. Nicht immer kann er sich durchsetzen, schließlich soll ein Titelbild nicht nur Aufmerksamkeit erregen, sondern möglichst viele Leser anlocken, anstatt sie zu verprellen.
Gibt es da beim Zeichnen eine innere Schere?
"Nein! (lacht). Doch. ... Aber normalerweise provoziere ich sehr gern. Ich muss mich sogar oft bremsen."
Smetek ist seit Jahren einer der gefragtesten Illustratoren führender Medien. Gelernt hat er sein Handwerk in Polen. 1990 kam er nach Hamburg. Seitdem gelingt es ihm immer wieder, in seinen fotografisch genauen Bildern politische Ereignisse und gesellschaftliche Entwicklungen auf den Punkt zu bringen, Themen kritisch und ironisch zuzuspitzen.
Oben der Kopf, getrennt davon der Körper
Ständiger Begleiter seiner Arbeit ist der Zeitdruck: Oft erhält Smetek seine Themen erst kurz vor Redaktionsschluss. Dann muss ihm binnen weniger Stunden etwas Überzeugendes einfallen. Das braucht ein gutes Allgemeinwissen und offene Sinne: Häufig würden kleine Alltagssituationen plötzlich eine Bildidee auslösen, so Smetek. Wie bei dem Foto mit der jungen nackten Frau: Nach vorn gebeugt, die Arme um ihren eigenen Leib geschlungen, sich in sich selbst verkriechend, stecken ihre Füße und Waden in einem Zementblock.
"Das Thema hier ist Depression. Und ich hatte etwas Probleme, Ideen zu finden. Und dann höre ich, jemand ist beim Rasenmähen, und das war ziemlich laut vom Nachbarn. Und dann gucke ich durchs Fenster, und ich sehe meine Nachbarin: Sie steht mit dem Rasenmäher - sehr laut - ohne Bewegung, wie ein Stein. Und ich hatte schon gehört, die Frau hat ab und zu ähnliche Probleme. ... Und die Idee war fertig: Ein Mensch aus Stein, versteinert."
Natürlich hat er im Laufe der Zeit auch Tricks entwickelt, um Zeit zu sparen. Man sieht das an einer zweiteiligen Skizze von Gerhard Schröder: oben der Kopf, getrennt davon der Körper.
"Also ich nenne das 'Zutaten'. Das ist schwarze Pastellkreide auf transparentem Papier. Und wenn ich einen berühmten Politiker zeigen muss, zeichne ich getrennt Kopf und Körper. Und wenn es dann Extrawünsche gibt wegen des Gesichtsausdrucks, dann ist es einfacher, nur den Kopf zu wiederholen."
Bereits als Zeichner arbeitete er nach diesem Baukastenprinzip, sammelte die gezeichneten Köpfe, Körper, und Gesten - und setzte das Material je nach Bedarf zusammen. So auch bei der Illustration, auf der sich Kanzler Schröder in Herrschaftsgeste auf einen Tisch stützt - nackt.
"Das war vier Jahre in der Sternredaktion ... Aber die Redaktion hatte keinen Mut, das zu nutzen. Und dann, nach vier Jahren Wartezeit war der Kopf nicht mehr aktuell, und ich musste einen neuen Kopf zeichnen."
… einen um Jahre gealterten.
"Narrenfreiheit des Illustrators"
Seit Ende der 90er-Jahre arbeitet Smetek am Computer. Doch nach wie vor zeichnet der 55-Jährige große Teile seiner Bilder erst einmal auf Papier. Kurator Jürgen Döring:
"Es ist bei ihm wirklich nicht leicht zu sagen, wo es sich um ein Foto handelt, wo es sich um Zeichnung handelt, wo er ein Foto einarbeitet und überarbeitert. Es geht hin und her."
Krieg, Armut, Stress - es gibt wohl kaum ein Thema, zu dem Smetek nicht schon etwas entworfen hätte. So gleicht der Gang durch die Ausstellung einer Reise durch die nationale und internationale gesellschaftliche Entwicklung der letzten 20 Jahre - wobei Smeteks Arbeiten glücklicherweise um einiges entlarvender und doppelbödiger sind als das, was die meisten Medien zu den Themen schreiben. Das mag unter "Narrenfreiheit des Illustrators" laufen, aber auch die muss man sich erst einmal erarbeiten.