Ausstellung in der "Häftlingsküche"

Von Claudia van Laak |
Für die SS war es das Muster-KZ im Deutschen Reich: das Konzentrationslager Sachsenhausen in Oranienburg nördlich von Berlin. Die DDR-Mahn- und Gedenkstätte wird seit der Wende gründlich umgestaltet und von sozialistischer Propaganda befreit. Mit der neuen Dauerausstellung über das Konzentrationslager Sachsenhausen ist nun die Umgestaltung der Gedenkstätte nahezu abgeschlossen.
Die Besucher erwarten ein Konzentrationslager und bekommen ein Museum. Das ist die Ausgangslage der KZ-Gedenkstätten. Die mittlerweile hoch betagten ehemaligen Häftlinge - lange Jahre authentische Zeitzeugen von Terror, Folter und Mord der SS - sie sterben aus. Auch die baulichen Zeugen sind vielfach verschwunden, sagt Günter Morsch, Direktor der Stiftung brandenburgische Gedenkstätten.

"Früher hat man, und das auch in Westdeutschland, die baulichen Relikte der Lager einfach beseitigt und überformt. Von den ursprünglichen Exponaten, den Hauptbaudenkmälern, ist nicht mehr sehr viel vorhanden. Umso wichtiger sind die, die noch da sind. Und die zu erhalten, darauf kommt es an."

Und das gelingt nur, wenn diese Gebäude auch genutzt werden - in der Gedenkstätte Sachsenhausen als Ausstellungsort. So wurde das Konzept vieler kleiner Expositionen geboren - 13 sind es insgesamt, die von der Situation der jüdischen Häftlinge bis zum sowjetischen Internierungslager nach 1945 verschiedene Aspekte Sachsenhausens dokumentieren. Die zentrale Dauerausstellung zur Geschichte des Konzentrationslagers findet sich in der ehemaligen "Häftlingsküche". Im Keller wurden Wandmalereien von Häftlinge freigelegt - an dem Ort, an dem die Insassen faulige Kartoffeln und Möhren für eine wässrige Suppe putzen und schneiden mussten. Wenn sie sich Gemüsestückchen in den Mund steckten, tauchten die SS-Wärter sie zur Strafe in eine Betonwanne.

Das Ziel der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten ist es, diese Gebäude durch ihre Ausstellungen in die Lagergeschichte einzubetten.

"Das Lager war ja kein Gebäudeensemble. Es war Geschrei, Gestank, Lärm, Angst, Furcht, das ist das Lager gewesen. Nicht die Gebäude. Das heißt, aus der Ikonographie der Gebäude kann man keine Lagergeschichte erschließen."

Im Erdgeschoss zeigen großformatige Fotos auf Textil die Propaganda der SS, kontrastiert durch Zitate ehemaliger Häftlinge. Sachsenhausen war in vielerlei Hinsicht ein Muster-KZ. Hier wurden die SS-Kommandanten und Wächter ausgebildet, hier befand sich die Leitung aller KZs im Deutschen Reich, hier wurde Besuchern eine vermeintlich heile Lagerwelt vorgeführt - erläutert Astrid Ley, Kuratorin der Ausstellung.

"Das ist ein interner Veranstaltungskalender der SS in Sachsenhausen, wo man sehen kann, wie viele Gruppen, auch aus dem Ausland, auch aus dem neutralen Ausland, das Lager besichtigt haben. Dabei ist ihnen natürlich eine Scheinwelt vorgespielt worden."

Die wahre Welt zeigen einige sorgfältig ausgewählte Großexponate - bewusst nicht hinter Glas, sondern von den Besuchern erfühlbar. Der Prügelbock, auf dem Häftlinge festgeschnallt und von SS-Wärtern ausgepeitscht wurden, der Leichenschlitten, auf dem Tote durch das Lager geschleift wurden, der transportable Galgen.

"Häftlinge, die, weil sie vielleicht gegen die Lagerordnung verstoßen hatten, von der Lager-SS zum Tode verurteilt worden waren, wurden öffentlich gehängt. Das gesamte Lager musste auf dem Appellplatz antreten, dieser Galgen wurde ab- und wieder aufgebaut für jede Exekution und die Häftlinge mussten dabei zusehen."

In Vitrinen hinter Glas, sorgfältig beleuchtet: Hinterlassenschaften der Häftlinge. Handgeschnitzte Schachfiguren, das selbst gebundene streichholzschachtelkleine Buch, der Ring mit dem polnischen Adler, das Kreuz aus Blech:

"Diese wenigen, wenigen Besitztümer, die sie haben, werden in den Vitrinen wie Kostbarkeiten präsentiert, wie Schmuckstücke, und das sind sie letztlich auch. Sie stammen aus einer Welt, in der die Häftlinge keinen Besitz hatten. Sie fertigen sich kleinste, primitiveste Dinge selber an und schaffen es, sie aus dem Lager zu retten."

Am Ende der Ausstellung das Totenbuch des Konzentrationslagers Sachsenhausen. Vom Rest der Exposition durch eine Wand abgetrennt, können hier Hinterbliebene still gedenken. Wissenschaftler der Gedenkstätte haben in den letzten Jahren in einem aufwändigen Rechercheprozess die Namen von etwa 20.000 Toten zusammengetragen. Wie viele Menschen insgesamt in Sachsenhausen, seinen Außenlagern und auf dem Todesmarsch ermordet wurden, weiß niemand zu sagen. Die SS vernichtete vor der Befreiung des Lagers durch die Rote Armee die gesamte Kartei.

"Was wir heute haben in Kopie aus russischen Archiven uns beschaffen konnten, sind Teile dieser täglichen Liste, die die SS angefertigt hat, da haben wir aber große Lücken aus der Kriegszeit, aus diesem Grund können wir nur einen Teil der Häftlinge namentlich benennen, die in Sachsenhausen waren und auch nur einen Teil der Toten namentlich auflisten."

Die Recherchen gehen weiter: so vermuten Mitarbeiter der Gedenkstätte ein jüdisches Massengrab in Lieberose, einem KZ-Außenlager im Spreewald. Doch der Besitzer der Fläche verweigert den Wissenschaftlern den Zutritt - die Erforschung des Massengrabes muss jetzt gerichtlich erstritten werden.