Ausstellung im Schwulen Museum

Der ganz spezielle Porno-Blickwinkel

Teilnehmer der alljährlichen schwul-lesbisch-transsexuellen Parade in Paris
Teilnehmer der alljährlichen schwul-lesbisch-transsexuellen Parade in Paris © dpa / picture alliance / Lucas Dolega
Von Dirk Fuhrig · 18.12.2014
"Porn that Way" - eine Ausstellung im Schwulen Museum Berlin nimmt sich der Geschichte der Pornographie an, und zwar aus dem schwulen, dem lesbischen oder dem transsexuellen Blickwinkel.
Wie ein Schutzheiliger hängt das Nacktbild des Transgender-Pornstars "Buck Angle" im Eingang der "Porn that Way“-Ausstellung: "The Man with a Pussy“ kräftiger Bizeps Haaren über dem Six Pack. Und zwischen den haarigen Schenkeln schimmert dunkel eine Vagina:
"Die Forderung war nach 'ner anderen Sexualität, in Wort verhalten, in Bildern... Das ist auch umgesetzt worden."
So beschreibt Laura Meritt eine der vier Kuratorinnen den Anspruch schwuler und lesbischer Pornomacherinnen. Ihre Fotos, Comics und Filme erzählen ein Kapitel Emanzipationsgeschichte gegen den heterosexuellen Mainstream und Zensur, und sie spiegeln auch Kulturgeschichte:
"Zwar sehen nackte Menschen immer gleich aus, würde man denken, aber wir sehen ja hier in der Ausstellung auch wie stark sich das verändert."
Meritts Kurator-Kollege Kevin Clarke steht vor den ältesten Exponaten der Ausstellung:
"...das sind die berühmten Gloeden-Fotografien.. wo man fragen kann: Ist das Kunst, ist das Pornographie oder ist das beides? Ich würde sagen: Das ist beides."
Die Aktaufnahmen sizilianischer Teenager mal mit, mal ohne Toga in nachgestellter antiker Ruinenlandschaft – sie trennen Welten von den glatt rasierten eingeölten Muskelkörpern amerikanischer Body-Building Magazine aus den 50er Jahren. 20 Jahre später hielten Burt Reynolds Doppelgänger mit Schnauzbart und viel Brusthaar Einzug in die schwule Pornowelt.
"Und dann kommt die Aids Krise in den frühen 80er Jahren: Dann werden wieder Körper gezeigt, die super sportlich sind, glatt rasiert, keine Körperhaare, damit man sieht, dass der Körper gesund ist, keine Zeichen von HIV und mit einem Mal haben die alle weiße Unterhosen an und weiße Socken, so dass das alles frisch aussieht, so gesund wie möglich."
Unter der Überschrift : "Queer utopia" feiern film stills schwule Porno-Fantasien als Reaktion auf erfahrene Diskriminierung.
Wer besonders homophob ist, wird zum Lustobjekt - zumindest symbolisch
"Was bei Schwulen noch das besondere ist, ist, dass sie eine Gabe haben, Menschen oder Gruppen, die als besonders homophob wahrgenommen werden , umzudrehen in Lustobjekte, zum Beispiel, Polizisten, Neonazis , Soldaten, Skinheads."
Utopisch scheint es in der Welt schwuler Pornos noch aus einem anderen sehr nahe liegenden Grund herzugehen:
"Bei Hetero-Pornos ist ja immer die Frage: Ist das Frauen-verachtend? Dieses Thema gibt es im schwulen Bereich nicht."
Die Geschichte der Pornografie - egal welcher Orientierung - ist auch die Geschichte ihrer Verbote. Die Ausstellung dokumentiert zum Beispiel den vergeblichen Versuch, die schwulen Comics von Ralf König zu indizieren: Pornogeschichte reif fürs Museum - denn das Internet und seine Möglichkeiten veränderten auch die schwul-lesbische Pornolandschaft grundlegend:
"Man ist nicht mehr abhängig von Studios, die sagen: Wir zeigen nur solche Menschen und nur solche Sexualität. Jetzt kann plötzlich jeder selbst entscheiden, was er filmen will und wen er damit erreichen will."
Und wen sie damit erreichen will. Das Internet bietet den Produzentinnen zum ersten Mal die Möglichkeit, ihre Filme abseits vom Porno-Mainstream zu verbreiten. Kuratorin Laura Meritt: "Der Lesben-Porn ist ganz viel politisch motiviert. Es ist auch eine Forderung, dass zu sehen sein soll, dass die Leute 'was miteinander haben. ..dass auch mal gesagt wird: Mach mal langsamer!"
Wohlgemerkt: der von Lesben für Lesben produzierte Porn, nicht der für heterosexuelle Männer nachgestellte sogenannte Lesbensex. Auf einer Fotowand nehmen die weiblichen Stars typisch männliche Posen ein. Hier werden antrainierte Sehmuster lustvoll parodiert.
"Raum einnehmen darum geht es immer wieder"
Jugendliche unter 18 dürfen zwar die Ausstellung nicht besuchen, aber im Netz können sie alle dokumentierten Filme sehen. Die Sorge vor zu frühem Pornokonsum teilt Kevin Clarke nicht. Im Gegenteil:
"Ich finde es heute schon ganz besonders , dass heutzutage ein Teenager der auf der Suche nach seiner Sexualität ist, und nach Vorbildern, sich bei einer Seite wie 'pornhub' durch alle Kategorien durchklicken kann und sich das alles anschauen kann und ich finde, das ist im Sinne von Emanzipation, von Sexualität, ein ganz großer Vorsprung, dass man eben Leuten die Angst, vor angeblich dem, was sie nicht kennen, nehmen kann."

Die Ausstellung "Porn That Way" ist noch bis Ende März im schwulen Museum Berlin zu sehen.
Kevin Clarkes Monographie: "Porn from Andy Warhol to x-tube" ist im Museumshop erhältlich.

Mehr zum Thema