Ausstellung im Museum Barberini in Potsdam

Wie Rembrandt sich den "Orient" vorstellte

07:47 Minuten
David übergibt Goliaths Haupt dem König Saul – gemalt von Rembrandt.
David übergibt Goliaths Haupt dem König Saul – gemalt von Rembrandt Harmensz van Rijn um 1627 herum. © Kunstmuseum Basel, Vermächtnis Max Geldner, Basel
Von Carsten Probst · 13.03.2021
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Mit „Rembrandts Orient“ meldet sich das Barberini aus dem Lockdown zurück. Das Brisante an den Bildern: Sie reproduzieren die Klischees einer Zeit, in der die Niederlande sich anschickten, Kolonialmacht zu werden - und Rembrandt selbst war nie dort.
Der Orient mutet die Niederländer im 17. Jahrhundert archaisch und grausam an. Während sich die Europäer offenkundig für fortschrittlich und überlegen erachten, scheint der Blick in den Orient weit in die Vergangenheit zu führen – ganz buchstäblich in biblische Zeiten. Unerhörte Prachtentfaltung von Herrscherhäusern auf der einen und archaische Sitten auf der anderen Seite prägen das Bild vom "orientalischen Wilden".Schön zu sehen, wenn man die erhabene Inszenierung des Topkapi-Palasts in Istanbul im Gemälde von Hans de Jode von circa 1659 mit Szenen von Seegefechten aus der gleichen Zeit vergleicht, bei denen sich europäische Handelsschiffe gegen die Angriffe ruchloser Babaresken-Korsaren erwehren müssen, die dafür bekannt sind, ihre Gefangenen ebenso zu versklaven wie die Europäer dies etwa mit Afrikanerinnen und Afrikanern tun.

Porträts von Niederländern in "orientalischer Kleidung"

Doch von Angesicht zu Angesicht begegnen einem in diesen Bildern die Menschen aus dieser fremden Welt nie, zumindest nicht in dieser Ausstellung. Es gibt Porträts, doch dabei handelt es sich um Niederländer, die sich und ihre Familien in "orientalischer Kleidung" mit Turban und bunten Seidenröcken malen lassen. Rembrandt hielt stets eine Sammlung entsprechender Requisiten für seine Darstellungen bereit.
Samson sitzt neben seiner Braut an der Hochzeitstafel und gibt ein Rätsel auf – gemalt von Rembrandt.
Samson sitzt neben seiner Braut an der Hochzeitstafel und gibt ein Rätsel auf – gemalt von Rembrandt um 1638.© Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Ein weiterer Aspekt war eine möglichst "realistische" historische Vorstellung des Heilsgeschehens, eingebunden in die Alltagsszenerien, die dem vorwiegend protestantischen Publikum in den Niederlanden vertraut waren. Rembrandt hat diese Ausrichtung von seinem Lehrer Pieter Lastman übernommen, der diese orientalischen Motive in die niederländische Kunst eingeführt hatte.

Realistische Fiktion biblischer Szenen im Orient

Von Lastman ist hier unter anderem das Gemälde "Der gute Samariter" von 1613 zu sehen, der den barmherzigen Samariter als orientalischen Edelmann in einer eher italienisch anmutenden Landschaft präsentiert. Diese realistische Fiktion biblischer Szenen im Orient mischte sich mit der wirtschaftlichen Komponente. Der koloniale Handel wurde sozusagen religiös legitimiert.
Daniel und Kyros vor dem Götzenbild des Bel – gemalt von Rembrandt.
Daniel und Kyros vor dem Götzenbild des Bel – gemalt von Rembrandt um das Jahr 1633.© The J. Paul Getty Museum, Los Angeles
Kaum gehen diese Malereien auf die realen Orte ein. Eine Ausnahme sind Szenen vom Markt in Batavia, dem heutigen Jakarta, aus dem Jahr 1688, allerdings mit frei erfundenen Menschen. Das verwundert, da in Amsterdam, einer Stadt mit riesigem Hafen Händler, Forscher, Gesandte, aber auch Kolonialverwalter von überallher ständig ankamen, aber auch Arbeiter und später auch Sklaven.

Der Blick der europäischen Profiteure

Das Amsterdamer Rijksmuseum soll im Frühling eine große Ausstellung zur Sklaverei in den Niederlanden eröffnen, in der es auch darum gehen wird, wie der Handel mit dem Osmanischen Reich die Gesellschaft in den Niederlanden beeinflusst hat.
In der Potsdamer Ausstellung zum 17. Jahrhundert wirkt alles noch wie Staffage und Mode, also eigentlich völlig irreal, was zwar auch interessant ist, was aber letztlich nur der Blick der europäischen Profiteure ist.
(ckr)

Die Ausstellung "Rembrandts Orient – Westöstliche Begegnung in der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts" ist noch bis zum 27. Juni 2021 im Museum Barberini in Potsdam zu sehen.

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