Ausstellung "Generation Wealth" in Hamburg

Die Sucht der Superreichen

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Fotografin Lauren Greenfield vor ihrem Bild "Limo Bob in his office" bei ihrer Ausstellung "Generation Wealth" in den Hamburger Deichtorhallen.
Fotografin Lauren Greenfield vor ihrem Bild "Limo Bob in his office" bei ihrer Ausstellung in den Hamburger Deichtorhallen. © Georg Wendt / dpa
Von Peter Helling · 31.03.2019
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Lauren Greenfield dokumentiert seit Jahren die Welt der Superreichen mit all ihren Verzerrungen und Schattenseiten. Nach dem Kinostart ihres Films "Generation Wealth" Ende Januar ist nun die gleichnamige Fotoausstellung in Hamburg zu sehen.
Gier ist gut, sagt die Filmfigur Gordon Gekko in einer Schlüsselszene im Film "Wall Street" mit Michael Douglas. "Ich hatte vier Jahre eine Firma zusammen mit Michael Douglas, dadurch ist die Filmfigur Gordon Gekko für mich persönliche Realität", sagt Florian Homm. Er kennt sie, die Welt der Gier - für ihn war Gordon Gekko ein Held. Homm war Hedgefondsmanager, milliardenschwer:
"Milliardär werden - den Film hab ich jetzt dreimal gespielt, kenn ich, das Ende war nicht nur gut."

Greenfield erzählt eine Moralgeschichte

Jetzt taucht er in Lauren Greenfields Dokumentarfilm "Generation Wealth" auf. In einer Hotellobby, Zigarre im Mund. Er hat es geschafft in die Welt der Superreichen. Der Preis?
"Guess what: Ich war fucking nicht glücklich." Er ist irgendwie ausgestiegen. Kaum vorstellbar, dass es aus dieser Welt einen Ausweg gibt.
Lauren Greenfield fotografiert seit 1992: shoppende Kinder, Models, Mädchen mit Magersucht. Es sind Arbeiten, die für sie lange keine Verbindung hatten, kein Narrativ, sagt Greenfield:
"Ich habe es nicht verstanden, bis zum Finanzcrash 2008, da dachte ich: Vielleicht wird daraus eine Geschichte. Wenn ich zurückgehe und all die Teile des Puzzles ansehe, ergibt sich vielleicht eine Erzählung. Der Crash hat alles in eine Moralgeschichte verwandelt."
Sie will diese Moralgeschichte erzählen ohne zu moralisieren, darauf legt die Künstlerin aus Los Angeles wert. Es ist eine Geschichte vom Zuviel an Geld, an Sex, an Gold. Die Welt des Marken-Fetischismus, die Macht der Schönheitsindustrie - 200 ihrer Fotografien hängen im Haus der Fotografie in Hamburg. Kleine Formate und meterhohe. Unter den weißen Stahlträgern wirken sie fast wie barocke Altartafeln: groteske Posen, Spritzen, die in riesige Münder Botox stechen, Kinder wie dressierte traurige Puppen.

Wie eine Sexpuppe ohne Luft

Zwei überdimensionale Füße in goldenen Schuhen - als hätten sich die roten Glitzerpantoffeln von Judy Garland aus dem "Zauberer von Oz" in pures Gold verwandelt. Das Ende der Unschuld? "Der amerikanische Traum ist zur amerikanischen Illusion geworden", sagt Greenfield.
Lauren Greenfield kommt aus einer liberalen Mittelklasse-Familie in L.A. Ihre Klassenkameraden waren reiche Hollywood-Zöglinge. In diese Welt musste sie erst mal hineinpassen. Das war die erste Inspiration. Und heute? Scheint das Prinzip Generation Wealth ganz oben angekommen. Donald Trump ist für sie "Die Apotheose der Generation Reichtum."
Das Bild "Jackie, 41, and friends with Versace handbags at a private opening at the Versace store" von Fotografin Lauren Greenfield bei ihrer Ausstellung "Generation Wealth" in den Hamburger Deichtorhallen. 
Das Bild "Jackie, 41, and friends with Versace handbags at a private opening at the Versace store" von Fotografin Lauren Greenfield bei ihrer Ausstellung "Generation Wealth" in den Hamburger Deichtorhallen. © Lauren Greenfield
"Es geht Lauren Greenfield weniger um die Darstellung von Reichtum als vielmehr um den Einfluss des Überflusses, insofern ist es schon eine kritische Haltung gegenüber Kapitalismus, der in so vielen Bereichen auf uns Einfluss nimmt", sagt Kurator Ingo Taubhorn. Um Gier gehe es hier längst nicht mehr. "Es geht um Sucht", sagt Greenfield. Florian Homm gibt ihr recht:
"Zu viel ist niemals genug." Was am Ende bleibe? "Leer! Wie so 'ne Sexpuppe ohne Luft."

Die Industrie hinter dem Traum von der ewigen Jugend

Im Ausstellungsteil "Make it rain" sieht man Stripperinnen ihre High-Heels in Geldscheine bohren, die jemand gerade in die Luft geworfen hat. "Wenn sie etwas Verrücktes machen wie 5000 Dollar in die Luft werfen - warum tun sie das? Und was sagt das über uns aus?", fragt Greenfield. Ob sie nicht selbst verführt wurde, nach Reichtum zu greifen?
"Klar, ich glaube, im Film schaue ich auf meine eigenen Sehnsüchte."
Einmal wurde ihr beim Hautarzt eine Behandlung mit Botox angeboten.
"Und ich wusste nicht mal, dass ich Falten hatte! Es war wie im Garten Eden: zu merken, dass du nackt bist. Das brachte mich dazu zu schauen, wie der Druck auf Frauen funktioniert, bloß nicht zu altern - und die ganze Industrie dahinter."
Sie macht sich zum Teil des Spiels. Um es zu durchschauen. Als sie kürzlich im Supermarkt eine Hautcreme für 55 Euro kaufen will, funkt ihr aber der eigene Sohn dazwischen: "Er sagte: 'Was ist das?' Ich sagte: 'Es ist Gesichts-Creme.' Und er: 'Stell's zurück!'"
Lauren Greenfield glaubt an die junge Generation. Die Ausstellung wirkt so opulent, dass man sich manchmal sattsieht. Diese fast pornografische Darstellung des Überflusses, die in Schönheitsoperationen aufgeschnittenen Gesichter.

Düsterer Abschluss der Ausstellung

Ingo Taubhorn: "Das ist natürlich schon so 'ne Tour de Force, wo man einerseits schon in seinem Voyeurismus vielleicht bestätigt wird, aber auf der andere Seite immer wieder reflektieren muss, wie wäre es eigentlich mit mir, wenn ich einfach dieses Geld hätte?"
Das ist genau die Frage. Lauren Greenfields Ausstellung, ja Höllenfahrt in 11 Kapiteln - endet bei einer nackten Frau, die auf dem Boden kriecht und Geldscheine aufsammelt. Ein düsteres Bild.
Lauren Grenfield markiert mit ihrer Arbeit eine Wende: hin zum Exzess. Die Ausstellung im Haus der Photographie ist sehenswert. Die Mischung aus Videos, großformatigen Bildern und Texten stimmig. Überall findet man Zitate einzelner Charaktere: Sie werden sichtbar - hinter den gespritzten Gesichtern. Aber die würdelosen Posen schmerzen. Weil sie wie ein Zerrspiegel funktionieren.
Greenfields Prognose: Der Exzess erreicht langsam seinen Zenit. Was dann? Im Crash steckt immer auch eine Chance: aufzuwachen, hofft sie.

Lauren Greenfield: Generation Wealth
Ausstellung in den Deichtorhallen Hamburg
30.März - 23. Juni 2019

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