Ausstellung

Direkt auf die Seele gezielt

Subodh Gupta
Subodh Gupta kritisiert die indische Gesellschaft. Seine Installationen zeigen auch seine berufliche Herkunft: Bühnenbildner. © dpa / picture alliance / Arne Dedert
Von Rudolf Schmitz |
Subodh Guptas Installationen haben gewaltige Ausmaße und ein immer wiederkehrendes Element: Kochgeschirr. Er ordnet es immer wieder neu an zu intensiven Kunstwerken, die einen kritischen Blick auf die indische Gesellschaft verraten. "Everything is inside" heißt Guptas Schau, inszenierte Äußerlichkeit, die ganz nach Innen reicht.
Teller, Töpfe, Kessel, Schüsseln aus Blech, zu einem riesigen Haufen von zehn Metern Länge aufgeschichtet, bewässert aus mehreren Wasserhähnen, als würde da ewig abgewaschen – mit dieser verblüffenden Installation werden die Besucher in der zentralen Halle empfangen.
Subodh Gupta ist der Marcel Duchamp Indiens. Der 50-jährige Künstler, in einem kleinen Dorf im Nordosten des Landes geboren, steht in der Tradition des Readymades, aber er übertreibt es maßlos. Seine Installationen bestehen fast immer aus Gegenständen des indischen Alltags, hauptsächlich Kochgeschirr, in völlig abgenutztem Zustand oder aber veredelt in Bronze und Silber, als wären es heilige Dinge.
Susanne Gaensheimer, Direktorin des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt:
"Darum geht es bei diesem Künstler, dass er eigentlich den Alltag, das Alltägliche, das Leben des Menschen zum Inhalt seiner Kunst gemacht hat".
Seine Installationen haben gewaltige Ausmaße
Susanne Gaensheimer, Direktorin des Frankfurter Museums für Moderne Kunst, hat für Subodh Gupta das gesamte Erdgeschoss freigeräumt. Und diesen Platz braucht der indische Künstler auch, denn seine Installationen haben gewaltige Ausmaße. Zum Beispiel das Boot, das sich von einem Eisenträger der Decke bis zum Boden erstreckt, vollgefüllt mit altem und angestoßenen Kochgeschirr.
Dazwischen gesteckt kreisende Deckenventilatoren, die das Boot fast in ein märchenhaftes Flugobjekt verwandeln. Doch diese Installation bezieht sich auf eine bittere Realität: die Flutkatastrophe im Süden Indiens von 2012/2013, in der die Menschen oft nur sich selbst und das Nötigste retten konnten, im Stich gelassen von Politik und Verwaltung.
Subodh Gupta: "Der Ventilator ist das Symbol der Bürokratie und das Boot ist der Lebensretter. Da geht's nicht um reich oder arm. Es ist ein Wärter, ein Engel. Und wenn die Katastrophe kommt, sitzen wir doch alle in einem Boot."
Subodh Gupta ist ein Künstler, der vom Theater kommt, er hat als Schauspieler, Regisseur und Bühnenbildner gearbeitet. Und tatsächlich haben seine Installationen etwas Theatralisches. Es sind choreografierte Ansammlungen von Alltagsgegenständen, die immer auf den großen Abwesenden verweisen: den Menschen.
In der Frankfurter Ausstellung hat Subodh Gupta den Raum eines indischen Verwaltungsgerichts nachgebaut: Sessel und Tische sind angekettet, ein Schrank zerplatzt unter der Fülle von in Tuch gehüllten Akten. Das wirkt wie absurdes Theater, hier wird mit Sicherheit nichts entschieden werden. Aber diese endlose Verschleppung juristischer Angelegenheiten entspricht leider der indischen Realität, Jahr um Jahr vergeht, nichts tut sich.
Susanne Gaensheimer: "'Date by date' wo er einen Raum eines Verwaltungsgerichts nachbaut, der für uns ganz erstaunliche Züge hat, weil er aus höchst einfachen Möbelstücken eher provisorisch zusammen gesetzt ist, und das ist natürlich eine Art von Bühne. Und selbst ist er immer auch noch als Bühnenbildner aktiv, und ich würde sagen, dass auch die Inszenierung der Werke eine ganz große Rolle bei ihm spielt, eine Inszenierung von Leben, von dem menschlichen Drama, wie er es nennt."
Alles spielt sich innen ab
Susanne Gaensheimer möchte mit der Präsentation dieses indischen Künstlers unseren Blick für das globale Kunstschaffen öffnen. In diesem Fall für ein Land, das zwischen rasanter Modernisierung und traditioneller Lebenspraxis zerrissen ist. Dem Vorgang des Kochens und gemeinschaftlichen Essens kommt oft geradezu religiöse Bedeutung zu. Davon zeugen nicht nur die Guptas Kochgeschirre, die in Edelstahl oder Messing wie Gold und Silber glänzen, sondern auch die vielen Fotos, die der Künstler von seinen Mahlzeiten gemacht hat, als eine Art Tagebuch. Ein Raum des Museums ist mit einer Fototapete bedeckt, auf der Hunderte solcher leergegessenen Teller und Schüsseln zu sehen sind. Hier wird Subodh Gupta am kommenden Samstag den Besuchern der Ausstellung Khichdi servieren, ein einfaches Gericht aus Reis und Linsen, das in seiner Familie jeden Samstag gegessen wurde und für ihn Heimat bedeutet, fast ein Sakrament.
Subodh Gupta: "Dieser Vorgang des Essens in einer kreativen Umgebung, wo die Leute dann miteinander sprechen und lachen – das macht die Besucher zu Teilnehmern meiner Performance. Das liebe ich daran und deshalb möchte ich das machen."
"Everything is inside" heißt Subodh Guptas Frankfurter Schau. Alles spielt sich innen ab, heißt das vielleicht. Selten einmal hat man eine Ausstellung gesehen, die mit so viel inszenierter Äußerlichkeit direkt auf die Seele zielt.
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