Ausstellung "Archaeomusica"

Freejazz auf der Knochenflöte

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Ein Horn aus der Bronzezeit (1350 - 1150 v.Chr.), zu sehen in der Ausstellung "Archaeomusica" in Brandenburg © Bernd Settnik / dpa
Von Kerstin Poppendiek · 18.01.2018
Knochenflöten, Klangsteine und Schwirrhölzer - auf solchen archaischen Instrumenten spielten unsere prähistorischen Ahnen Musik. Eine Ausstellung in Brandenburg widmet sich mit über 400 Exponaten dieser bis zu 40.000 Jahre zurückreichenden Geschichte.
"Die ersten Musikinstrumente, von denen wir wissen, die datieren in die Altsteinzeit um 40.000 vor Christus", erklärt Dr. Adje Both, Kurator der Ausstellung "Archaeomusica" im Archäologischen Landesmuseum Brandenburg. "Das sind Knochenflöten von Vögeln. Die Flügelknochen von den Vögeln, die sind von Natur aus hohl. Und die lassen sich einfach hervorragend zu Flöten umbauen. Man muss einfach nur ein paar Grifflöcher raus schnitzen und schon ist die Flöte da. "

Archaische Instrumente

Knochen, Muscheln, Zähne, Hörner – daraus entstanden die ersten Instrumente. Aus Muscheln wurden Rasseln gemacht, auf Hörnern wurde geblasen und aus dem Panzer von Schildkröten und Saiten aus Tierdärmen haben die alten Ägypter Leiern gebaut.
Eine archaische Trompete
Keine Vuvuzela, sondern eine archaische Trompete.© Landesamt für Archäologie Sachsen, U. Wohmann
Eine Trompete beispielsweise erinnert vom Aussehen her an die Vuvuzelas, die die Fußball WM 2010 in Südafrika bekannt gemacht hat. Dieses Instrument hier ist allerdings einige tausend Jahre älter, erklärt Dr. Adje Both:
"Das ist die Silber-Trompete aus dem Grab von Tutanchamun, 2300 vor Christus datiert. Das ist ein ganz toller exakter Nachbau. Genauso hat auch die Trompete geklungen, die möglicherweise zum Privateigentum von Tutanchamuns zählte, mit der er selber möglicherweise auch in Krieg gezogen ist und dann seine Truppen zusammen zu rufen, weil das waren Instrumente die tatsächlich von Soldaten in Kampfhandlungen gespielt wurden."

Musik spielte in jeder Kultur eine Rolle

Dr. Adje Both faszinieren einerseits natürlich die Instrumente und die Klänge, die sie erzeugen. Andererseits aber auch, was wir durch diese Instrumente über die damalige Zeit erfahren. Rund 400 verschiedene Instrumente kann man in der Ausstellung im archäologischen Landesmuseum in Brandenburg sehen.
Eindruck aus der Ausstellung "Archaeomusica" in der Stadt Brandenburg
Eindruck aus der Ausstellung "Archaeomusica" in der Stadt Brandenburg© EMAP
Ein Ort, der ideal ist, um sich als Besucher einmal selbst an den Instrumenten zu versuchen. Denn das ehemalige Kloster sorgt für eine ganz besondere Akustik. Bemerkenswert ist, dass es doch Parallelen im Aufbau und der Herstellungsweise gibt, egal ob Blas-, Schlag- oder Saiteninstrumente - und das obwohl die Instrumente aus ganz Europa zusammengetragen wurden:
"Es gibt eigentlich keine Kultur, die keine Musikinstrumente hinterlassen hat. Also Musik scheint eigentlich überall da, wo Menschen unterwegs sind eine Rolle gespielt zu haben. Und anscheinend ist es so, dass Musik eine wichtige Funktion da hat, wo es um Kommunikation geht und wo die Menschen zusammenkommen um miteinander etwas zu machen.
Die Menschen haben sich mittels Musikinstrumenten in Trance versetzt, getanzt, sind in Kontakt mit den Natur-Geistern den Göttern den Dämonen getreten um halt einfach auch wiederum für die Geschicke zu beten. So etwas wie Musik einfach so zum Zeitvertreib, das mag es auch schon gegeben haben, aber wir haben wesentlich weniger Informationen eigentlich dazu. "

Manches klingt nach "Neuer Musik"

Und vor allem gibt es in den wenigsten Fällen überlieferte Informationen, wie diese Instrumente gespielt und welche Melodien damit komponiert wurden. Die ältesten überlieferten Notenaufzeichnungen stammen aus dem Jahr 1400 vor Christus und wurden in Mesopotamien gefunden, ein Gebiet in Vorderasien begrenzt durch die Flüsse Euphrat und Tigris. Allerdings gibt es von diesen frühen Notationen nur sehr wenige erhaltene Fragmente, die über die damalige Spielweise Aufschluss geben.
Ein goldenes Horn aus der Ausstellung "Archaeomusica"
Ein Horn aus der Ausstellung "Archaeomusica"© EMAP, Francesco Marano
Deshalb wird auf diesen Instrumenten heutzutage eher experimentiert. Und so absurd es klingt, würden wir heute diese musikalischen Experimente mit den ältesten Instrumenten Europas in die Schublade "Neue Musik" stecken.
"Wir können auf diesen archäologischen Musikinstrumenten eine unglaubliche Fülle von unterschiedlicher Musik spielen. Wir können auf einer paleolithischen Knochenflöte Mozarts Zauberflöte spielen, und, wenn wir wollten, können aber auch Freejazz auf dem Instrument produzieren oder völlig grausigen schrägen Krach. Und vielleicht war es in der Steinzeit eher der grausige schräge Krach, der genau so eben auf diesem Instrument gespielt werden sollte.
Oder vielleicht haben die Leute der Steinzeit tatsächlich schon Freejazz auf dem Instrument gespielt oder eben ganz süße säuselige Melodien. Alles das ist tatsächlich auf diesem Instrument möglich. Es hat nur vier Grifflöcher aber auf diesen vier Grifflöcher kann ich alles machen."

Musik als Abbild der Gesellschaft

Von der paleolithischen Flöte bis zur keltischen Kriegs-Trompete, von den etruskischen Hörnern bis zu griechischen Doppel-Schalmeien – nicht nur können wir heute noch auf all diesen Instrumenten spielen, es ist genauso erstaunlich, dass unsere heutigen Instrumente gar nicht so viel anders aufgebaut sind.
Musikalisch kreativ waren Menschen vor 30.000 Jahren genauso wie heute und damals wie heute war bzw. ist Musik ein Abbild der Gesellschaft, was diese Ausstellung belegt.

"Archaeomusica – 40.000 Jahre Musikgeschichte Europas"
noch bis 27. Mai 2018 im Archäologischen Landesmuseum Brandenburg
weitere Informationen auf der Website des Museums

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