Außer Küsschen nichts gewesen

10.04.2012
Der Dokumentarfilmer Colin Clark traf bei einem Dreh in London einst Marilyn Monroe, die Folge war eine kurze - und harmlose - Romanze. Nun erscheint Colins Tatsachenbericht über seine Zeit mit der damals berühmtesten Frau der Welt.
Auch ein halbes Jahrhundert nach ihrem Tod hört die Welt nicht auf, an neuen Legenden um Marilyn Monroe zu basteln oder die alten umzuschreiben. An neuen Liedern, Filmen, Büchern jedenfalls herrscht schon fünf Monate vor dem 50. Todestag der Diva im August kein Mangel. Auch "Meine Woche mit Marilyn" gehört in diese Reihe, angeblich ein Tatsachenbericht, der erst vor ein paar Jahren niedergeschrieben wurde und jetzt erstmals auf Deutsch vorliegt.

Darin erzählt der hierzulande unbekannte Dokumentarfilmer Colin Clark (1932-2002), wie er bei Filmarbeiten in London die damals berühmteste Frau der Welt kennen lernte, sich in sie verliebte und wie die beiden damals alle Welt an der Nase herumführten.

1956 drehte Marilyn Monroe in London mit Sir Laurence Olivier "Der Prinz und das Showgirl". Die Sexbombe und der Charakterdarsteller. Sie wollte mit diesem Film endlich ihr Image aufpolieren, er erhoffte sich einen Erfolg an der Kinokasse. Sie hatte soeben ein drittes Mal geheiratet und wurde von ihrem Ehemann Arthur Miller begleitet. Alles schien sich positiv zu entwickeln. In Wirklichkeit aber ging es bergab.

Colin Clark, Oxford-Absolvent aus guter Familie, ist damals der dritte Assistent am Set. Er beobachtet genau und wirft auch einen Blick hinter die Kulissen. Da ist der gestrenge Olivier, niemals zufrieden mit der Leistung der Diva aus Hollywood, Arthur Miller, dem die Kapricen seiner Frau schon bald zu viel werden, weshalb er vorzeitig abreist, Paula Strasberg, die Vertraute, die gegen jede Laune eine Tablette kennt, der Produzent und einstige Marilyn-Geliebte Greene, der eifersüchtig über jeden Schritt seines Zugpferdes wacht. Marilyn Monroe ist nervös, kann sich den Text nicht merken, kommt regelmäßig zu spät zum Set, an manchen Tagen erscheint sie gar nicht.

Da streift ihr Interesse den jungen Colin Clark, als Mädchen für alles ist er der unwichtigste Mann am Set. Und er ist einer, den kein materielles Interesse an sie bindet. Ihm vertraut sie, mit ihm taucht sie ab, geht auf Sightseeing-Tour, streift durch Windsor Castle und badet nackt im See. Es ist ein kurzes Abenteuer, verspielt, romantisch und sehr keusch. Alle denken natürlich, er hätte eine Affäre mit ihr, was ihm zwar schmeichelt, aber überhaupt nicht zutrifft. Außer ein paar unschuldigen Küssen ist nichts gewesen. Gerade das macht den Bericht von Colin Clark so bestechend glaubhaft.

Zwar geht sein Bericht kaum über die bekannten Stereotypen hinaus: die kapriziöse Kindfrau, einsam, von Tabletten und Alkohol abhängig und ständig auf der Suche nach Anerkennung. Aber er zeigt sie auch als willensstark, ehrgeizig und klug, die genau die Machenschaften und Interessenkonflikte am Set durchschaut.

Amüsant geschrieben, enthüllt die kleine Romanze im Grunde zwar nichts über Marilyn, was man nicht schon wüsste. Aber märchenselig wie wir sind, lesen wir doch zu gern von Göttinnen und was passiert, wenn sie sich unter die normal Sterblichen mischen – auch wenn oder gerade weil es nicht ewig dauert.

Besprochen von Edelgard Abenstein

Colin Clark: Meine Woche mit Marilyn
Aus dem Englischen von Bernadette Ott
Schirmer-Mosel-Verlag, München 2012
224 Seiten, 17,80 Euro