Außenseiter in der hispanischen Community

Junot Diaz ist der amerikanische Pulitzer-Preis-Träger 2008. Die Auszeichnung erhielt der 1968 auf Santo Domingo geborene Schriftsteller für seinen ersten Roman "Das kurze wundersame Leben des Oscar Wao" - eine Familiensaga über drei Generationen hinweg, ein Immigrationsroman, der zwischen Santo Domingo und den USA spielt.
Der Amerikaner Junot Díaz, Jahrgang 1968, ist ein literarischer Senkrechtstarter: Schon sein erster Erzählband wurde ausgezeichnet, sein zweites Buch, ein Roman über einen Außenseiter aus einer dominikanischen Immigrantenfamilie, erhielt voriges Jahr den Pulitzer-Preis.

Das ist der Mitgliedsausweis für die literarische Oberliga, und mit diesem Wissen liest man ein Buch schon fast mit dem Vorsatz, es gut, wenn nicht gar großartig zu finden.

Oscar und seine Schwester Lola wachsen ohne Vater in einer Kleinstadt in New Jersey auf, in einer Gegend, wo hauptsächlich spanischsprachige Einwanderer wohnen: aus Haiti, der Dominikanischen Republik, Puerto Rico. Das Milieu kennt Díaz, bis hin zu den feinen Distinktionen nach Schattierungen in der Hautfarbe, aus seiner eigenen Biografie. Weiß ist da niemand.

Oscar ist fett, gigantisch fett, er stopft sich voll mit Pizza und Marvel-Comics, mit den sehr amerikanischen Erzeugnissen der Lebensmittel- und Unterhaltungsindustrie. Er klebt am Computer und lebt in Rollenspielen. Bei alledem ist er, kein Wunder, kommunikationsgestört und sozial nicht kompatibel, er kriegt kein Mädchen ab. Dabei ist er ein leidenschaftlich Liebender, mit der blumigen Ausdrucksweise eines Bücherwurms. Doch er lebt in einer Umgebung, in der Machos das Sagen haben.

Das ist Oscar, der Titelheld; aber interessanter als diese nach einem klaren Muster gestrickte Figur sind die Frauen seiner Familie: die dominikanische Stiefgroßmutter, die schwierige Mutter, die als junge Frau in die USA kam und als einzige aus einer großbürgerlichen Familie die Trujillo-Diktatur überlebt hat und Oscars Schwester Lola, die sich mit großer Kraft und unter Schmerzen ihre Selbständigkeit erkämpft. Erzählt wird das Ganze aus der Perspektive eines jungen Mannes, der Lolas – und ein wenig auch Oscars - Freund war, ein Typ, der so ziemlich alle Klischees vom Latino-Macker aus dem Ghetto bedient.

In Rückblenden wagt Junot Díaz parallel dazu ein Porträt seines Herkunftslands, greift dazu weit in die Geschichte zurück und entwirft eindrucksvolle Szenerien vom Leben in der Dominkanischen Republik unter dem - erst vor kurzem von Mario Vargas Llosa literarisch gewürdigten - furchtbaren und langlebigen Terrorregime des "Ziegenbocks" Trujillo.

Als Romankonstruktion ist Díaz’ üppige Bilderfolge aber nicht gleichbleibend überzeugend. Die Figuren mit ihren extremen Charakteren fügen sich manchmal nicht recht in die sprunghaft mal breit auserzählte, mal in zwei Sätzen zusammengefasste Handlung. Auch seine Stilmittel tun es nicht: Wenn es ernsthaft und historisch werden soll, benutzt Díaz die von David Foster Wallace literarisch salonfähig gemachte Manier der ausufernden Fußnote aus schierer erzählerischer Verlegenheit. Wenn es dagegen unterhaltsam werden soll, dröhnt es plakativ und laut und so poppig und trashig wie möglich.

Das Beste an diesem guten, aber nicht wirklich großartigen Buch sind einzelne Szenen, die man nicht vergisst. Und das wirklich neue daran ist, dass Junot Díaz eine ganz eigene, mit spanischen Brocken und umgangssprachlichen Wendungen durchsetzte Sprache wagt, die, zwischen Härte und Gefühl, in ihren großen Momenten Schmerz und Hoffnung und Verzweiflung kraftvoll und mitreißend intoniert.

Rezensiert von Katharina Döbler

Junot Díaz: Das kurze wundersame Leben des Oscar Wao
Roman
Aus dem Amerikanischen von Eva Kemper
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2009
639 Seiten, 24,90 Euro