Außenpolitische Slalomfahrt

Von Annette Riedl · 02.07.2013
Die Europäische Union hilft Ägypten beim Aufbau demokratischer Strukturen - und mit Geld. Doch mit dem Rücktritt des ägyptischen Außenministers Amr schwinden die guten Kontakte. Welche Folgen das für die Zusammenarbeit hat, sei schwer absehbar, heißt es aus EU-Kreisen.
Die EU hat eine Ägyptenpolitik - im Rahmen ihrer Nachbarschaftspolitik, die nach dem Arabischen Frühling angepasst wurde. Es gibt Kontakte, es gibt Unterstützung beim Aufbau demokratischer Strukturen, es gibt Geld. Aber nicht bedingungslos.

"Für uns gilt: mehr für mehr. Je demokratischer Länder werden, desto mehr können wir helfen ..."

… erklärt der Sprecher der EU-Außenbeauftragten Ashton. Und fügt hinzu, dass das natürlich auch im Umkehrschluss gilt:

"Das heißt auch, dass es weniger für weniger gibt. Wir knüpfen einerseits Bedingungen an unsere finanzielle Unterstützung. Zum Anderen geht ein großer Teil des Geldes an Nichtregierungsorganisationen, die sich vor Ort für mehr echte Demokratie jenseits von Wahlen engagieren. Nicht alles Geld geht an die Regierung."

800 Millionen Euro zahlt die EU an Ägypten
Das heißt, die EU setzt mit ihrer Ägypten-Politik nicht ausschließlich auf die Regierung Mursi. Und auch wenn jetzt schon ein wichtiger Partner mit dem ägyptischen Außenminister Amr verloren gegangen ist, besteht nicht die Gefahr, sagt, Ashtons Sprecher, dass die EU-Ägyptenpolitik sozusagen "leer zu drehen" beginnt, wenn die Regierung Mursi nicht mehr im Amt wäre. Man beobachte aber die Entwicklungen sehr genau.

"Wir haben das gestrige Ultimatum des ägyptischen Militärs an die Regierung zur Kenntnis genommen. Wir appellieren an alle Seiten – egal was passiert – die verfassungsgemäße Ordnung zu respektieren, friedlich zu bleiben und den Dialog aufrecht zu erhalten. Ich kann heute nicht sagen, welchen Effekt die Entwicklungen auf unsere Unterstützung für Ägypten haben werden. Dazu ist die Situation momentan zu schwer einzuschätzen."

Es geht immerhin um gut 800 Millionen Euro, die die EU in Form von Zuschüssen und günstigen Krediten an Ägypten vergibt. Die EU beteiligt sich am Ausbau der Kairoer Metro. Es gibt zwischen der EU und Ägypten hochrangige Dialogforen zur ländlichen Entwicklung, über engere Energiekooperation, über wachstumsfreundlichere Wirtschaftspolitik, zu den Möglichkeiten, die Handelsbeziehungen zu vertiefen und das Investitionsklima am Nil zu verbessern.

All das soll in erster Linie die Lebensumstände der Menschen verbessern, denn vielen geht es schlechter als vor dem arabischen Frühling, was nicht gerade demokratiefördernd ist. Da diese Unterstützung eben nicht ausschließlich über die Regierenden läuft, steht sie auch ohne Mursi nicht zur Disposition. Insofern droht Brüssel aktuell nicht mit "weniger", sondern beschränkt sich auf mahnende Appelle.

"Natürlich respektieren wir jedermanns Recht auf freie Meinungsäußerung – darum ging es schließlich in der Revolution. Aber der Protest muss sich im Rahmen geltender Gesetze bewegen. Andererseits müssen auch Regierung und Sicherheitskräfte umsichtig und ruhig agieren."

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