Ausschreitungen in Heidenau

"Die Stimmung ist binnen Sekunden gekippt"

Polizei kontrolliert am 22.08.2015 nach erneuten Ausschreitungen das Areal um in die neue Notunterkunft für Flüchtlinge im ehemaligen Praktiker-Baumarkt in Heidenau (Sachsen).
Die Polizei kontrolliert nach erneuten Ausschreitungen das Areal um in die neue Notunterkunft für Flüchtlinge im ehemaligen Praktiker-Baumarkt in Heidenau; Aufnahme vom 22.8. 2015. © picture alliance / dpa / Arno Burgi
Nadine Lindner im Gespräch mit Axel Flemming · 23.08.2015
Rechte Demonstranten haben erneut vor einer Notunterkunft für Flüchtlinge im sächsischen Heidenau randaliert. Landeskorrespondentin Nadine Lindner zeigt sich schockiert über das hohe Gewaltpotenzial - und verweist auf den Einfluss der NPD in der Region.
Im sächsischen Heidenau haben Rechtsradikale und Rassisten die zweite Nacht in Folge vor einer Notunterkunft für Flüchtlinge randaliert und Polizisten angegriffen. Zwei Beamte wurden verletzt, wie eine Polizeisprecherin am Sonntag berichtete. Politiker äußerten sich empört. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) verlangte, ausländerfeindliche Gewalttaten mit der "gesamten Härte des Rechtsstaats" zu ahnden.
Zwei Tage nach Beginn der Krawalle hat sich nun auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) erstmals zu Heidenau geäußert. "Mich erschüttern die Ereignisse zutiefst. Das ist Menschenhass mit erschreckender Gewalt gegen Polizisten und gegen Flüchtlinge, die bei uns Schutz suchen", sagt er dem Tagesspiegel. "Wir lassen uns das nicht bieten, wir werden mit aller Macht dagegen vorgehen. Das ist nicht unser Sachsen. Hier verstößt eine Minderheit brutal gegen Werte und Gesetze Deutschlands." Noch am Laufe des Sonntags wollte Tillich persönlich nach Heidenau fahren.
Landeskorrespondentin Nadine Lindner, die am Abend vor Ort war, berichtete in "Studio 9", dass sich zwei Demonstrationszüge – "anfänglich angespannt, aber ruhig" und nur durch eine Bundestraße getrennt – gegenüber standen. Dann sei die Lage außer Kontrolle getraten.
"Kurz vor 23 Uhr ist dann binnen Sekunden die Stimmung gekippt. Es gab mehrere Böllerwürfe – Feuerwerk, das auf der Straße explodiert ist, was von Seiten der Rechten geflogen kam", sagte Lindner.
"Für die Arbeit nicht mehr sicher gefühlt"
Polizei und Gegendemonstranten seien attackiert worden. "Es war innerhalb von wenigen Momenten vollkommen unübersichtlich. Ich habe mich dann zurückgezogen, weil ich mich für die Arbeit dort auch nicht mehr sicher gefühlt habe."
Das Gewaltpotenzial sei – anders als bei Pegida-Demonstrationen oder Protesten in Freital - deutlich höher gewesen, so Lindner.
Spürbar sei zudem, dass die Region unter dem Einfluss der NPD stehe, auch wenn diese im sächsischen Landtag nicht mehr vertreten sei.
"Die NPD ist zwar aus dem Landtag raus, aber in dieser Region gibt es eine Sympathie für die Rechtsextremen. Der Wahlkreis, in dem Heidenau liegt, da haben bei der Landtagswahl 2014 8,7 Prozent der Wahlberechtigten die NPD gewählt - das ist das dritthöchste Ergebnis in Sachsen."
Seit April gebe es in Heidenau wieder eine Ortsgruppe der NPD. Und in der Vergangenheit habe in der Region die neonazistische Kameradschaft Skinheads Sächsische Schweiz feste Strukturen gehabt. Die Kameradschaft sei zwar mittlerweile verboten, "aber die Leute sind ja nicht weg".
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