Aussagen statt Fragen!

Achim Schad stellt seinem Ratgeber eine Frage voran: Wie können Eltern ihre Kinder ohne Gewalt erziehen und ihnen dennoch Grenzen setzen und sie zu Verhaltensweisen bewegen, die es nicht einsieht? Wenn Eltern gegen den Willen des Kindes etwas entscheiden, üben sie Zwang aus. Darüber, meint der Autor, täuschen sich viele Eltern hinweg. Sie möchten Kinder nicht mehr als Untergebene, sondern als Partner behandeln, und müssen dennoch für sie entscheiden.
Die Diagnose des Autors ist kurz und griffig: Heute werde zu viel verhandelt. Das führe zu Diskussionen, die Kraft und Zeit rauben. Kinder aber bräuchten Eltern, die ihnen stark und entschlossen gegenübertreten.

Doch das ist nicht das Interessante an diesem Buch. Seine Stärke liegt in der Radikalität des Ansatzes systemischer Familientherapie, aus der der Autor kommt. Statt Konflikte zu analysieren, setzt dieser Ansatz auf Lösungen. So erhält der Leser eine Serie von Handlungsmaximen. Zum Beispiel: "Aussagen statt Fragen”. Also statt zu sagen: "Hast du Lust, mal den Müll runterzubringen?” die Ansage machen: "Heute bist du mit dem Müll dran. Bitte bringe ihn jetzt runter.” Und wenn das Kind sagt: "Mag ich jetzt nicht”, kommt die nächste Handlungsanweisung: "Kommentieren statt diskutieren”. Konkret: Auch wenn du keine Lust hast, jetzt wird es gemacht!

Neu ist das nicht. Grenzen zu setzen, lautet seit einigen Jahren ein Glaubensbekenntnis vieler Ratgeber. Da ist dieser nicht anders. Und manchmal scheinen die Empfehlungen etwas harsch, wie die, sich von Wutanfällen des Kindes zu distanzieren, indem man den Raum verlässt und gegebenenfalls das Kind in sein Zimmer verweist, bis es sich beruhigt hat. Leider schreibt Achim Schad auch so, als würden seine Tipps für alle Altersstufen gelten. Kleine Kinder aber brauchen unmittelbare Hilfe, um ihre Gefühle zu regulieren, und bei Jugendlichen geht es ohnehin anders zu als in diesem Buch. Wenn der Titel also heißt "Kinder brauchen mehr als Liebe”, dann geht es hier um den Umgang mit Kindern, die als Kleinkinder schon genügend Liebe mitbekommen haben, sodass sie auf die vom Autor vorgeschlagenen Strategien auch eingehen können.

Auf Drohungen will Achim Schad ganz verzichten. Sie führen zu nichts. Wenn der Vater sagt: Du darfst nicht Fahrrad fahren, wenn du deine Hausaufgaben nicht gemacht hast, dann wirkt diese Drohung nicht, wenn das Kind sagt: Dann fahre ich nicht Fahrrad! Dann beginnt ein Machtspiel. Nichts ist in den Augen des Autors aber fruchtloser als Machtkämpfe, in denen Eltern in Wut geraten. Das aber, so seine Diagnose, geschehe heutzutage immer mehr, weil in der Kleinfamilie das Kind zunehmend in den Mittelpunkt gerate und daher oft für das seelische Wohlergehen der Eltern sorgen soll.

Man legt das Buch nach kurzweiliger Lektüre mit vielen Anregungen im Kopf zur Seite. Und am Ende tröstet einen der Autor: Wenn Sie es schaffen, in 80 Prozent der Fälle klare Botschaften zu geben, sich als Mutter und Vater einig zu sein und konsequent zu bleiben, dann sollte das Familienboot durch alle Untiefen hindurchkommen.


Zum Autor: Achim Schad ist Sozialpädagoge und Paar- und Familientherapeut. Er hat viele Jahre in der städtischen Familienbildungsstelle in Wuppertal gearbeitet und ist derzeit Fachbereichsleiter der Bergischen Volkshochschule und als Paar- und Familientherapeut in eigener Praxis tätig. "Kinder brauchen mehr als Liebe. Klarheit, Grenzen, Konsequenzen” ist sein erstes Buch.

Besprochen von Ulfried Geuter

Achim Schad, Kinder brauchen mehr als Liebe. Klarheit, Grenzen, Konsequenzen.
Carl Auer Lebenslust, Heidelberg 2010, 14,95 Euro