Ausnahme-Ereignis mit ungewissem Ausgang

Genau 13 (!) Hochzeitsgeschichten hat Peter Sager in seinem Buch "Drum prüfe, wer sich ewig bindet" zusammengetragen. In einer der anrührendsten Erzählungen beschreibt der Sohn eines Rabbi die jüdische Zeremonie zwischen einem "anständigen" jungen Mann und einer Prostituierten. Viele ihrer anschaffenden Kolleginnen erscheinen - glücklich, dass es auch für eine von ihnen ein bürgerliches Happy End geben kann.
Es sind sehr unterschiedliche Trauungen, die Peter Sager in seinem Buch "Drum prüfe, wer sich ewig bindet" mit genau 13 (!) Hochzeitsgeschichten zusammengetragen hat.

Da beschreibt der heranwachsende Sohn eines Rabbi in einer der anrührendsten und auch witzigsten Erzählungen des Bandes die jüdische Zeremonie im osteuropäischen Shtetl zwischen einem "anständigen" jungen Mann und einer Prostituierten ("Eine ungewöhnliche Hochzeit" von Isaak B. Singer). Ihre anschaffenden Kolleginnen erscheinen, so wie auch diverse Zuhälter in versammelter Zahl - zurechtgemacht und glücklich, dass es auch für eine von ihnen ein bürgerliches Happy End geben kann.

Ein ganz anderes, nämlich großbürgerliches Milieu bilden viele der Hochzeitsgeschichten aus dem 19.Jahrhundert ab (Thomas Mann, Ausschnitt aus den "Buddenbrooks", oder auch Lew Tolstoj mit "Anna Karenina") . Buddhistische und christliche, zivile wie kirchliche Trauungen sind in dem Band enthalten, selbst Heiratsschwindler und ein lebensmüder Bräutigam, der sich schließlich erschießt. Der Streifzug durch die Hochzeitsgeschichten der Weltliteratur reicht von Russland bis Frankreich und von Großbritannien bis nach Neuseeland.

Allen gemeinsam ist eines: Hochzeiten sind (in der Regel!) Ausnahme-Ereignisse, sie katapultieren ihre Protagonisten in neue, ungewohnte Situationen. Dies erlaubt den Autoren, einen auf den besonderen Moment fokussierten Blick auf die Figuren und ihr unmittelbares Umfeld zu werfen.

Bestes Beispiel dafür ist die Erzählung, die am Anfang der Anthologie steht: "Der Vater der Braut" von Doris Dörrie. Nicht zufällig wird hier ganz ironisch der Titel eines Hollywood-Streifens mit Spencer Tracy bemüht. Denn die Geschichte thematisiert als Kontrast zum schönen Schein genau sein Gegenteil: die Klischees, die falschen Rituale und Enttäuschungen, aber schließlich auch die neuen Erkenntnisse, die eine Hochzeitsfeier mit sich bringen kann.

Der Ich-Erzähler ist ein Sportreporter, der als Scheidungsvater nach sechs Jahren Abwesenheit zur Hochzeit seiner Tochter Anna eingeladen wird –die er als wenig attraktive junge Frau mit Babyspeck kaum wiedererkennt. Ihr Bräutigam ist ebenfalls wenig vorzeigbar. Ivo ist jung, dünn und blass, kommt aus Sarajevo und fährt Taxi.

Anna und Ivo heiraten buddhistisch, allerdings nicht aus Überzeugung, sondern einfach: "nur auf dem Standesamt, das fanden wir auch irgendwie doof." Der Ich-Erzähler fühlt sich zunächst peinlich berührt, kann die Rolle des Brautvaters innerlich zuerst gar nicht akzeptieren. Doch er lernt im Verlauf der Zeremonie, (die die jungen Leute mit großer Ernsthaftigkeit absolvieren), seine eigenen Vorurteile abzulegen und das junge Paar - so wie es nun eben ist - zu akzeptieren.

Geschichten wie diese lesen sich amüsant und kurzweilig. Überhaupt hat Peter Sager es verstanden, exemplarische, witzige, auch radikale Texte (zum Beispiel von Elfriede Jelinek) auszuwählen, die aufs rosafarbene Bild verzichten.

Der Verlag wirbt zu Recht mit dem Satz "Ein Geschenkbuch für Verliebte, Verlobte und Verheiratete – und alle, die sich gern an ihre Hochzeit erinnern". Man sollte aber hinzufügen: Es ist auch ein nettes Buch für diejenigen, die sich sicher sind, niemals heiraten zu wollen.

Auch wenn am 7.7.2007 angeblich der Hochzeitstag des Jahres bevorsteht.


Rezensiert von Olga Hochweis

Peter Sager (Hg.): Drum prüfe, wer sich ewig bindet. Hochzeitsgeschichten
Edition Ebersbach, Berlin 2007
144 Seiten, 14 Euro