Ausladung des „Zentrums für politische Schönheit“

"Das ist natürlich Zensur"

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Philipp Ruch, künstlerischer Leiter des "Zentrums für Politische Schönheit".
Philipp Ruch, künstlerischer Leiter des "Zentrums für Politische Schönheit". © imago / CommonLens
Christian Meyer-Heidemann im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 06.03.2019
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Der Kopf des Künstlerkollektivs "Zentrum für politische Schönheit", Philipp Ruch, wurde von einem Kongress der Bundeszentrale für politische Bildung ausgeladen. Ein klarer Fall von Zensur, meint der Politikwissenschaftler Christian Meyer-Heidemann.
Die Aktionen des Künstlerkollektivs "Zentrum für politische Schönheit" (ZPS) haben oft eine sehr direkte politische Aussage. Die Gruppe hat zum Beispiel auf dem Nachbargrundstück des AfD-Politikers Björn Höcke ein Holocaust-Denkmal aufgestellt. In Berlin hat sie Mauerkreuze entfernt, die an die Todesopfer an der innerdeutschen Grenze erinnerten, und diese nach Südeuropa gebracht, um gegen die EU-Flüchtlingspolitik zu protestieren.
Das Kollektiv war zur Veranstaltung "Was uns bewegt. Emotionen in Politik und Gesellschaft" eingeladen. Sie bildet einen Teil des bevorstehenden Bundeskongresses der "Bundeszentrale für politische Bildung" in Leipzig. Nun wurde Phillipp Ruch, der Kopf des Künstlerkollektivs, wieder ausgeladen. Und zwar auf Veranlassung des Innenministeriums, dem die Bundeszentrale untersteht.

Dem kritischen Diskurs verpflichtet

Das sei ein klarer Fall von Zensur, sagte der Landesbeauftragte für politische Bildung in Schleswig-Holstein, Christian Meyer-Heidemann. "Die Bundeszentrale für politische Bildung hatte Herrn Ruch mit gutem Grund eingeladen. Damit er nämlich Gelegenheit hat, seine Aktionen beim Bundeskongress in Leipzig zu präsentieren. Diese Aktionen sollten aber auch zur kritischen Diskussion gestellt werden. Die Bundeszentrale fühlt sich immer dem kritischen Diskurs verpflichtet. Alles was in der Gesellschaft kontrovers diskutiert wird, muss auch in der politischen Bildung kontrovers diskutiert werden."
Die Aktionen des ZPS seien ganz bewusst provokativ und zeigten bestehende Polarisierungen und Missstände in der Gesellschaft auf, sagte Meyer-Heidemann. "Ganz unabhängig davon wie man den künstlerischen Gehalt bewertet, muss es immer möglich sein, das kritisch zu diskutieren. Dieser Diskurs wird aber durch die Ausladung unterbunden."

Das Innenministerium missbraucht seine Fachaufsicht

Das Bundesinnenministerium habe die Fachaufsicht über die Bundeszentrale für politische Bildung. "Es ist aber nicht vollkommen klar, wie weit diese reicht, und eine übertriebene Auslegung dieser Aufsicht gefährdet ihre Unabhängigkeit. Ich sehe in diesem Fall die Grenze überschritten. Hier wird die Fachaufsicht missbräuchlich angewendet."
Es sei jetzt wichtig, dass der Bundesinnenminister Horst Seehofer dazu Position beziehe und erkläre, wie sein Haus unabhängige politische Bildung garantieren will, wenn es auf diese Weise verfahre, sagte Meyer-Heidemann. "Es nützt ja auch nichts, politische Positionen auf diese Weise aus dem Diskurs ausschließen zu wollen, weil es ja nicht gelingt. Jetzt wird doch erst recht darüber gesprochen. Und das wird auch in Leipzig passieren, mit oder ohne Philipp Ruch."
(rja)
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