Ausgezeichnete Gegenwartsarchitektur

Von Adolf Stock · 15.01.2009
Für das Deutsche Architektur Jahrbuch 2008/2009 wurden von einer Jury 24 Bauwerke ausgewählt. Die Bauten werden zugleich in einer Ausstellung des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt am Main präsentiert. Den DAM Preis für Architektur in Deutschland erhielt Peter Zumthor für das Kolumba in Köln.
Die Jury war sich vollkommen einig: Der Schweizer Architekt Peter Zumthor sollte den DAM Preis für Architektur in Deutschland 2008 bekommen. Kolumba, das neue Kunstmuseum für das Erzbistum Köln, hatte mit seiner sorgsamen Architektur des Understatements alle Fachleute überzeugt. Wolfgang Voigt, stellvertretender Direktor des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt am Main.

"Wenn man darauf zugeht, dann wird man schmerzhaft daran erinnert, dass der Wiederaufbau von Köln eigentlich an vielen Stellen nur als sehr ungelungen bezeichnet werden kann. Das ist eine große Kakophonie von Dingen, die nicht zusammenpassen. Und das ist der phantastische Effekt dieses Museums: Dieses Kakophonische, dieses Chaotische, das wird von dem neuen Museumsbau von seiner ruhigen Gestalt zusammengefügt und zu einem neuen Ganzen harmonisiert."

Doch nicht nur das. Zumthors Museum ist auch ein Ergebnis intensiver Spurensuche, in einer Stadt, die von den Römern gegründet wurde und im Zweiten Weltkrieg stark zerstört worden ist. Zumthor geht mit viel Empathie ans Werk. Im September 2006 hat er während der Aktion "Liebe deine Stadt" auf dem Platz vor der Kölner Oper öffentlich über den Wiederaufbau der Domstadt gesprochen.

"Wie wir in der Schweiz sagen luege, schauen, hingucken, das habe ich in Köln natürlich ab und zu gemacht, und dann denke ich, wieso habe ich das nicht früher schon bemerkt, und das sind natürlich einmal mehr die 50er Jahre. Das freut mich zu sehen, wie dann die Schwere nach dem Krieg weg ist, die Dinge werden leichter, und es kommt nicht das Bauhaus und die Härte zurück, sondern so eine Art Freundlichkeit oder Lieblichkeit, die noch viel von einer alten Handwerklichkeit erkennen lassen, und ich stelle mir dann vor, das muss eine wahnsinnige Freude gewesen sein, dass man da wieder bauen konnte."

Das Kolumba-Museum fügt sich perfekt in seine Umgebung. Und was vielleicht noch wichtiger ist, Zumthors Architektur drängt sich nicht vor die sakrale Kunst des Erzbistums Köln.

Das Deutsche Architekturmuseum kann selbst ein Lied davon singen, denn hier muss sich jedes Exponat gegen die kraftvollen Einbauten stemmen, die Oswald Mathias Ungers in die Gründerzeitvilla am Frankfurter Mainufer implantierte.

Am Rhein ist alles anders: zurückhaltender Terrazzoboden, lichtgrauer Lehmputz und elegante, flache Ziegeln. Handwerklich ist alles perfekt. Das Haus dient edel und still einer hochkarätigen Sammlung, die vom frühen Mittelalter bis in unsere Tage reicht.

24 Bauwerke wurden für das Deutsche Architektur Jahrbuch ausgewählt und werden nun in einer begleitenden Ausstellung präsentiert. Erstaunlich viel Nachwuchs gibt es zu sehen. Die Stars der Szene machen sich rar: Coop Himmelblau mit der BMW-Welt in München, Oswald Mathias Ungers mit einem neuen Eingang für die Kaiserthermen in Trier und David Chipperfield mit einem kleinen Privatmuseum gegenüber der Berliner Museumsinsel. Die Namen vom Rest der Mannschaft, Namen wie Helge Sypereck, Hild und K oder Bruno Fioretti Marquez, müssen wir uns erst noch merken. Aber nicht nur die Namen, auch die Bauaufgaben haben sich geändert.

"Die Autoindustrie haben wir jetzt noch ein einziges Mal, das ist diese gewundene aufregende Spirale der BMW-Welt in München von Coop Himmelblau – und das ist es dann. Was sich enorm in den Vordergrund geschoben hat, das sind interessanterweise die Kirchen. Dreiviertel oder mehr ist es Bauen im Bestand, und sehr oft stehen die Dinge in Ostdeutschland. Ich glaube neun von 24 Projekten sind in den neuen Bundesländern, und das stellt eigentlich der Architektur dort ein sehr gutes Zeugnis aus."

Triste Plattenbauten wurden in Dresden, Schulzendorf und Hoyerswerda mit innovativen Ideen auf den neusten Stand gebracht. In Cottbus ist ein altes Dieselkraftwerk nun ein Kunstmuseum, und der Domschatz in Halberstadt bekam durch die Erweiterung des Kreuzgangs ein neues repräsentatives Zuhause. Und völlig überraschend – ganz gegen die üblichen Gepflogenheiten – hat die Jury noch einen zweiten Zumthor-Bau für das Jahrbuch ausgewählt. Wolfgang Voigt:

"Zumthors Kapelle in der nördlichen Eifel, in einer sehr wilden, fast unfreundlichen und auch sehr windigen Landschaft, das ist ein ganz extremes Bauwerk, das ist eigentlich ein Betonkegel, den Zumthor so entworfen hat, dass eine Familie, die dort lebt und die ihre eigene Kapelle haben will, dass diese Familie die in 25 Tagwerken selbst bauen kann."

Zwei der prämierten Projekte stehen im Ausland. Im französischen St. Nazaire haben die Architekten Finn Geipel und Giulia Andi Teile eines alten U-Boot-Bunkers zu einem Veranstaltungsort umgebaut. Im Zweiten Weltkrieg waren dort 20 U-Boote der deutschen Kriegsmarine stationiert. Und in Santiago de Chile wird mit dem "Wall House", ein architektonisches Experiment gewürdigt. Die Architekten Marc Frohn und Mario Rojas Toledo haben ein Modulsystem für ein Wohnhaus entwickelt. Es besteht aus mehreren Schichten, die kostengünstig rund um einen Betonkern gelegt werden können. Im Internet lassen sich die Module demnächst als Bausatz herunterladen.

"Es zeigt sicherlich auch einen Stimmungswandel, dass wir bereit sind, so etwas zu prämieren, und eben nicht in erster Linie das, was auffallen will, was Signatur-Architektur ist. Natürlich, wo es fantastische Architektur ist, muss man auch die Stars zu ihrem Recht kommen lassen, aber – und das ist sicherlich ein interessantes Zeichen für das was im Moment passiert, die Finanzkrise ist ja erst ausgebrochen viele Monate nachdem unsere Jury zusammenkam, aber irgendwie hat es da schon einen Weg genommen, der sich jetzt als der angesagte und richtige erweist."

Mit dem DAM Preis für Architektur in Deutschland, dem Jahrbuch und der begleitenden Ausstellung bewertet das Deutsche Architekturmuseum die neu gebauten Architektur. Nun ja – ein Seismograph ist die Auswahl ganz sicher, und auf jeden Fall kommt mit jedem neuen Jahrbuch ein neuer Jahresring hinzu, der die Wege und Irrwege der bundesdeutschen Architekturentwicklung dokumentiert. Was unterm Strich bleibt, werden wir später sehen.

Links:
www.dam-online.de
www.kolumba.de
www.liebedeinestadt.de

Literatur:
Deutsches Architektur Jahrbuch 2008/09. München (Prestel-Verlag) 2008. Buchhandel 39,95 Euro, Museumsausgabe 29,95 Euro