Ausgebremst

Unbeschränkte Reisefreiheit für Genmais und Chlorhühnchen

"cancelled" steht am 29.08.2014 auf der Anzeigentafel im Flughafen in Hannover (Niedersachsen)
"Cancelled" steht auf der Anzeigentafel eines Flughafen - Reisefreiheit wird eingeschränkt © pa/dpa
Von Uwe Bork · 02.09.2014
Unbeschränkte Reisefreiheit: Die könnte es bald nur noch für Finanz- und Warenströme geben. Für investigative Journalisten hingegen wird es zunehmend schwieriger, in Krisengebiete zu gelangen, findet Uwe Bork.
Seit jenem frühem Morgen an der Gießener Straße in Frankfurt weiß ich, wie es sich anfühlt, fälschlich eines kapitalen Verbrechens verdächtigt zu werden. Dabei hatte ich weder versucht, mein Redakteursgehalt durch einträglichen Rauschgifthandel aufzubessern, noch war ich gar in einen Plan verwickelt, irgendwo auf dieser Welt die freiheitlich-demokratische Grundordnung umzustoßen.
Nein, ich war nur gerade dabei, im amerikanischen Generalkonsulat ein fünfjähriges Journalistenvisum für die Vereinigten Staaten zu beantragen, erkennungsdienstliche Behandlung und ans Schikanöse grenzende Unfreundlichkeit inbegriffen.
Diplomatie wird nur im Nebenberuf gepflegt
Ein bedauerlicher Einzelfall? Danach sieht es leider nicht aus. Vor dem Hintergrund internationaler terroristischer Bedrohungen und weltweiter Migrantenströme herrscht hier wohl eher Methode. Diplomatie scheint in den diplomatischen Vertretungen nicht nur unseres wichtigsten transatlantischen Verbündeten höchstens noch im Nebenberuf gepflegt zu werden. Allenfalls wenn es gilt, kapitalträchtige Honoratioren zu hofieren oder Ausstellungen mit unverbindlicher heimischer Kunst zu eröffnen, haben schöne Worte und wohlfeile Bekenntnisse zur in aller Regel unerschütterlichen Freundschaft zwischen den Völkern noch ihren Platz, bei Herrn und Frau Mustermann mit ihren Reiseplänen herrscht dagegen ein gänzlich anderer Ton.
Von wegen Globalisierung
Da koppelt dann – nur einmal so als Beispiel - die Republik Südafrika bei der Beantragung eines Studentenvisums gekonnt mehrwöchige Bearbeitungszeiten mit der telefonischen Unerreichbarkeit ihrer Vertretung. Und indische Botschaftsangestellte begegnen Beschwerden über die schleppende Behandlung von Visumsanträgen schon einmal mit dem schlagenden Argument: "Wollen Sie nun nach Indien oder ich?"
Von wegen Globalisierung und menschenrechtlich garantierte Freizügigkeit: Auch die Deutschen hat still und heimlich eine Beschränkung der Reisefreiheit eingeholt, wie sie früher nur die Bewohner bettelarmer Staaten kannten, die von den reichen Europäern kollektiv für abzuwehrende Scheinasylanten gehalten wurden. Seit es gilt, zu allem entschlossene Terroristen abzuwehren und vorgebliche Wirtschaftsflüchtlinge abzuschrecken, sind die Schranken zwischen den Staaten wieder höher geworden.
Weltweite Pressefreiheit nur ein schöner Traum
Für Touristen mag das nur ärgerlich und zeitraubend sein, für Journalisten und eine freie Berichterstattung sind die willkürlichen Einreisebeschränkungen vielfach ein bewusst gesetztes Hindernis. Ins Land kommt nur, wer nicht in dessen schmutzigem Bodensatz zu wühlen verspricht.
Weltweite Pressefreiheit? Vergessen Sie's! Das war nur ein schöner Traum, den auch das nur scheinbar grenzenlose Internet nicht retten konnte. "Selbst Staaten wie die USA und Großbritannien rücken investigative Journalisten und ihre Hinweisgeber mittlerweile in die Nähe des Terrorismus", kritisierte jüngst die Vereinigung 'Reporter ohne Grenzen'. "Dass Länder mit einer langen Tradition freier Medien in ähnliche Sicherheitsreflexe verfallen wie Diktaturen, ist unerträglich."
Unbeschränkte Reisefreiheit für Genmais und Chlorhühnchen
Unbeschränkte Reisefreiheit: Die könnte es bald nur noch für Finanz- und Warenströme geben. Sollte das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP wirklich in Kraft treten, wäre das ein weiterer Schritt zu dieser neuen Globalisierung im Dienste der Wirtschaft. Kritiker befürchten, sie werde der Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr Wohlstand bringen, sondern mit ihr würden Demokratie und Rechtsstaat ausgehebelt, die Macht der Parlamente beschränkt. Wie es denn so kommt, wenn man nicht mehr die Bürger reisen lässt, sondern nur noch die Dollars und die Euros, den Genmais und die Chlorhühnchen.
Uwe Bork, geboren 1951, ist seit 1998 Leiter der Fernsehredaktion "Religion, Kirche und Gesellschaft" des Südwestrundfunks in Stuttgart. Für seine Arbeiten wurde er unter anderem mit dem Caritas-Journalistenpreis sowie zweimal mit dem Deutschen Journalistenpreis Entwicklungspolitik ausgezeichnet. Außer seinen Filmen hat Uwe Bork auch mehrere Bücher veröffentlicht. In ihnen setzt er sich humorvoll-ironisch mit dem Alltag in deutschen Familien auseinander oder räumt ebenso sachlich wie locker mit Urteilen und Vorurteilen über Religion auf .
Uwe Bork
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