Ausgebrannt

Viele Frauen fühlen sich von Anforderung zu Anforderung getrieben und zerrieben zwischen Beruf und Familie. Die Folge: Burn-out. Zwei Neuerscheinungen widmen sich dem Syndrom und geben hilfreiche Tipps.
Sie ist Juristin. Ende 30. Die Arbeit bestimmt ihr Leben. Seit Jahren nimmt sie sich keine Zeit mehr für Hobbys. Freie Wochenenden kennt sie nicht. Mit Freunden mal einen Kaffee zu trinken, gönnt sie sich nicht. Von ihrem Freund trennte sie sich. Sie hatte keine Zeit, ihn zu sehen. Alles ganz normal also? Zunächst schon. Erst als sich immer mehr Stress abzeichnet, begibt sich die Enddreißigerin in Behandlung. Aber nicht weil sie sich krank fühlt, sondern weil sie Hilfe erwartet, die anstrengende Zeit zu überbrücken. Die Juristin ist nur eine von mehreren Frauen, die Dagmar Ruhwandl in ihrem Buch "Erfolgreich ohne auszubrennen" vorstellt.

Ähnlich wie Sabine Fabach in ihrem Buch "Burn-out. Wenn Frauen über die Grenzen gehen". Beide Autorinnen beschreiben unzählige Situationen, in denen Frauen sich in ihrem Alltag übernehmen und sich zunehmend in der Arbeit verlieren. Und genau das ist neu: dass das bisher als sensibel gegenüber seiner Gesundheit und dem seelischen Wohlergehen beschriebene Geschlecht ebenso wie etliche erfolgsorientierte Männer viele körperliche Warnsignale übersehen und wie Roboter funktionieren. Auch Frauen suchen immer später einen Arzt auf. Sie brauchen einen Hörsturz oder einen Bandscheibenvorfall, um zur Ruhe gezwungen zu werden und wahrzunehmen, dass etwas in ihrem Leben schief läuft.

Als Psychotherapeutin sind beide Autorinnen auf die Arbeit mit Burn-out betroffene oder gefährdete Frauen spezialisiert. Dagmar Ruhwandl führt als berufstätige Mutter eine eigene Praxis in München. Sabine Fabach arbeitet am Institut Frauensache in Wien. 20 bis 25 Prozent aller Berufstätigen – in manchen Berufen auch deutlich mehr – so führen die Autorinnen an, sind vom Burn-out-Syndrom betroffen, zunehmend mehr Frauen. Diese Tendenz ist umso beunruhigender, da Frauen erst allmählich in die Führungsriegen aufzusteigen beginnen. Doch nicht anders als für Männer gilt auch für sie: Irgendwann ist es genug mit einer 60-Stunden-Woche und auch Frauen geht irgendwann die Luft aus.

Mit der Beschreibung dieses Phänomens leuchten die Autorinnen eine Schattenseite der Berufstätigkeit der Frauen aus – und beide sind sich einig – die Lösung kann nicht daran liegen, Frauen zurück an den Herd zu schieben. Vielmehr wissen sie aus ihren Begegnungen mit betroffenen Frauen: Ihnen fehlt es an Vorbildern wie man ein aktives, erfülltes Leben im Beruf und auch als Mutter führen kann. Zugleich gibt es frauentypische Verhaltensweisen, die ein Burn-out-Syndrom befördern, etwa der Dran stets helfen zu wollen oder immer und überall das Beste geben zu müssen. Hier innezuhalten und falls nötig umzudrehen, dazu fordern beiden Bücher auf.

Sabine Fabach zeigt, dass die Entgrenzung im Arbeitsleben und der Alltag in unserer Informationsgesellschaft Burn-out begünstigt und dazu anhalten, die eigenen Bedürfnisse zu ignorieren. Mit ihrem Sechs-Stufen-Modell beschreibt sie, wie man gleitend vom vollen Einsatz, über eine beinträchtige Selbstwahrnehmung, einem Kampf an allen Fronten und Frustration, in eine innerliche Leere hineinrutschen kann. Einer Leere, der der körperliche und seelische Zusammenbruch folgt. Damit dies nicht passiert, nennt Sabine Fabach gezielte Tipps, wie sich gestresste Frauen aus der Krise befreien können. Indem sie auf klare Aufgabenstellungen im Berufsleben pochen und lernen nein zu sagen. Das ist gut gemeint. Allerdings ist zu befürchten, dass Sabine Fabsachs Ton, der zu sehr auf ein ‚Sie sollten, könnten, müssten’ hinausläuft, ausgebrannte Frauen noch zusätzlich frustriert.

Anders Dagmar Ruhwandl. Sie streift die institutionellen Ursachen, die zu Überforderung führen, nur kurz. Ihr Buch steht ganz klar im Fokus der Frage "Warum brenne ich aus?". Anhand einiger weniger Punkte zeigt sie den betroffenen Frauen, wie sie in ihrem Leben etwas ändern können: beispielsweise indem sie sich die eigenen Erwartungen anzuschauen, abzuwägen woher die eigene Kraft kommt und wohin sie geht und zu überprüfen, ob das Gleichgewicht gewahrt ist. Als Wege aus dem Burn-out schlägt Ruhwandl drei Wege vor: Grenzen setzen, sich regenerieren und zu delegieren.

Gleichzeitig enthält das Buch von Dagmar Ruhwandl "Erfolgreich ohne auszubrennen" nicht nur analysierende Selbsttests, sondern die Autorin erklärt auch kleine Übungen, die helfen zur Ruhe zu kommen. Damit regt die Autorin die Leser an, selbst tätig zu werden, statt sofort zum Therapeuten zu rennen. Sie können zum Beispiel im eigenen Leben nach Erfahrung erlebter Erholung forschen und diese ins Jetzt übertragen. Sie können sich eine Listen erstellen, welche Arbeit delegiert werden können oder - statt sich immer weiter anzutreiben - Nichterreichbares ein für alle mal verabschieden. Anders als bei Sabine Fabach wirken diese Vorschläge locker, fast schon spielerisch und verführen die unter Druck stehenden Frauen, kurz inne zu halten.

Dabei sind beide Bücher durchaus nicht nur für Frauen geschrieben. Auf der einen Seite können auch Männer die beschriebenen Symptome der Managerkrankheit erkennen und die Anregungen für sich nutzen. Zum anderen sind Männer oft auf der anderen Seite, wenn Frauen bereitwillig noch mehr Arbeit übernehmen, nicht um Hilfe bitten oder nicht den Ruhm bekommen, den sie für ihr Überengagement verdient haben. An dieser Stelle Frustpotenzial abzubauen, würde beiden Geschlechtern gut tun. Zugleich könnten Männer entdecken, was bisher Frauen vor Burn-out schützte: nämlich nicht nur den Erfolg in der Arbeit zu suchen, sondern sich auch um Kinder, Verwandte, Freunde, den Haushalt zu kümmern und sich vielfältig zu betätigen – vorausgesetzt, das Maß stimmt. Letztendlich, das unterstreichen beide Autorinnen, besteht die beste Burn-out-Prävention für Frauen darin, Chefin im eigenen Leben zu werden.

Rezensiert von Barbara Leitner

Dagmar Ruhwandl: Erfolgreich ohne auszubrennen. Das Burnout-Buch für Frauen
Klett-Cotta Leben
131 Seiten, 12,90 Euro

Sabine Fabach: Burn-out. Wenn Frauen über die Grenze gehen
Orell füssli Verlag Zürich
Seiten, 24 Euro