Ausgebrannt
Burnout (engl. ausgebrannt) bedeutet: Man hat sich aufgerieben und man kann nicht mehr. Die möglichen Folgen sind, sich als Versager zu fühlen. Die beiden Psychotherapeuten Andreas Hillert und Michael Marwitz haben mit "Die Burnout Epidemie oder Brennt die Leistungsgesellschaft aus?" ein lesbares Sachbuch geschrieben.
"Der Informations- und Unterhaltungswert der populären Burnout-Diskussion ist offenkundig hoch”, schreiben Andreas Hillert und Michael Marwitz, beide Therapeuten an einer Psychosomatischen Klinik in Bayern. Sie fügen - glücklicherweise - der Schwemme an Ratgebern und populärpsychologischen Büchern kein weiteres hinzu.
Burnout wird in ihrem Buch umfassend zum Thema: Warum es dieses Thema gibt, was es so populär macht, was wissenschaftlich vom Begriff Burnout zu halten ist, wie das Phänomen mit Veränderungen in der Arbeitswelt zusammenhängt, wie Psychologen Burnout erklären und wie sie ihn behandeln. Und das alles wissenschaftlich sehr fundiert und doch als lesbares Sachbuch geschrieben - ein Kompliment an die Autoren.
Reaktortechniker sprechen von burnout, wenn Wärmetauscher oder Brennstoffhülsen durchbrennen. Wer diesen Begriff für die menschliche Seele verwendet, verwendet also ein starkes Bild: dass Überhitzung zum GAU führt. Der New Yorker Psychoanalytiker Herbert Freudenberger sprach 1974 als erster von Burnout, um auf die Folgen der Überlastung in sozialen Berufen hinzuweisen, in denen Menschen rund um die Uhr mit hohem Engagement und teilweise ehrenhalber arbeiten.
Schnell trat der Begriff seinen Siegeszug an, wie Hillert und Marwitz meinen aus einem plausiblen Grund: Betroffene können die Rolle eines Kranken spielen, ohne sich als Kranke fühlen zu müssen. Nach den Diagnose-Kriterien der WHO gibt es kein definiertes Krankheitsbild Burnout. Die Betreffenden werden als depressiv klassifiziert oder als "somatoforme Störungen", falls körperliche Beschwerden im Vordergrund stehen. Es gibt daher keine Burnout-Kranken, wie es ja auch keine Burnout-Therapie gibt.
Aber es gibt Menschen, die sich krank fühlen, aber sich nicht als psychisch Kranke verstehen müssen - mit der stigmatisierenden Folge, dass irgendetwas an ihnen liegt, eher zum Beispiel als "Organisations- oder Arbeitskranke", also als Opfer von... Besser wäre zu schreiben: Sie übernehmen die Rolle eines Kranken, ohne sich als psychisch Kranke bezeichnen zu müssen.
Aus der Alltagssprache kam der Begriff in die Wissenschaft. Nun wurden Fragebogen entwickelt, um Burnout zu messen. Aber je genauer man hinschaute, desto unschärfer wurde das Bild eines vermeintlich klaren Phänomens. Ordensschwestern, die sieben Tage in der Woche ohne einen Tag Urlaub im Jahr Behinderte pflegten, zeigten in einer Untersuchung keine Anzeichen von Burnout. Bei Lehrern empfinden sich schon über ein Viertel der Referendare als ausgebrannt, also bevor überhaupt die Akkumulation von Belastungen losgeht. Offensichtlich hat das Phänomen also mit zweierlei zu tun: mit dem Kontext und dem Verständnis der Arbeit und mit der Persönlichkeit der Betroffenen.
Immer mehr Daten zum Ausbrennen von Menschen wurden zusammengetragen, ohne dass die Erkenntnisse zunahmen. Bis heute konnten sich Wissenschaftler nicht einmal darauf einigen, was sie unter Burnout verstehen. Somit geht es dem Begriff wie dem Begriff der Liebe: Er eignet sich gut, um darüber zu reden, jeder kann ihn auf eigene Art ausfüllen, aber niemand ihn allgemein verbindlich definieren.
Daher wurde Burnout auch nie zu einem Begriff psychotherapeutischer Diagnose-Systeme. Psychologisch gesehen überlappt sich das Konzept mit der Persönlichkeitseigenschaft "emotionale Labilität”, mit dem klinischen Bild einer Depression oder mit Reaktionsmustern, die man allgemein bei Stress antrifft.
Was die empirische Forschung zu Burnout in drei Jahrzehnten intensiver und aufwändiger Bemühungen herausgefunden hat, so der Eindruck aus diesem Buch, ist nicht mehr als man durch bloßes Hinschauen und Nachdenken herausbekommen kann. Nur in einer Hinsicht hat sich den Autoren zufolge eine klare Kausalität nachweisen lassen: Spannungen, Unsicherheiten und mangelnde soziale Unterstützung am Arbeitsplatz machen krank und die subjektive Arbeitsbelastung nahm in den letzten Jahrzehnten zu.
Trotz aller Hintergründe in der Arbeitswelt liegt es am Einzelnen, ob es zum Burnout kommt. Studien zufolge hilft es gegen Ausbrennen mehr, wenn sich die Menschen verändern als wenn formale Strukturen am Arbeitsplatz verändert werden. Entlastung, Erholung, Erlernen von Stressbewältigung, Erlernen eines neuen Umgangs mit Konflikten und eigenen Ansprüchen - Hilfen für Betroffene müssen auf die Probleme des Einzelnen zugeschnitten werden. Hier sprechen die Autoren aus ihren konkreten Erfahrungen als Psychotherapeuten.
Wie am Ende des 19. Jahrhunderts die Neurasthenie, folgern Hillert und Marwitz, ist heute Burnout ein "soziales Konstrukt”, in dem sich schlüssig Erfahrungen von Menschen in einer Weise beschreiben lassen, die für die Betroffenen attraktiv ist, nämlich dass sich ihnen Lösungen eröffnen, ohne sie negativ zu stigmatisieren.
Andreas Hillert, Michael Marwitz:
Die Burnout Epidemie oder Brennt die Leistungsgesellschaft aus?
München, C.H. Beck, 2006, € 18,90
Burnout wird in ihrem Buch umfassend zum Thema: Warum es dieses Thema gibt, was es so populär macht, was wissenschaftlich vom Begriff Burnout zu halten ist, wie das Phänomen mit Veränderungen in der Arbeitswelt zusammenhängt, wie Psychologen Burnout erklären und wie sie ihn behandeln. Und das alles wissenschaftlich sehr fundiert und doch als lesbares Sachbuch geschrieben - ein Kompliment an die Autoren.
Reaktortechniker sprechen von burnout, wenn Wärmetauscher oder Brennstoffhülsen durchbrennen. Wer diesen Begriff für die menschliche Seele verwendet, verwendet also ein starkes Bild: dass Überhitzung zum GAU führt. Der New Yorker Psychoanalytiker Herbert Freudenberger sprach 1974 als erster von Burnout, um auf die Folgen der Überlastung in sozialen Berufen hinzuweisen, in denen Menschen rund um die Uhr mit hohem Engagement und teilweise ehrenhalber arbeiten.
Schnell trat der Begriff seinen Siegeszug an, wie Hillert und Marwitz meinen aus einem plausiblen Grund: Betroffene können die Rolle eines Kranken spielen, ohne sich als Kranke fühlen zu müssen. Nach den Diagnose-Kriterien der WHO gibt es kein definiertes Krankheitsbild Burnout. Die Betreffenden werden als depressiv klassifiziert oder als "somatoforme Störungen", falls körperliche Beschwerden im Vordergrund stehen. Es gibt daher keine Burnout-Kranken, wie es ja auch keine Burnout-Therapie gibt.
Aber es gibt Menschen, die sich krank fühlen, aber sich nicht als psychisch Kranke verstehen müssen - mit der stigmatisierenden Folge, dass irgendetwas an ihnen liegt, eher zum Beispiel als "Organisations- oder Arbeitskranke", also als Opfer von... Besser wäre zu schreiben: Sie übernehmen die Rolle eines Kranken, ohne sich als psychisch Kranke bezeichnen zu müssen.
Aus der Alltagssprache kam der Begriff in die Wissenschaft. Nun wurden Fragebogen entwickelt, um Burnout zu messen. Aber je genauer man hinschaute, desto unschärfer wurde das Bild eines vermeintlich klaren Phänomens. Ordensschwestern, die sieben Tage in der Woche ohne einen Tag Urlaub im Jahr Behinderte pflegten, zeigten in einer Untersuchung keine Anzeichen von Burnout. Bei Lehrern empfinden sich schon über ein Viertel der Referendare als ausgebrannt, also bevor überhaupt die Akkumulation von Belastungen losgeht. Offensichtlich hat das Phänomen also mit zweierlei zu tun: mit dem Kontext und dem Verständnis der Arbeit und mit der Persönlichkeit der Betroffenen.
Immer mehr Daten zum Ausbrennen von Menschen wurden zusammengetragen, ohne dass die Erkenntnisse zunahmen. Bis heute konnten sich Wissenschaftler nicht einmal darauf einigen, was sie unter Burnout verstehen. Somit geht es dem Begriff wie dem Begriff der Liebe: Er eignet sich gut, um darüber zu reden, jeder kann ihn auf eigene Art ausfüllen, aber niemand ihn allgemein verbindlich definieren.
Daher wurde Burnout auch nie zu einem Begriff psychotherapeutischer Diagnose-Systeme. Psychologisch gesehen überlappt sich das Konzept mit der Persönlichkeitseigenschaft "emotionale Labilität”, mit dem klinischen Bild einer Depression oder mit Reaktionsmustern, die man allgemein bei Stress antrifft.
Was die empirische Forschung zu Burnout in drei Jahrzehnten intensiver und aufwändiger Bemühungen herausgefunden hat, so der Eindruck aus diesem Buch, ist nicht mehr als man durch bloßes Hinschauen und Nachdenken herausbekommen kann. Nur in einer Hinsicht hat sich den Autoren zufolge eine klare Kausalität nachweisen lassen: Spannungen, Unsicherheiten und mangelnde soziale Unterstützung am Arbeitsplatz machen krank und die subjektive Arbeitsbelastung nahm in den letzten Jahrzehnten zu.
Trotz aller Hintergründe in der Arbeitswelt liegt es am Einzelnen, ob es zum Burnout kommt. Studien zufolge hilft es gegen Ausbrennen mehr, wenn sich die Menschen verändern als wenn formale Strukturen am Arbeitsplatz verändert werden. Entlastung, Erholung, Erlernen von Stressbewältigung, Erlernen eines neuen Umgangs mit Konflikten und eigenen Ansprüchen - Hilfen für Betroffene müssen auf die Probleme des Einzelnen zugeschnitten werden. Hier sprechen die Autoren aus ihren konkreten Erfahrungen als Psychotherapeuten.
Wie am Ende des 19. Jahrhunderts die Neurasthenie, folgern Hillert und Marwitz, ist heute Burnout ein "soziales Konstrukt”, in dem sich schlüssig Erfahrungen von Menschen in einer Weise beschreiben lassen, die für die Betroffenen attraktiv ist, nämlich dass sich ihnen Lösungen eröffnen, ohne sie negativ zu stigmatisieren.
Andreas Hillert, Michael Marwitz:
Die Burnout Epidemie oder Brennt die Leistungsgesellschaft aus?
München, C.H. Beck, 2006, € 18,90