Ausgeblättert

Von Stefan Keim |
Literatursendungen im Fernsehen funktionieren am besten mit bekannten Gesichtern wie Ulrich Wickert oder Elke Heidenreich. Allerdings verzichten sie weitgehend auf Kritik und unterscheiden sich in ihrer Harmlosigkeit zu wenig von anderen Talkshows. Am Sonntag läuft zum letzten Mal die ARD-Sendung "Wickerts Bücher".
Ulrich Wickert liest nicht. Er blättert. Zumindest im Vorspann seiner Sendung "Wickerts Bücher". Worin schon ein grundlegendes Problem von Literatursendungen im Fernsehen zu Tage tritt. Lesen ist nicht telegen. Einen Lesenden zu betrachten wirkt optisch langweilig. Also muss Wickert blättern, bis sein von der Kamera halbiertes Gesicht mit ernstem Blick, zwei strenge Nasenfalten auf der Stirn den Zuschauer fixiert. Jetzt geht´s los, jetzt geht´s um "Wickerts Bücher".

Aus der Sendung: "Guten Abend, meine Damen und Herren. Herzlich willkommen zu Wickerts Bücher. Man hat den Eindruck, die Welt steht auf dem Kopf. Selbst konservative Politikerinnen wie Ursula von der Leyen oder Angela Merkel fordern den neuen Mann. Das kannten wir früher nur von Alice Schwartzer."

Um Identitätsprobleme der Männer ging es in Ulrich Wickerts vorletzter Sendung. Ein populäres Thema, noch mehr als "Verzicht" in der vorvorletzten Büchershow, damals passend zur Fastenzeit. Die Bücher kommen allerdings nur am Rande vor. Wichtiger sind die Autoren, drei an der Zahl, mit denen Wickert gleich ins Gespräch einsteigt.

Aus der Sendung: "Herr Lebert, Sie sind Chefredakteur von Deutschlands größter und ältester Frauenzeitung "Brigitte". Wie hält ein Mann das aus?" – "Glänzend."

"Herr Brussig, jetzt an Sie die Frage: Wie hält ein Mann das aus?"

Knapp und einfach sind Wickerts Fragen, so hat er es in den Tagesthemen perfektioniert. Aber er übertreibt das "Runterkochen". Nur ganz gelegentlich wirft er mal ein Zitat in die Runde, aus dem hervorgeht, dass er die Bücher doch gelesen oder zumindest langsam durchblättert hat. Wickerts Zusammenfassungen dauern nie länger als eine halbe Minute. Nehmen wir als Beispiel das Werk des "Brigitte"-Chefredakteurs, das der gemeinsam mit seinem Bruder verfasst hat.

Aus der Sendung: "Es heißt 'Anleitung zum Männlichsein', und da haben Andreas und Stefan Lebert wahrscheinlich sich beim Schreiben fürchterlich amüsiert. Denn das Buch ist sehr witzig. Doch immer wieder kommen sie zu einem sehr ernsten Hintergrund. Und sie geben 17 Anleitungen zum Männlichsein."

Das war´s. Literatursendungen im Fernsehen sollen das Lesen populärer machen. Deshalb funktionieren sie am besten mit bekannten Gesichtern wie Ulrich Wickert oder Elke Heidenreich. Der Preis dafür ist der weitgehende Verzicht auf Kritik. Natürlich – sagen Buchhändler - löst eine Empfehlung von Elke Heidenreich eine höhere Nachfrage aus. Aber viel mehr bringt oft das Interview mit einem Autoren bei Johannes B. Kerner. In ihrer Harmlosigkeit unterscheiden sich die meisten Literatursendungen zu wenig von anderen Talkshows. So ist noch lange kein Nachfolger für Marcel Reich-Ranicki in Sicht. Und Wickerts Bücher werden schon nach sieben Sendungen wieder geschlossen.

Aus der Sendung: "So, und das war´s für heute. Wir sehen uns wieder am 20. Mai."

Das Gespräch mit Ulrich Wickert können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Player hören.