Ausflug ins Vampirgenre

"Blut am Stil"

Von Anke Leweke · 22.12.2013
Jim Jarmusch gilt als Filmemacher mit einer sehr europäischen Sensibilität. Entsprechend fällt auch nun sein Vampirfilm aus und entsprechend dieser eher europäisch geprägten Filmsprache fand er auch die Geldgeber dafür in Europa. In "Only Lovers Left Alive" trinken die Vampire ihr Blut aus Gläsern.
Sie tanzt schon seit Jahrhunderten, nur die Musik ändert sich: In sich versunken und seltsam verlangsamt bewegt sich Tilda Swinton als Vampirin in Jim Jarmuschs neuem Film zu Charlie Feathers‘ "I Can‘t hardly stand it"
"Only lovers left alive" ist wohl der erste bildungsbürgerliche Ausflug in dieses Genre. Jarmuschs Vampirfilm ist eine elegische und ironische Betrachtung der Zivilisation aus der Sicht der untoten Blutsauger.
Sie haben das Wissen der Menschheit gespeichert und blicken mit Skepsis auf den so genannten Fortschritt. Die Vampirin heißt Eve, Adam ihr von Tim Hiddleston gespielter Ehemann. Er lebt in Detroit, sie in Tanger, zärtlich schaut sie sich Hochzeitsfotos an.
"1868 - unsere dritte Hochzeit. Wir sehen so jung aus."
Für unsterbliche Wesen spielt Entfernung keine Rolle, weil ihre Gefühle alle Zeit der Welt haben. Dennoch hat Eves bester Freund so seine Bedenken.
- "Offen gesagt ich verstehe nicht, warum Ihr nicht zusammenlebt. Denn ohne einander könnt ihr nicht leben. Wie auch immer, grüße ihn von mir, diesen selbstmörderischen, romantischen Halunken."
- "Denkst du wirklich, dass er einer ist?"
- "Ein Halunke?"
- "Hoffen wir, dass er einfach nur romantisch ist. Dennoch gebe ich die Schuld Shelley, Byron und den französischen Arschlöchern, mit denen er früher so rumhing."
- "Gott, ich wünschte, ich wäre ihm begegnet bevor ich Hamlet geschrieben habe."
Tatsächlich handelt es sich bei diesem besten Freund um keinen anderen als Christopher Marlowe, der auf seiner Autorenschaft des Hamlet beharrt.
Überhaupt haben viele berühmte Zeitgenossen - etwa der Dichter Charles Baudelaire oder der Komponist Franz Schubert - den Weg von Jarmuschs kultivierten Vampiren gekreuzt. Auch kennen sie die lateinischen Fachbegriffe aus der Pflanzen- und Tierwelt, erklären sich zum Einschlafen die Relativitätstheorie und bezeichnen uns Sterbliche verächtlich als Zombies.
Die aus der Zeit gefallenen Figuren tragen angesagte coole Vintage-Klamotten und Adam, ein begnadeter Musiker, sammelt Barockgeigen und Rockgitarren und nimmt seine Musik noch mit Tonbändern auf.
"Only lovers left alive" ist ein melancholischer Vampirfilm, der die Regeln des Genres zelebriert. Natürlich brauchen auch Jim Jarmuschs Nachtgestalten den ganz besonderen Saft. Doch trinken sie ihn ganz zivilisiert aus kristallenen Rotweinkelchen, oder sie geben sich experimentierfreudig.
- "Was ist das?"
- "Null negativ. Es ist köstlich."
- "Blut am Stil."
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