Ausflug in die grünen Tiefen des Amazonas
Dominant, ungeduldig und so fordernd, dass er regelmäßig mit der Hälfte seiner Expeditionsteilnehmer in Streit geriet. Verlässlich, loyal und so friedliebend, dass er wütenden Ureinwohnern und ihren hochgiftigen Pfeilen stets ohne Waffen gegenüber trat, mit einem für seine Zeit ganz ungewöhnlichen Respekt für die fremde Kultur. An Percy Harrison Fawcett, dem britischen Abenteurer und letzten großen Entdecker, schieden sich die Geister seiner Zeitgenossen. Man bewunderte oder hasste den Mann.
In seinem Buch "Die versunkene Stadt Z" rekonstruiert der New Yorker Autor David Grann Leben und Forschungsreisen des britischen Landvermessers - so fulminant, dass der Erstling in den USA prompt zum Bestseller wurde. Dank der gelungenen Übersetzung kann man sich dem hypnotischen Sog der Lektüre nun auch auf Deutsch hingeben und abtauchen in die grünen Tiefen des Amazonasbeckens.
Um 1900 stritten sich Bolivien und Brasilien um die Frage ihrer Landesgrenzen, denn das Gebiet war reich an Kautschukbäumen, einem der wichtigsten Rohstoffe jener Zeit. Britische Landvermesser sollten helfen, den Streit zu schlichten, indem sie das Gebiet kartierten. Eindringlich schildert der Autor, was einen Europäer im Dschungel erwartete: mordlustige Piranhas und dunkle Wolken von Moskitos, die neben Malaria ein Dutzend weiterer Tropenkrankheiten übertrugen und ihre Opfer schlaflos und blutend durch die Nächte quälten. Insekteneier, die unter der Haut zu fingerdicken Maden heranwuchsen.
Dazu kam der Hunger. Auf einigen alten Fotos kann man die erbärmlich ausgemergelten Gestalten betrachten. Der Regenwald, so erzählt David Grann, ist eines der natürlichen Schlachtfelder unseres Planeten. Jedes gefallene Blatt, jedes sterbende Tier wird in Minuten vom Kreislauf der Natur zurück erobert. Für die naiven Europäer gab es nichts zu sammeln, nichts zu jagen. Auch die politischen Dimensionen des spätkolonialistischen Abenteurertums spart David Grann nicht aus, erzählt herzergreifend vom brutalen Niedergang der indigenen Kulturen.
Nach seiner Zeit als Landvermesser wandte sich Fawcett dem Osten Brasiliens zu. Hier hoffte er, "Eldorado" oder die geheimnisvolle "Stadt Z" zu finden: Spuren einer versunkenen Hochkultur, von deren Existenz er überzeugt war. Auf seiner siebten Reise schluckte ihn der Dschungel. Mehr als ein Dutzend Expeditionen haben seitdem nach seinen sterblichen Überresten gesucht, mehr als hundert weitere Menschen kamen dabei ums Leben.
In die prallen Schilderungen der historischen Ereignisse mischt David Grann einen eigenen Ausflug ins Amazonasgebiet, spielt ein bisschen mit dem Gegensatz zwischen dem verwöhnten New Yorker Yuppie und dem zähen britischen Haudegen und bleibt dabei doch angenehm bescheiden. Vor allem erzählt er, was vom Amazonas übrig geblieben ist: zu weiten Teilen nicht viel. Staubige Straßen. Baumstümpfe. Holztransporter.
Was wurde aus Fawcett? Wo mag sie einst gestanden haben, die legendäre "Stadt Z"? Wer das wissen möchte, muss dem Buch bis zum letzten spannenden Kapitel die Treue halten.
Über den Autor:
David Grann arbeitete nach seinem Studium der Politologie und des kreativen Schreibens bei verschiedenen Zeitungen und schreibt heute für das Magazin "New Yorker". Er hat Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien veröffentlicht. "Die versunkene Stadt Z" ist sein erstes Buch. David Grann lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in New York.
Besprochen von Susanne Billig
David Grann: Die versunkene Stadt Z. Expedition ohne Wiederkehr - das Geheimnis des Amazonas
Aus dem Amerikanischen von Henning Dedekind
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2010
392 Seiten, 19,95 Euro
Um 1900 stritten sich Bolivien und Brasilien um die Frage ihrer Landesgrenzen, denn das Gebiet war reich an Kautschukbäumen, einem der wichtigsten Rohstoffe jener Zeit. Britische Landvermesser sollten helfen, den Streit zu schlichten, indem sie das Gebiet kartierten. Eindringlich schildert der Autor, was einen Europäer im Dschungel erwartete: mordlustige Piranhas und dunkle Wolken von Moskitos, die neben Malaria ein Dutzend weiterer Tropenkrankheiten übertrugen und ihre Opfer schlaflos und blutend durch die Nächte quälten. Insekteneier, die unter der Haut zu fingerdicken Maden heranwuchsen.
Dazu kam der Hunger. Auf einigen alten Fotos kann man die erbärmlich ausgemergelten Gestalten betrachten. Der Regenwald, so erzählt David Grann, ist eines der natürlichen Schlachtfelder unseres Planeten. Jedes gefallene Blatt, jedes sterbende Tier wird in Minuten vom Kreislauf der Natur zurück erobert. Für die naiven Europäer gab es nichts zu sammeln, nichts zu jagen. Auch die politischen Dimensionen des spätkolonialistischen Abenteurertums spart David Grann nicht aus, erzählt herzergreifend vom brutalen Niedergang der indigenen Kulturen.
Nach seiner Zeit als Landvermesser wandte sich Fawcett dem Osten Brasiliens zu. Hier hoffte er, "Eldorado" oder die geheimnisvolle "Stadt Z" zu finden: Spuren einer versunkenen Hochkultur, von deren Existenz er überzeugt war. Auf seiner siebten Reise schluckte ihn der Dschungel. Mehr als ein Dutzend Expeditionen haben seitdem nach seinen sterblichen Überresten gesucht, mehr als hundert weitere Menschen kamen dabei ums Leben.
In die prallen Schilderungen der historischen Ereignisse mischt David Grann einen eigenen Ausflug ins Amazonasgebiet, spielt ein bisschen mit dem Gegensatz zwischen dem verwöhnten New Yorker Yuppie und dem zähen britischen Haudegen und bleibt dabei doch angenehm bescheiden. Vor allem erzählt er, was vom Amazonas übrig geblieben ist: zu weiten Teilen nicht viel. Staubige Straßen. Baumstümpfe. Holztransporter.
Was wurde aus Fawcett? Wo mag sie einst gestanden haben, die legendäre "Stadt Z"? Wer das wissen möchte, muss dem Buch bis zum letzten spannenden Kapitel die Treue halten.
Über den Autor:
David Grann arbeitete nach seinem Studium der Politologie und des kreativen Schreibens bei verschiedenen Zeitungen und schreibt heute für das Magazin "New Yorker". Er hat Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien veröffentlicht. "Die versunkene Stadt Z" ist sein erstes Buch. David Grann lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in New York.
Besprochen von Susanne Billig
David Grann: Die versunkene Stadt Z. Expedition ohne Wiederkehr - das Geheimnis des Amazonas
Aus dem Amerikanischen von Henning Dedekind
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2010
392 Seiten, 19,95 Euro