Ausbildungsexperte kritisiert mangelnde Basisqualifikation

Moderation: Marie Sagenschneider · 08.08.2007
Nach Ansicht des Ausbildungsexperten Carsten Löwe bringen viele Bewerber für Ausbildungsstellen nicht mehr die Grundvoraussetzungen für eine berufliche Laufbahn mit. Neben schlechten schulischen Leistungen würden bei jungen Bewerbern häufig die personalen und sozialen Kompetenzen für einen Arbeitsplatz fehlen, sagt der Geschäftsführer des Bundesverbandes betriebliche Weiterbildung "Wuppertaler Kreis".
Marie Sagenschneider: Langsam wird es knapp, wenn die Wirtschaft ihr Versprechen noch einhalten will, das da lautet, für jeden Jugendlichen soll es einen Ausbildungsplatz geben. Es ist nämlich noch nicht mal mehr einen Monat hin bis zum neuen Ausbildungsjahr und die Bundesagentur für Arbeit hat vorsorglich schon mal Alarm geschlagen. 236.000 Bewerber seien noch unversorgt, also noch auf der Suche nach einer Lehrstelle, und das obwohl das Handwerk bereits einen Zuwachs bei den neuen Lehrverträgen von 13,4 Prozent gemeldet hat. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag sprach von 10 Prozent. Woran liegt es also, dass die Lücke noch nicht geschlossen werden konnte, wenn das denn überhaupt gelingen kann? – Auch darüber wollen wir nun hier im Deutschlandradio Kultur mit Carsten Löwe reden. Er ist Geschäftsführer des Wuppertaler Kreises und das ist der Dachverband der Weiterbildungseinrichtungen der Wirtschaft. Herr Löwe, ich grüße Sie!

Carsten Löwe: Einen wunderschönen guten Morgen!

Sagenschneider: Worin liegen die hauptsächlichen Gründe dafür, dass so viele Schulabgänger noch keinen Ausbildungsplatz erhalten haben?

Löwe: Das liegt sicherlich an der Qualifikation der Bewerber, sicherlich zu einem großen Teil. Wir müssen aber sicherlich auch im Fokus haben wir sprechen nur von einem gewissen Teil der Bewerber, die einfach schlechte Schulleistungen haben und auch fehlende soziale und personale Kompetenzen aufweisen und einfach schwer zu integrieren sind, in die Betriebe oder in Ausbildung zu kommen.

Sagenschneider: Was meinen Sie genau, wenn Sie von sozialen und personalen Kompetenzen sprechen?

Löwe: Die Anforderungen der Unternehmen verlangen von jungen Menschen einfach Teamfähigkeit, Sozialkompetenz, eine Medienkompetenz, kommunikative Kompetenzen, natürlich auch Sprachfähigkeit und Sprachkompetenz, aber natürlich auch eine Art Selbstorganisation, also ein eigenes Arbeits- und Zeitmanagement. Das haben sicherlich gerade die Jugendlichen im Besonderen nicht, die jetzt Schwierigkeiten haben, erst mal einen geeigneten Ausbildungsplatz zu finden. Darüber hinaus kommen auch so grundlegende Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Verantwortungsbewusstsein, zielorientiertes planvolles Arbeiten, alles das, was eigentlich basics sind, was teilweise bei gewissen Jugendlichen einfach nicht vorhanden ist. Das ist das Problem, hier erst mal anzusetzen, diese Jugendlichen zu befähigen, überhaupt lernfähig zu machen und ausbildungsfähig zu machen. Das ist sicherlich mit ein Kriterium, um diese Jugendlichen auch in Ausbildung zu bringen.

Sagenschneider: Wie setzen Sie denn dort an oder wie engagiert sich die Wirtschaft dort selbst, um Jugendlichen bestimmte grundlegende Anforderungen beizubringen, oder ist dafür allein die Agentur für Arbeit zuständig?

Löwe: Sicherlich gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit. Die Wirtschaft und die Weiterbildungseinrichtungen der Wirtschaft haben sich dem Thema natürlich sehr angenommen und beschäftigen sich auch hier am Arbeitsmarkt und bieten entsprechende Programme gemeinsam mit der Bundesagentur an, um im Bereich berufsvorbereitende Maßnahmen Einstiegsqualifikationen für Jugendliche und Erwachsene anzubieten und diese Jugendlichen dann auch teilweise über ein Praktikum dann in einen Einstieg, in einen Ausbildungsplatz zu führen.

Sagenschneider: Wie hat man sich das konkret vorzustellen? Sind das dann Kurse, in denen wirklich beigebracht wird, ab morgen versuchen wir mal jeden Morgen um acht zu kommen und diese Fähigkeit noch anzutrainieren? Wie hat man sich das vorzustellen?

Löwe: Es gibt zum Beispiel ein Projekt bei einem Mitgliedsinstitut in Hessen "fitt für Ausbildung und Beruf", wo es tatsächlich erst mal um die Befähigung zur Arbeitsaufnahme geht, wo man erste Erfahrungen macht und wo genau das, was ich eben erwähnt habe, trainiert und gefördert wird, um überhaupt einen Beruf nachher erfolgreich zu absolvieren, also Zuverlässigkeit, Motivation, Leistungsbereitschaft.

Sagenschneider: Wie lange dauern dann solche Programme?

Löwe: Das ist unterschiedlich. Ein halbes Jahr, ein Jahr, teilweise mit Praktika und ohne Praktika. Das ist dann sehr individuell.

Sagenschneider: Also richtige Aufbauprogramme nach der Schule?

Löwe: Ja.

Sagenschneider: Wie ist denn die Erfolgsquote?

Löwe: Sehr groß!

Sagenschneider: Heißt was? Können Sie das ein bisschen quantifizieren?

Löwe: Die Einrichtungen, die sich damit beschäftigen, haben häufig, weil sie generell ja Dienstleister der Wirtschaft sind, gute Kontakte zu Unternehmen und schaffen es, entsprechend über die Praktika die Jugendlichen dort auch einzubringen. Wenn die Jugendlichen sich dann jeweils bewähren, ist es dann auch möglich, dass sie dann übernommen werden. Immer vorausgesetzt sie haben mitgemacht, sie haben dann Einsatz gezeigt und die entsprechende Qualifikation.

Sagenschneider: Wird die Wirtschaft sich, Herr Löwe, gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel, der sich ja jetzt schon allerorts bemerkbar macht und der sich ja auch noch verschärfen wird, dort zunehmend engagieren müssen?

Löwe: Sicher, wobei wir natürlich auch – und jetzt ist das ja über den Bereich der Auszubildenden und derjenigen, die jetzt überhaupt in einen Beruf einsteigen, hinausgehend – an die Beschäftigten an sich appellieren müssen, sich mehr eigenverantwortlich auch um Weiterbildung zu kümmern, um gemeinsam diesen demographischen Wandel, der ja nun Wirtschaft und Gesellschaft und Unternehmen betrifft, zu meistern. Das heißt also einfach die Unternehmen werden, wo es um betriebliche Belange geht, verstärkt Personalentwicklung und Weiterbildung machen müssen, aber auch die Beschäftigten selbst werden zukünftig verstärkt sich um ihre eigene Weiterbildung kümmern müssen.

Sagenschneider: Wobei man ja denkt, die Betriebe müssten ein größeres Interesse daran haben, weil denen schließlich dann die Fachkräfte ausgehen?

Löwe: Sicherlich richtig ist, dass bei allem, was betrieblich verlangt wird ,die Unternehmen zu der Aufgabe stehen und dem auch nachkommen. Das sind unsere Beobachtungen. Sie werden das sicherlich auch verstärkt tun. Auch die Weiterbildungseinrichtungen haben entsprechend schon Programme geschnitten, die diesen demographischen Wandel berücksichtigen, also Führen älterer Mitarbeiter, Führen gemischter Teams und so weiter. Die haben sich dem angenommen. Grundsätzlich ist die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und auch Deutschlands aber nur zu gewährleisten, wenn wir lebensbegleitend lernen, das heißt bei jedem Erwerbsfähigen ankommt, langfristig sich auch selbst weiterzubilden und persönlichkeitsentwickelnde Seminare besucht, die er dann, sollte er später mal einen Jobwechsel haben, auch mitnimmt, die ihm ja eigen bleiben. Das heißt es muss uns gelingen zu verankern, dass Bildung nicht nur Kosten verursacht, weder dem Unternehmen noch dem Einzelnen, sondern eine Investition ist, die sich rentiert.

Sagenschneider: Sie haben gesagt, Herr Löwe, dass sich da schon einiges getan hat in den Betrieben. Viele Experten sagen aber, eigentlich hat sich noch nicht genügend im allgemeinen Bewusstsein verankert, dass dort ein Wandel stattgefunden hat, also im Bewusstsein derjenigen, die einen Betrieb haben oder ihn leiten.

Löwe: Dem würde ich widersprechen. Es gab ja auch gerade interessante Zahlen vom Statistischen Bundesamt, wo auch belegt wird, dass das Weiterbildungsverhalten der Unternehmen, aber auch Mitarbeiter zurückgegangen ist. Dem würde ich einfach widersprechen, denn heutzutage gibt es so viele Lernformen, die jedenfalls nicht mehr erfasst werden können: das informelle Lernen, das Lernen on und off the Job. Das sind alles neue Techniken und neue Instrumente der Weiterbildung, die so zumindest erst mal nicht erfasst werden, aber die in den Betrieben laufen, denn sonst wäre sicherlich das Gros der mittelständischen Unternehmen – natürlich die großen sowieso – nicht so erfolgreich wie sie sind.

Sagenschneider: Herr Löwe, ich danke Ihnen. – Carsten Löwe war das, der Geschäftsführer des Wuppertaler Kreises, dem Dachverband der Weiterbildungseinrichtungen der Wirtschaft.