Ausbildung

Von der Kaserne in die Kita

Türschild der Bundeswehrfachschule
Neue Arbeitsperspektiven für Soldaten an der Bundeswehrfachschule. © Fotografin: Silke Brand-Schoder
Von Claudia van Laak · 30.11.2013
Mehr Männer in die Kitas, diesen Ruf hat die Bundeswehr erhört. Sie bildet Soldaten zu Erziehern in Kitas, Kinderheimen oder Jugendzentren aus. Auf dem sozialen Arbeitsmarkt sind sie begehrt.
Frühstück in der Kita Kulleberga in Berlin-Steglitz. Ein schmaler Mann in Jogginghose und weißem Kapuzenpullover wischt mit einem feuchten Lappen über den Tisch, schickt die Nutella-verschmierte Kimberly ins Bad. Stefan Härtel, Hauptfeldwebel der Reserve:
"Ich habe gelernt zu schießen, zu kämpfen, Stellungssysteme zu verteidigen oder auch auszubauen. Aber, das war eine Sparte in meinem Leben und ich bin ja auch nicht nur Soldat, sondern ich bin ja auch ein ganz normaler Mensch."
Der ganz normale Mensch ist 34 Jahre alt und Vater von zwei Kindern. Stefan Härtel hat Wehrpflichtige ausgebildet und als Feldjäger das Bundesverteidigungsministerium bewacht. Jetzt macht er an der Berliner Bundeswehrfachschule eine dreijährige Ausbildung zum Erzieher. Den anschließenden Job in der Kita Kulleberga hat er so gut wie in der Tasche. Kindergartenchefin Marion Best schwärmt:
"Disziplin, ganz wichtig, der kann sich durchsetzen bei den Kindern. Lebenserfahrung. Die haben gelernt, Regeln einzuhalten im Alltag. Diszipliniert zu gestalten, also, ist das Wichtigste eigentlich.
So ein bisschen, dass beim Antreten ein bisschen mehr Ordnung reinkommt. Dass man die Kinder auf dem Spielplatz nicht ganz so schnell verliert. Oder auch, dass sie auf ein bestimmtes Zeichen zu uns kommen, wenn wir los wollen."
Ganz und gar nicht militaristisch
"Antreten", sagt Stefan Härtel. Zwölf Jahre Bundeswehrsprech lassen sich nicht mit einem Schlag wegwischen. Dabei tritt er in der Kita ganz und gar nicht militaristisch auf. Während der angehende Erzieher erzählt, kommen zwei blondgelockte Dreijährige, schmiegen sich an seine Beine. Stefan Härtel krault ihre Köpfe.
"Ich versuche, klar zu sein, aber auch fair und denen auch einmal Geborgenheit zu geben, also, dass man, wenn man mal traurig ist, das heißt ja nicht, das ein Mann kein Verständnis hat oder auch den mal in den Arm nimmt und vernünftig tröstet. Das mache ich alles selber und ist auch für mich sehr verständlich."
Ortswechsel. Die Bundeswehrfachschule in Berlin-Kladow.
"Sie sehen, welche anderen Leistungen das Jugendamt noch anzubieten hat im Rahmen der Hilfen zur Erziehung …"
Unterricht in Sozialpädagogischer Theorie und Praxis für die Klasse FE3B. Muskelbepackte Oberarme, durchtrainierte Körper, pompöse Tattoos, Tunnelohrringe. Klarer Fall: hier sitzen keine soften Schwächlinge. Hier sitzen richtige Männer. Und zwei Frauen. Die Hälfte der 21 Zeitsoldaten war zuvor im Auslandseinsatz, sechs in Afghanistan. Die Lebenserfahrung ist wichtig, sagt Hans-Jürgen Müller, Leiter der Erzieherausbildung.
"Sie haben begriffen, dass das Leben, was wir in Deutschland führen, ein Leben ist, das nicht Standard ist in der Welt. Und das auf einem hohen Level liegt. Das können sie für die Erzieherausbildung enorm umsetzen."
Erzieherklasse in der Bundeswehrfachschule
Erzieherklasse in der Bundeswehrfachschule© Fotografin: Silke Brand-Schoder
Andererseits: Wie kann jemand, der gelernt hat, andere Menschen zu töten, plötzlich in einer Kita arbeiten? Auf diese Frage sind sie vorbereitet. Oberfeldwebel Michael Lüders:
"Nur weil ich Soldat bin, erschieße ich ja nicht Leute. Ein Jäger rennt ja auch nicht den ganzen Tag mit der Waffe rum und schießt Tauben in Berlin runter."
Der 32-Jährige hat bereits in einem Heim für verhaltensauffällige Jugendliche gearbeitet und in einer Kita. Ihn ärgert das Klischee vom Soldaten, der Ordnung und Disziplin in den Kindergarten bringen soll.
"So in einer Kita mit Disziplin anfangen, sehe ich komplett anders, wo kann ein Kind heutzutage noch frei spielen? Außer in einer Kita? Wenn ich da schon anfange zu sagen, also, mach Deine Schuhe sauber oder die Schuhe gehören da und da ins Fach rein. Eigentlich soll ich ja die Kinder frei spielen lassen."
Michael Lüders will mit Afghanistan, mit zwölf Jahren Bundeswehr endgültig abschließen. Als Kita-Praktikant hat der Noch-Oberfeldwebel durchgesetzt: keine Waffen in Kinderhand.
"Ich habe gesagt, das ist nicht gut hier, dass die hier mit Waffen rumrennen und mit Laser-Schwertern. Dann gab es halt beim Spielzeugtag keine Waffen mehr und die haben sich wieder mit einem Hula-Hoop-Reifen beschäftigt, ja. Das geht auch. Man muss nur wollen."