Ausbildung

Mit Mama zum Studium

Studenten sitzen in einem Hörsaal bei der Erstsemesterbegrüßung der Universität Koblenz-Landau im April 2014 im Hörsaal.
Erstsemester sitzen in einem Uni-Hörsaal. © dpa / picture-alliance / Thomas Frey
Von Thomas Wagner · 14.10.2014
"Eltern auf dem Campus" heißt ein Aktionstag der Universität Konstanz - und rund 800 Interessierte sind der Einladung gefolgt. Das liegt auch daran, dass die jungen Erwachsenen immer früher ins Studium starten und teilweise noch nicht einmal volljährig sind.
Vor dem "Audimax", dem größten Hörsaal der Uni Konstanz, ist an diesem Nachmittag kaum ein Durchkommen: Um die 800 Frauen und Männer, alle zwischen Mitte 40 und Anfang 60, drängen sich vor dem Eingang. "Eltern auf dem Campus" steht auf einem weißen Schild mittendrin. Ulrich Warhausen aus Hildesheim gibt sich lässig, trägt ein weißes Sporthemd über seinen Jeans:
"Meine Tochter fängt hier am Montag an, studiert Biologie. Und ich wollte natürlich mal den Studienort mal kennenlernen. Ich wollte sehen, wie meine Tochter hier aufgenommen wird, welche Atmosphäre hier existiert.."
Ruth Wenck aus Laufenburg steht daneben, nickt zustimmend. Die Mittfünfzigerin hat sich für diesen Nachmittag fein gemacht, trägt eine rote Bluse und dezentes Make-up.
"Meine Tochter, die Vanessa, die studiert hier Wirtschaftswissenschaften. Und es ist interessant für mich hier zu sein, einfach das Gebäude, die Umgebung, hier zu sehen, wo sie einfach hinkommt, wie es weiter läuft, auch den Rektor mal zu sehen und wie eben alles so abläuft."
Früher war ein solcher Tag nicht denkbar
Wenige Augenblicke später: Alle Mütter und Väter haben in dem steil ansteigenden Audimax auf unbequemen Holzbänken Platz genommen, hören aufmerksam einem großgewachsenen, sportlich wirkenden Mann zu: Rektor Professor Ulrich Rüdiger preist die Fächervielfalt der Uni Konstanz an, ebenso das große Freizeitangebot in der Bodenseeregion. Danach allerdings gesteht er ein: Ende der 80er-Jahre, als er selbst sein Physik-Studium begann, war an eine Art "Eltern-Tag" auf dem Uni-Campus nicht zu denken:
"Überhaupt nicht. Da ist man zuhause losgezogen, fing an zu studieren. Und ob man ins Studium gut reinkam oder Selbstzweifel hatte, etwas feintunen wollte, das hat doch eigentlich kaum jemanden interessiert."
Nicht nur die Eltern, auch die Zeiten haben sich geändert. Die Wehrpflicht ist weggefallen, das Abitur gibt’s schon nach der 12. Klasse.
"Die Schulzeit ist ein Jahr kürzer; die Studierenden sind jünger. Sie sind teilweise noch nicht volljährig und müssen mit ihren Eltern überhaupt hierkommen, um ein Bankkonto zu eröffnen."
Reger Austausch zwischen den Uni-Räumen
Studierende aus höheren Semestern führen die Eltern in vielen kleinen Grüppchen über den Campus. Ulrich Warhausen schaut neugierig in Hörsäle und Arbeitsräume, lächelt zufrieden: Seine Tochter ist hier gut aufgehoben. Und das vor Ort zu sehen, ist für ihn wichtig.
"…weil die Studierenden immer jünger werden. Meine Tochter ist grade erst 18 geworden. Als ich mit dem Studium begann, war ich 22. Das ist eine ganz andere Sichtweise, eine ganz andere Lebenserfahrung, mit der man da zum Studium geht. Und jetzt ist es, dass man, wenn man ein Vierteljahr vorher noch den Muttischein brauchte, jetzt ins freie Leben losgelassen wird, dass man als Student oder Studentin noch ein kleines bisschen Kontakt hat zu den Eltern. Der Muttischein ist die Berechtigung, abends in die Gaststätten zu gehen. Das ist der Muttischein."
Wie im Zeitraffer machen die Eltern jeweils nur wenige Augenblicke Station an Labors, an Computer-Arbeitsplätzen und zuletzt an der Info-Theke im Eingangsbereich. Dazwischen immer wieder Gespräche: Wie häufig die Töchter und Söhne an ihrem Studienort besuchen? Wie oft mit ihnen telefonieren? Ralf Bräuninger aus dem baden-württembergischen Hüfingen kommt dabei ein Grinsen übers Gesicht. Sein Sohn werde sehr gut selbst zurechtkommen, glaubt er, freut sich aber dennoch über die Chance, die Konstanzer Uni von innen zu sehen.
"Ich hab‘ früher auch studiert. Ich wollte wissen, wie es heute an einer Uni zugeht, was sich verändert hat: Also die elektronischen Medien ist das, was am meisten auffällt. Wir haben vorhin einen Blick gehabt in die Bibliothek hinein, und was aufgefallen ist: Auf jedem Platz, den man gesehen hat, war ein Notebook oder ein Rechner oder irgendetwas zu sehen. Das gab’s früher nicht. Man bekommt richtig Lust, noch mal durchzustarten, so etwas zu machen."
Schnupper-Vorlesung im Audimax
Zumindest eine halbe Stunde lang können alle Eltern nochmals durchstarten – bei der Schnupper-Vorlesung in Informatik im Audimax. Alle schauen gebannt nach vorne: Viele haben selbst nie studiert, sind zum ersten Mal im Leben im Hörsaal. Für andere ist die letzte Vorlesung schon Jahrzehnte her.
Draußen spülen Studierende das Kaffeegeschirr der Eltern. Uni-Rektor Ulrich Rüdiger eilt im Laufschritt aus dem Hörsaal; der nächste Termin wartet. Die Einladung an die Eltern habe sich gelohnt, glaubt Rüdiger:
"Wir sehen den Bedarf: Die Eltern wollen ihre Kinder ins Studium begleiten. Das ist Lebensabschnitt, der da neu anfängt. Ich sage aber auch: Dann soll man die junge Leute auch in Ruhe studieren lassen und in ihrem neuen Drumherum orientieren lassen. Das ist wichtig: Man muss dann auch loslassen. Aber dieses Begleiten ins Studium hinein – das find‘ ich prima."
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