Aus zwei mach eins
Das halbe Schiff, das regelmäßig zwischen Warnemünde und Wismar gesichtet wird, ist kein Spuk. Es misst 115 Meter und wird in Wismar mit seinem Pendant gewissermaßen „verheiratet“. Dem norwegischen Aker-Yards-Konzern gehören in Mecklenburg-Vorpommern zwei Werften, in Warnemünde und in Wismar. Hier entstehen vor allem Containerschiffe. Seit gut zwei Jahren lässt Aker das Vorderteil in Warnemünde und das Hinterteil in Wismar bauen, schippert es dann über die Ostsee nach Wismar und verschweißt es hier mit seinem Hinterteil. Früher war Aker die einzige Werft, die so arbeitete. Inzwischen haben andere das Modell kopiert.
Weltkulturerbestadt Wismar – die Schöne an der Ostsee – einst blühende Hansestadt, jetzt Kleinstadt im Herzen Mecklenburgs. Von der früheren politischen und wirtschaftlichen Bedeutung zeugen noch die sechs mächtigen Backsteinkirchen, die lange Zeit die Silhouette prägten und das Wahrzeichen der Stadt in der südlichen Ostsee bildeten.
Seit ein paar Jahren beherrscht eine riesige, 80 Meter hohe, fast 400 Meter lange himmelblaue Halle das Stadtbild – die Dockhalle der AkerYards Werft – am alten Hafen.
Gerade verlässt ein neu gebautes Containerschiff die Halle – sobald der Rumpf zum ersten Mal mit Meerwasser in Berührung kommt wird es begrüßt – einmal lang – dreimal kurz – Seefahrer sind abergläubisch.
32 Seemeilen weiter nördlich – für die Landratte sind das gut 60 Kilometer – im Ostseebad Warnemünde – in Sichtweite zum Strand und der mondänen Flaniermeile steht die Zwillingshalle. Der zweite Standort von Aker Yards in Deutschland. Bis vor drei Jahren versuchten die beiden Standorte noch eigenständig, sich von der Werftenkrise Mitte der 90er Jahre zu erholen. Vergeblich. Seitdem Wismar und Warnemünde unter dem großen Dach des Aker-Konzern – mit seinen insgesamt elf Werften weltweit – Platz gefunden haben, läuft es.
Die enge Nachbarschaft hat die Schiffsbauer auf eine Bahn brechende Idee gebracht – um im internationalen Markt zu bestehen – erklärt der Sprecher der deutschen AkerYards, Matthias Trott, an seinem Computer in dem engen Büro. Halbe Schiffe bauen – das Vorderteil – den Bug – in Wismar – das Hinterteil – das Heck in Warnemünde.
„So das wäre der hintere Teil des Schiffes, der in Wismar im Dock gefertigt worden ist, mit dem bereits aufgesetzten Deckshaus aus Warnemünde. Das Deckshaus wird hier in Warnemünde gefertigt und ausgerüstet und geht auch auf dem Seeweg nach Wismar rüber. Das heißt, es wird auf einen Ponton gesetzt und auch mit Schlepperhilfe nach Wismar gebracht. Hier in Warnemünde haben wir ne Krankapazität von 600 Tonnen. Das entspricht dem Gewicht des Deckshauses. In Wismar haben wir bei dem großen Bockkran ne Kapazität von 800 Tonnen. Das heißt er kann das mühelos runter nehmen und auf den Hinteren Teil des Schiffes aufsetzen.“
Halbe Schiffe bauen geht schneller als ganze Schiffe bauen – und Zeit ist Geld – vor allem in der globalen Wirtschaft – in der der Container als Globalisierungsgewinner erscheint – jährlich wächst die Seewirtschaft um bis zu sechs Prozent.
„Wir müssen ja sehen, dass wir möglichst schnell und effektiv arbeiten. Wir haben im Jahre 2006 insgesamt 13 Ablieferungen zu gewährleisten. Das heißt, alle vier Wochen wird ein komplett neues Schiff abgeliefert, Deswegen haben wir da einen sehr engen Rhythmus. Der gestaltet sich im Moment so: Von der ersten Sektion, Kiellegungssektion für ein neues Schiff bis das halbe Schiff fertig ist und bereit ist, mit der anderen Hälfte zusammengeschwommen zu werden vier Wochen und dann noch mal vier Wochen vom Zusammenschwimmen bis zum Ausdocken. Im nächsten Jahr werden es 16, eventuell 17 Schiff sein, die wir abliefern werden. Das heißt, wir werden diesen Rhythmus dann auf drei plus drei Wochen verkürzen müssen. Hat was mit Effektivität zu tun. Dockbauplätze sind der rarste Platz in einer Werft, die man so effektiv wie möglich ausnutzen muss und deswegen diese Technologie, die wir uns da haben einfallen lassen.“
Noch hat die deutsche maritime Wirtschaft einen Technologie-Vorsprung von gut zwei Jahren vor der asiatischen Konkurrenz. Der Vorsprung muss gehalten – wenn nicht sogar ausgebaut werden, Das geht nur mit guten Ideen. Die Idee mit den halben Schiffen bringt vor Jahr eine Ersparnis von gut drei Millionen Euro und
„Es bringt als Ergebnis die Tatsache, dass es uns gelungen ist, auf diesem Wege eine erhebliche Anzahl von Produktionsstunden einzusparen. Dahinter liegt der Gedanke, wenn sich jeder der beiden Werftstandorte nur auf einen bestimmten Bereich eines Schiffes konzentriert, ist die Abfolge der gleich zu leistenden Arbeiten größer – damit wird der Serieneffekt größer, und damit ist gewährleistet, dass der Verbrauch an Produktionsstunden sinken muss.“
Was da im Moment in Serie produziert wird, sind die Containerschiffe AKER CS 2700 – die Zahl steht für die Anzahl Container, die so ein Frachter schlucken kann. Die momentan größten Ozeanriesen können bis zu 10.000 Containereinheiten laden.12.500 sind im Gespräch. Also fünfmal so groß wie die Frachter aus Wismar und Warnemünde. Ein Geschäft, das hauptsächlich in Asien gemacht wird, trotzdem sind die Auftragsbücher der Aker Yards Germany sind für die nächsten zwei Jahre voll. Aker Yards hat sich auf kleinere und mittelgroße Containerschiffe mit bis zu 5000 Stellplätzen spezialisiert. In diesem Segment kann die Werft mit den Konkurrenten in Korea und China mithalten. Aber nur, weil sie schneller sind. Mit der geteilten Bauweise können zehn Prozent der Gesamtfertigungsstunden eingespart werden. Mehr verrät Trott nicht. Der Markt ist heiß umkämpft – die Werft eine Hochsicherheitszone.
„Absolute Stunden nenne ich auch nicht und wenn ich die Gesamtstundenzahl nennen würde, könnten sie hochrechnen, was wir insgesamt für ein Schiff brauchen, auch das sind Zahlen, die nicht nach außen gehen, Insofern hat jeder Werft ihre Geheimnisse aber ich denke, die Zahl zehn Prozent ist schon relativ deutlich.“
Ein Knopfdruck und 200 Millionen Liter Wasser strömen in das Dock in Warnemünde – das sind gut eine Million Badewannen voll. Am Kai liegt ein halbes Schiff – das Hinterteil – die vordere Hälfte wartet in Wismar auf die Verbindung für die Ewigkeit – bis dass der Abwracker sie wieder scheidet. Deshalb sagen die Arbeiter auch gerne Schiffshochzeit zum dem hochtechnischen Vorgang, wenn aus zwei Schiffsteilen ein Ganzes werden soll. Seeleute sind auch romantisch. Die Schiffsbraut in Warnemünde ist 4000 Tonnen schwer und 110 Meter lang.
Vorbereitung zur „Hochzeitsreise“. Dicke Stahlseide laufen über die Winden und ziehen das Schiff zur Seite, damit Platz ist für die Schlepper, die ins Dock fahren, sobald genug Wasser aus der Warnow und der Ostsee in das Dock geflossen sind und den Höhenunterschied zwischen Drinnen und draußen ausgeglichen haben.
Kapitän Klaus Hoinka manövriert mit der Bugsier 16, einem Schlepper, das halbe Schiff von Hintern – das Ziehen übernimmt ein anderer Schlepper von vorne.
Der kleine Schlepper vor der riesigen Stahlwand – das sieht gefährlich aus. Aber die 3100 PS haben schon ganz andere Lasten geschoben oder gezogen.
„Ich bin draußen ich hole ihn jetzt vorne rum, geht los haltet euch fest.“
Langsam schiebt sich das Hinterteil des Frachters nach draußen. Im Rumpf ein wenig Brackwasser – für die Stabilität – ansonsten hält Physik den Schiffskörper aufrecht.
„Bugsier 16 kommen.... ja Andreas, das Lotsenboot, ich weiß nicht, ob ihr es schon seht, ihr sitzt bestimmt in der Sonne – wird hinter euch rumlaufen und an eurer Backbordseite kommen, dann zwei Lotsen an Bord bitte Stand by, wenn die Leiter kommt.“
Im Hafenbereich müssen Lotsen an Bord sein. sowohl auf dem Schiff – als auch auf dem Schlepper – das schreiben die Sicherheitsbestimmungen vor.
„Wir brauchen ihn normal nicht, weil wir schon 1000 Mal hier rauf und runter gefahren sind, aber die Behörden verlangen einen Lotsen auf dem Schlepper und einem auf dem zu ziehenden Schiff. ... Frag mal Micha, ob er einen Kaffee möchte ... Käffchen nehme ich ... ja nur mit Milch...“
Auf See ist Hoinka dann auf sich allein gestellt – der Autopilot steuert den millionenteuren Schwertransport über die Ostsee in den Wismarer Hafen. 300 Meter Abstand hält der Schlepper zu seiner Fracht und ständigen Funkkontakt mit Thomas Schmitz in Wismar
„Nanu 20.30 ist das nicjh ein bisschen.. na ja wir haben 5,8 – ja wir sind 17.30 an der Lotsenstation.“
Schmitz ist Dockmeister bei Aker Yards. Seit 30 Jahren arbeitet er auf der Werft – in dritter Generation. Die Werft- das galt was im industriearmen Nordosten. Nach der Wende pumpten Bund und Land viel Geld in den Schiffbau. Die Werften zählen weltweit zu den modernsten – Trotzdem gerieten sie Mitte der 90er Jahre in eine Krise. Nur wenige haben überlebt.
Schmitz ist quasi der Pfarrer, der die Schiffshochzeit vornimmt. Mit seinem alten Damenfahrrad hat er an diesem Tag schon mindestens fünf Mal das Dockbecken umrundet und alle Winschen und Seile überprüft. Die Haken, mit denen auf dem Schlepper dann die Stahlseile festgemacht werden, sind größer als zwei Männerköpfe mit Sicherheitshelm. 814 Meter ist eine Runde – Er erklärt die Zeremonie.
„Der Achter-Teil, den man jetzt mit den Aufbauten sieht, der liegt unten fest und der vordere Teil schwimmt und um jetzt auf eine Höhe zu kommen, muss man den vorderen Teil so absenken, dass es nachher zu einander passt und wir dass dann zueinander hinziehen können.“
Nach 10 Stunden und 32 Seemeilen nähert sich das halbe Schiff samt Schleppern dem Wismarer Hafen. Hier wird’s kniffelig. Der Koloss muss auf den Zentimeter genau an der Kaimauer geparkt werden. Die Bugsier 16 zieht – ein anderer Schlepper schiebt das Heck an die Mauer. Matthias Trott steht am Rand und sieht zu. Zufrieden.
„Die Chinesen brauchen für die gleiche Schiffsgröße etwa die doppelte Produktionszeit für so ein 2700-Teil-Schiff, also wir sind schon ziemlich effektiv, müssen aber versuchen, noch mehr zu erreichen, das kann man aber nur, indem man Prozesse weiter optimiert, zum anderen müssen wir zusehen, dass wir die Kostenstruktur optimieren, und das geht eben bei einem Hochlohnland wie es Deutschland oder Norwegen ist sind, nur, wenn man mit anderen Werften zusammenarbeitet um dann das Gesamtprodukt etwas kostengünstiger zu gestalten.“
Deshalb will Aker das System auch zwischen allen Standorten ausprobieren. Anstatt zwölf Schiffen pro Jahr sollen es in zwei bis drei Jahren 16 werden. pro Containerschiff sind das 40 Millionen Euro – so viel kostet ein Stahlkoloss.
„Die Ersparnis rechtfertigt trotzdem den Aufwand, die Ersparnis rechtfertigt den Aufwand, den wir zwischen Warnemünde und Wismar betreiben. Es rechnet sich aber auch der Aufwand über Ländergrenzen hinweg. Zwischen uns und Finnland bereits in zwei Fällen praktiziert.“
Langsam macht sich der Auftragsboom im deutschen Schiffbau auch bei den Arbeitsplätzen bemerkbar. Nach Jahren des Abbaus und der Stagnation wuchs die Zahl der deutschen Werftmitarbeiter in diesem Jahr erstmals wieder um 3,2 Prozent. Knapp 20.000 Menschen arbeiteten im letzten Monat auf den Werften. In Wismar und Warnemünde alleine rund 2300. Vor 15 Jahren waren es aber dreimal so viel – in Mecklenburg-Vorpommern sogar das Fünffache. Laut IG Metall beträgt die Zahl der Leiharbeiter und der Zeitarbeitsverträge bei rund 15 Prozent in manchen bereichen gar 50 Prozent. In erster Linie werden Ingenieure eingestellt um mit neuen Entwicklungen konkurrenzfähig zu bleiben.
Mittlerweile hat die Bugsier das Vorderteil an die Südseite des Docks manövriert. Diagonal dazu liegt das Hinterteil. Weil kein Platz mehr für die Schlepper ist, um nach hinten durchzufahren, wird die Bugsier vom Kran an den Haken genommen und „fliegt“ über die Schiffsteile hinweg nach achtern. Jetzt wird aber erneut das Docktor geschlossen. Das Wasser aus dem Dock wird nun in die Ostsee gepumpt. Die beiden Schiffshälften müssen gleich hoch liegen…
Gut dreieinhalb Stunden sind vergangen, seit das Vorderteil des Frachters im Dock geparkt wurde. Jetzt wird es ernst für Schmitz und seine Crew. Sechs Winden ziehen das Vorderteil langsam auf die andere Dockseite. An der Stelle, an der die beiden Teile sich küssen sollen lehnt er am Geländer, das Funkgerät am Ohr. Immer wieder gibt er kurze Befehle.
Immer kleiner wird der Spalt zwischen den Schiffshälften – dann prallen – fast zentimetergenau – über 8000 Tonnen Stahl aufeinander
„Matthias? Halber Meter noch ne… wir pumpen jetzt noch einen halben Meter Wasser ab, bis wir fast auf einer Höhe sind und machen dann die Feinausrichtung, so dass wir morgen früh um sechs das Dock trocken haben.“
Jetzt sind die Schweißer dran – noch mal vier Wochen, dann kann das Schiff auf Jungfernfahrt gehen. Die nächsten Schiffshälften warten schon – die Auftragsbücher sind voll – trotzdem kein Grund zum Ausruhen.
„Auf der anderen Seite bleibt aber auch die Tatsache, dass auch wir unsere Aufträge, auch wenn sie im Moment zum großen Teil für deutsche Reeder abgearbeitet werden, bei der Ausschreibung von neuen Aufträgen auch im internationalen Wettbewerb stehen. Wir haben nicht einen Binnenmarkt in Deutschland, wir haben keinen europäischen Markt, auf dem wir uns bewegen, sondern es sind immer Ausschreibungen im internationalen Maßstab, auch wenn sich die Koreaner im Moment auf weitaus größere Containerschiffe konzentrieren, sie bauen auch kleinere, also auch dort haben wir uns mit der Konkurrenz aus Korea und zunehmend aus China auseinanderzusetzen.“
Auf der letzten Schiffsbaumesse hat Aker eine weitere Innovation vorgestellt – das Cabrio-Containerschiff. Die Frachter werden ohne Lukendeckel gebaut – dadurch erhöht sich der Stauraum – das ist bares Geld für den Reeder – bares Geld für die Werften – und vielleicht bald Arbeitsplätze für Mecklenburg-Vorpommern.
Seit ein paar Jahren beherrscht eine riesige, 80 Meter hohe, fast 400 Meter lange himmelblaue Halle das Stadtbild – die Dockhalle der AkerYards Werft – am alten Hafen.
Gerade verlässt ein neu gebautes Containerschiff die Halle – sobald der Rumpf zum ersten Mal mit Meerwasser in Berührung kommt wird es begrüßt – einmal lang – dreimal kurz – Seefahrer sind abergläubisch.
32 Seemeilen weiter nördlich – für die Landratte sind das gut 60 Kilometer – im Ostseebad Warnemünde – in Sichtweite zum Strand und der mondänen Flaniermeile steht die Zwillingshalle. Der zweite Standort von Aker Yards in Deutschland. Bis vor drei Jahren versuchten die beiden Standorte noch eigenständig, sich von der Werftenkrise Mitte der 90er Jahre zu erholen. Vergeblich. Seitdem Wismar und Warnemünde unter dem großen Dach des Aker-Konzern – mit seinen insgesamt elf Werften weltweit – Platz gefunden haben, läuft es.
Die enge Nachbarschaft hat die Schiffsbauer auf eine Bahn brechende Idee gebracht – um im internationalen Markt zu bestehen – erklärt der Sprecher der deutschen AkerYards, Matthias Trott, an seinem Computer in dem engen Büro. Halbe Schiffe bauen – das Vorderteil – den Bug – in Wismar – das Hinterteil – das Heck in Warnemünde.
„So das wäre der hintere Teil des Schiffes, der in Wismar im Dock gefertigt worden ist, mit dem bereits aufgesetzten Deckshaus aus Warnemünde. Das Deckshaus wird hier in Warnemünde gefertigt und ausgerüstet und geht auch auf dem Seeweg nach Wismar rüber. Das heißt, es wird auf einen Ponton gesetzt und auch mit Schlepperhilfe nach Wismar gebracht. Hier in Warnemünde haben wir ne Krankapazität von 600 Tonnen. Das entspricht dem Gewicht des Deckshauses. In Wismar haben wir bei dem großen Bockkran ne Kapazität von 800 Tonnen. Das heißt er kann das mühelos runter nehmen und auf den Hinteren Teil des Schiffes aufsetzen.“
Halbe Schiffe bauen geht schneller als ganze Schiffe bauen – und Zeit ist Geld – vor allem in der globalen Wirtschaft – in der der Container als Globalisierungsgewinner erscheint – jährlich wächst die Seewirtschaft um bis zu sechs Prozent.
„Wir müssen ja sehen, dass wir möglichst schnell und effektiv arbeiten. Wir haben im Jahre 2006 insgesamt 13 Ablieferungen zu gewährleisten. Das heißt, alle vier Wochen wird ein komplett neues Schiff abgeliefert, Deswegen haben wir da einen sehr engen Rhythmus. Der gestaltet sich im Moment so: Von der ersten Sektion, Kiellegungssektion für ein neues Schiff bis das halbe Schiff fertig ist und bereit ist, mit der anderen Hälfte zusammengeschwommen zu werden vier Wochen und dann noch mal vier Wochen vom Zusammenschwimmen bis zum Ausdocken. Im nächsten Jahr werden es 16, eventuell 17 Schiff sein, die wir abliefern werden. Das heißt, wir werden diesen Rhythmus dann auf drei plus drei Wochen verkürzen müssen. Hat was mit Effektivität zu tun. Dockbauplätze sind der rarste Platz in einer Werft, die man so effektiv wie möglich ausnutzen muss und deswegen diese Technologie, die wir uns da haben einfallen lassen.“
Noch hat die deutsche maritime Wirtschaft einen Technologie-Vorsprung von gut zwei Jahren vor der asiatischen Konkurrenz. Der Vorsprung muss gehalten – wenn nicht sogar ausgebaut werden, Das geht nur mit guten Ideen. Die Idee mit den halben Schiffen bringt vor Jahr eine Ersparnis von gut drei Millionen Euro und
„Es bringt als Ergebnis die Tatsache, dass es uns gelungen ist, auf diesem Wege eine erhebliche Anzahl von Produktionsstunden einzusparen. Dahinter liegt der Gedanke, wenn sich jeder der beiden Werftstandorte nur auf einen bestimmten Bereich eines Schiffes konzentriert, ist die Abfolge der gleich zu leistenden Arbeiten größer – damit wird der Serieneffekt größer, und damit ist gewährleistet, dass der Verbrauch an Produktionsstunden sinken muss.“
Was da im Moment in Serie produziert wird, sind die Containerschiffe AKER CS 2700 – die Zahl steht für die Anzahl Container, die so ein Frachter schlucken kann. Die momentan größten Ozeanriesen können bis zu 10.000 Containereinheiten laden.12.500 sind im Gespräch. Also fünfmal so groß wie die Frachter aus Wismar und Warnemünde. Ein Geschäft, das hauptsächlich in Asien gemacht wird, trotzdem sind die Auftragsbücher der Aker Yards Germany sind für die nächsten zwei Jahre voll. Aker Yards hat sich auf kleinere und mittelgroße Containerschiffe mit bis zu 5000 Stellplätzen spezialisiert. In diesem Segment kann die Werft mit den Konkurrenten in Korea und China mithalten. Aber nur, weil sie schneller sind. Mit der geteilten Bauweise können zehn Prozent der Gesamtfertigungsstunden eingespart werden. Mehr verrät Trott nicht. Der Markt ist heiß umkämpft – die Werft eine Hochsicherheitszone.
„Absolute Stunden nenne ich auch nicht und wenn ich die Gesamtstundenzahl nennen würde, könnten sie hochrechnen, was wir insgesamt für ein Schiff brauchen, auch das sind Zahlen, die nicht nach außen gehen, Insofern hat jeder Werft ihre Geheimnisse aber ich denke, die Zahl zehn Prozent ist schon relativ deutlich.“
Ein Knopfdruck und 200 Millionen Liter Wasser strömen in das Dock in Warnemünde – das sind gut eine Million Badewannen voll. Am Kai liegt ein halbes Schiff – das Hinterteil – die vordere Hälfte wartet in Wismar auf die Verbindung für die Ewigkeit – bis dass der Abwracker sie wieder scheidet. Deshalb sagen die Arbeiter auch gerne Schiffshochzeit zum dem hochtechnischen Vorgang, wenn aus zwei Schiffsteilen ein Ganzes werden soll. Seeleute sind auch romantisch. Die Schiffsbraut in Warnemünde ist 4000 Tonnen schwer und 110 Meter lang.
Vorbereitung zur „Hochzeitsreise“. Dicke Stahlseide laufen über die Winden und ziehen das Schiff zur Seite, damit Platz ist für die Schlepper, die ins Dock fahren, sobald genug Wasser aus der Warnow und der Ostsee in das Dock geflossen sind und den Höhenunterschied zwischen Drinnen und draußen ausgeglichen haben.
Kapitän Klaus Hoinka manövriert mit der Bugsier 16, einem Schlepper, das halbe Schiff von Hintern – das Ziehen übernimmt ein anderer Schlepper von vorne.
Der kleine Schlepper vor der riesigen Stahlwand – das sieht gefährlich aus. Aber die 3100 PS haben schon ganz andere Lasten geschoben oder gezogen.
„Ich bin draußen ich hole ihn jetzt vorne rum, geht los haltet euch fest.“
Langsam schiebt sich das Hinterteil des Frachters nach draußen. Im Rumpf ein wenig Brackwasser – für die Stabilität – ansonsten hält Physik den Schiffskörper aufrecht.
„Bugsier 16 kommen.... ja Andreas, das Lotsenboot, ich weiß nicht, ob ihr es schon seht, ihr sitzt bestimmt in der Sonne – wird hinter euch rumlaufen und an eurer Backbordseite kommen, dann zwei Lotsen an Bord bitte Stand by, wenn die Leiter kommt.“
Im Hafenbereich müssen Lotsen an Bord sein. sowohl auf dem Schiff – als auch auf dem Schlepper – das schreiben die Sicherheitsbestimmungen vor.
„Wir brauchen ihn normal nicht, weil wir schon 1000 Mal hier rauf und runter gefahren sind, aber die Behörden verlangen einen Lotsen auf dem Schlepper und einem auf dem zu ziehenden Schiff. ... Frag mal Micha, ob er einen Kaffee möchte ... Käffchen nehme ich ... ja nur mit Milch...“
Auf See ist Hoinka dann auf sich allein gestellt – der Autopilot steuert den millionenteuren Schwertransport über die Ostsee in den Wismarer Hafen. 300 Meter Abstand hält der Schlepper zu seiner Fracht und ständigen Funkkontakt mit Thomas Schmitz in Wismar
„Nanu 20.30 ist das nicjh ein bisschen.. na ja wir haben 5,8 – ja wir sind 17.30 an der Lotsenstation.“
Schmitz ist Dockmeister bei Aker Yards. Seit 30 Jahren arbeitet er auf der Werft – in dritter Generation. Die Werft- das galt was im industriearmen Nordosten. Nach der Wende pumpten Bund und Land viel Geld in den Schiffbau. Die Werften zählen weltweit zu den modernsten – Trotzdem gerieten sie Mitte der 90er Jahre in eine Krise. Nur wenige haben überlebt.
Schmitz ist quasi der Pfarrer, der die Schiffshochzeit vornimmt. Mit seinem alten Damenfahrrad hat er an diesem Tag schon mindestens fünf Mal das Dockbecken umrundet und alle Winschen und Seile überprüft. Die Haken, mit denen auf dem Schlepper dann die Stahlseile festgemacht werden, sind größer als zwei Männerköpfe mit Sicherheitshelm. 814 Meter ist eine Runde – Er erklärt die Zeremonie.
„Der Achter-Teil, den man jetzt mit den Aufbauten sieht, der liegt unten fest und der vordere Teil schwimmt und um jetzt auf eine Höhe zu kommen, muss man den vorderen Teil so absenken, dass es nachher zu einander passt und wir dass dann zueinander hinziehen können.“
Nach 10 Stunden und 32 Seemeilen nähert sich das halbe Schiff samt Schleppern dem Wismarer Hafen. Hier wird’s kniffelig. Der Koloss muss auf den Zentimeter genau an der Kaimauer geparkt werden. Die Bugsier 16 zieht – ein anderer Schlepper schiebt das Heck an die Mauer. Matthias Trott steht am Rand und sieht zu. Zufrieden.
„Die Chinesen brauchen für die gleiche Schiffsgröße etwa die doppelte Produktionszeit für so ein 2700-Teil-Schiff, also wir sind schon ziemlich effektiv, müssen aber versuchen, noch mehr zu erreichen, das kann man aber nur, indem man Prozesse weiter optimiert, zum anderen müssen wir zusehen, dass wir die Kostenstruktur optimieren, und das geht eben bei einem Hochlohnland wie es Deutschland oder Norwegen ist sind, nur, wenn man mit anderen Werften zusammenarbeitet um dann das Gesamtprodukt etwas kostengünstiger zu gestalten.“
Deshalb will Aker das System auch zwischen allen Standorten ausprobieren. Anstatt zwölf Schiffen pro Jahr sollen es in zwei bis drei Jahren 16 werden. pro Containerschiff sind das 40 Millionen Euro – so viel kostet ein Stahlkoloss.
„Die Ersparnis rechtfertigt trotzdem den Aufwand, die Ersparnis rechtfertigt den Aufwand, den wir zwischen Warnemünde und Wismar betreiben. Es rechnet sich aber auch der Aufwand über Ländergrenzen hinweg. Zwischen uns und Finnland bereits in zwei Fällen praktiziert.“
Langsam macht sich der Auftragsboom im deutschen Schiffbau auch bei den Arbeitsplätzen bemerkbar. Nach Jahren des Abbaus und der Stagnation wuchs die Zahl der deutschen Werftmitarbeiter in diesem Jahr erstmals wieder um 3,2 Prozent. Knapp 20.000 Menschen arbeiteten im letzten Monat auf den Werften. In Wismar und Warnemünde alleine rund 2300. Vor 15 Jahren waren es aber dreimal so viel – in Mecklenburg-Vorpommern sogar das Fünffache. Laut IG Metall beträgt die Zahl der Leiharbeiter und der Zeitarbeitsverträge bei rund 15 Prozent in manchen bereichen gar 50 Prozent. In erster Linie werden Ingenieure eingestellt um mit neuen Entwicklungen konkurrenzfähig zu bleiben.
Mittlerweile hat die Bugsier das Vorderteil an die Südseite des Docks manövriert. Diagonal dazu liegt das Hinterteil. Weil kein Platz mehr für die Schlepper ist, um nach hinten durchzufahren, wird die Bugsier vom Kran an den Haken genommen und „fliegt“ über die Schiffsteile hinweg nach achtern. Jetzt wird aber erneut das Docktor geschlossen. Das Wasser aus dem Dock wird nun in die Ostsee gepumpt. Die beiden Schiffshälften müssen gleich hoch liegen…
Gut dreieinhalb Stunden sind vergangen, seit das Vorderteil des Frachters im Dock geparkt wurde. Jetzt wird es ernst für Schmitz und seine Crew. Sechs Winden ziehen das Vorderteil langsam auf die andere Dockseite. An der Stelle, an der die beiden Teile sich küssen sollen lehnt er am Geländer, das Funkgerät am Ohr. Immer wieder gibt er kurze Befehle.
Immer kleiner wird der Spalt zwischen den Schiffshälften – dann prallen – fast zentimetergenau – über 8000 Tonnen Stahl aufeinander
„Matthias? Halber Meter noch ne… wir pumpen jetzt noch einen halben Meter Wasser ab, bis wir fast auf einer Höhe sind und machen dann die Feinausrichtung, so dass wir morgen früh um sechs das Dock trocken haben.“
Jetzt sind die Schweißer dran – noch mal vier Wochen, dann kann das Schiff auf Jungfernfahrt gehen. Die nächsten Schiffshälften warten schon – die Auftragsbücher sind voll – trotzdem kein Grund zum Ausruhen.
„Auf der anderen Seite bleibt aber auch die Tatsache, dass auch wir unsere Aufträge, auch wenn sie im Moment zum großen Teil für deutsche Reeder abgearbeitet werden, bei der Ausschreibung von neuen Aufträgen auch im internationalen Wettbewerb stehen. Wir haben nicht einen Binnenmarkt in Deutschland, wir haben keinen europäischen Markt, auf dem wir uns bewegen, sondern es sind immer Ausschreibungen im internationalen Maßstab, auch wenn sich die Koreaner im Moment auf weitaus größere Containerschiffe konzentrieren, sie bauen auch kleinere, also auch dort haben wir uns mit der Konkurrenz aus Korea und zunehmend aus China auseinanderzusetzen.“
Auf der letzten Schiffsbaumesse hat Aker eine weitere Innovation vorgestellt – das Cabrio-Containerschiff. Die Frachter werden ohne Lukendeckel gebaut – dadurch erhöht sich der Stauraum – das ist bares Geld für den Reeder – bares Geld für die Werften – und vielleicht bald Arbeitsplätze für Mecklenburg-Vorpommern.