Aus nach 500 Jahren

Von Jochen Spengler · 07.11.2013
Portsmouth an der südenglischen Küste blickt auf eine stolze und lange Tradition zurück. In der Hafenstadt werden seit über 500 Jahren Schiffe gebaut. Nun hat der britische Rüstungskonzern BAE angekündigt, die Traditionswerft dicht zu machen – zugunsten zweier schottische Schiffsbaustätten.
Die meisten Arbeiter gehen an den Kameras und Mikrofonen vorbei: wort- und blicklos. Man ahnt, wie sie sich fühlen – in jener Stadt, in der seit Heinrich dem Achten stolze Schiffe entstanden.

"Ich möchte lieber nichts sagen…ich bin verzweifelt."
"Die Stadt ist auf dem Schiffbau gegründet – es ist beschämend."

Mehr als 500 Jahre Schiffbau in Portsmouth - vorbei. Die Belegschaft hat gerade erfahren das BAE die Neubausparte der Werft schließt. Über 900 Facharbeiter werden bis Ende nächsten Jahres entlassen. Denn es gibt zu wenig Aufträge für Großbritannien Werften, sagt BAE-Manager Charlie Blakemore:

"Wir wussten, dass uns eine schwere Zeit bevorsteht. Schließlich kommen wir von einem beispiellosen Produktionsboom im Schiffbau wie es ihn seit 60 Jahren nicht gab."

Jetzt ist der Boom ist vorbei und in Portsmouth werden künftig nur noch Reparaturen durchgeführt; Die beiden schottischen BAE-Werften bei Glasgow am Fluss Clyde aber sollen überleben. Das steigert den Zorn der englischen Arbeiter in Portsmouth noch.

Politische Entscheidung
"Wir haben ein besseres Produkt gebaut als die da oben in Govan, hatten höhere Standards. Und die schieben uns aufs Altenteil. Aber die meisten Manager sind ja schottisch, was willst Du da machen."

"Das ist doch vor allem eine politische Entscheidung. Die schottischen Arbeiter werden glücklich sein, aber hier aus dieser Werft wird alles weggenommen."

Doch Jubel oder gar Triumphgefühle gibt es in Schottland, 700 Kilometer nördlich, keineswegs. Zwar sind die beiden Werften am Clyde noch einmal davon gekommen, doch auch hier werden mehr als 800 Arbeitsplätze abgebaut.

"Das sind keine guten Nachrichten. Aber wir wussten alle, dass es kommen würde."

"Da mussten wir schon früher durch und jetzt wieder und wir werden versuchen, so viele Jobs wie möglich zu retten."

"Wir werden nicht so leicht davonkommen. Das wird uns schon schlimm treffen, aber es gibt eine Zukunft für die beiden Werften und das ist gut."

Insgesamt fallen den Überkapazitäten 1775 Arbeitsplätze in England und Schottland zum Opfer und Verteidigungsminister Philip Hammond erklärt im Parlament mitleidlos:

"Der Verlust einer solch bedeutenden Zahl von Jobs ist natürlich bedauerlich, war aber immer absehbar für den Fall, dass die Arbeit an den beiden im Bau befindlichen Flugzeugträgern endet."

Die sind 2015 fertig und obwohl die Regierung drei neue Patrouillenboote und 13 Fregatten in Auftrag gegeben hat, reichen die nicht für ein Überleben von Portsmouth.

Kein Geschenk an Separatisten
Die beiden Werften bei Glasgow seien kosteneffektiver, heißt es. Klar ist aber auch, dass die Schließung einer schottischen Werft für den britischen Premierminister David Cameron ein politisches Desaster gewesen wäre – zehn Monate vor dem Unabhängigkeitsreferendum des Nordens. Ein solches Geschenk wollte Cameron den Separatisten nicht machen.

"Unter dieser Regierung gibt es Flugzeugträger, Zerstörer, neue Fregatten und Unterseeboote. Und noch etwas: wenn es ein unabhängiges Schottland gäbe, dann hätten wir überhaupt keine Kriegsschiffe."

Und deshalb sieht Gerald Vernon-Jackson, der Ratsvorsitzende von Portsmouth, seine Stadt als Opfer der schottischen Unabhängigkeitsquerelen. Und er warnt:

"Portsmouth ist der letzte Ort in England, wo wir noch moderne Kriegsschiffe herstellen können. Gibt es den künftig nicht mehr, dann müssen die alle in Schottland gebaut werden müssen. Wenn aber Schottland in zehn Monaten doch unabhängig werden sollte, dann können wir nirgendwo im Rumpf-UK noch solche Schiffe produzieren."

Sollte sich Cameron am Ende dermaßen verkalkulieren, dann – und man mag das Undenkbare kaum aussprechen – müsste England seine Flotte vielleicht sogar in Deutschland bestellen.