Aus Liebe zu Kuba

Vorgestellt von Hans Christoph Buch |
Als Diplomat wurde der chilenische Romancier Jorge Edwards 1970 nach Kuba entsandt. Zu Beginn sympathisierte der Linksintellektuelle mit Castros Regime. Doch dann wurde er zur "Persona non grata" erklärt und des Landes verwiesen. Seine Erfahrungen, die er aus Liebe zu Kuba und seinen Menschen niederschrieb, sind ein literarisch bewegender Text.
"Die kubanische Revolution ist weiterhin ein Symbol, doch ihre ideologische Gültigkeit scheint sie verloren zu haben. Das ändert nichts daran, dass kubanische Journalisten, Dichter und Intellektuelle im Gefängnis für Vergehen büßen, die nirgendwo sonst bestraft werden, während wir Bewohner der westlichen Welt sie auf schändliche Weise vergessen. Es ist mir gleichgültig, ob Politiker jeder Couleur Fidel die Ehre erweisen und ihn in seinem kleinen Vatikan besuchen, der mehr Ähnlichkeit mit Kafkas Erzählungen aufweist als mit den Schriften von Karl Marx. Aber es ist unabdingbar, sich für die Öffnung der politischen Gefängnisse Kubas einzusetzen, die eine Schande sind. Davon rücke ich nicht ab."

Dieses nüchterne Fazit zieht der chilenische Schriftsteller Jorge Edwards im Nachwort zur Neuauflage seines 1973 erstmals erschienenen Buchs "Persona non grata", das als späte Wiedergutmachung endlich auf Deutsch vorliegt.

Worum geht es? Ende 1970, nach dem Amtsantritt Salvador Allendes in Chile, als die Kuba-Begeisterung weltweite Wellen schlug, wurde Jorge Edwards nach Havanna geschickt, um das Terrain zu sondieren für die Wiederaufnahme der 1964 abgebrochenen Beziehungen.

Edwards war ein namhafter Romancier, der nach dem Vorbild seines Mentors Pablo Neruda die diplomatische Laufbahn eingeschlagen hatte und zuletzt in Lima auf Posten gewesen war. Die Nähe zu Neruda war in Havanna keine Empfehlung, denn der war nach einem kurzen Besuch verärgert abgereist, brüskiert wegen des kühlen Empfangs durch die Führung, für die Neruda kein Revolutionär, sondern ein Salonkommunist war. Hinzu kommt, dass Salvador Allende im Gespräch mit Edwards Bedenken anmeldete gegen dessen Entsendung und dass undichte Stellen im Außenministerium dies den Kubanern signalisierten.

Was nach seiner Ankunft in Havanna geschah, folgt einem sattsam bekannten Szenario, in dessen Verlauf Edwards’ anfängliche Begeisterung sich zu Skepsis wandelte und später in Ablehnung umschlug. Nicht anders hatte kurz zuvor Hans Magnus Enzensberger reagiert - mit dem Unterschied, dass er seine Zweifel für sich behielt, um sie Jahre später im Poem vom Untergang der Titanic publik zu machen. Eine weitere Parallele drängt sich auf: Der "Fall" André Gide, der mit vorsichtiger Kritik am Stalinismus begann und erst in der Nachschrift zu seinem Buch "Retour de l’URSS" den offenen Bruch riskierte.

So besehen gleicht "Persona non grata" einem Déjà-Vu. Ähnlich wie André Gide war Edwards kein Kommunist, aber wie viele Linksintellektuelle sympathisierte er mit Castros Regime. Und wie bei Gide war die Niederschrift seiner Erfahrungen nicht von Bitterkeit oder Hass diktiert, sondern von Liebe zu Kuba und seinen Menschen, denen er Gerechtigkeit widerfahren lassen wollte. Nur langsam und wider Willen dämmerte ihm die Einsicht, dass es sich nicht um partielle Missstände handelte, sondern dass Kubas totalitäres System der größte Missstand war:

"Der den Wahn begünstigende Druck zeigt ein politisches Ergebnis: Jede Kritik wird unter tausend Vorwänden – bürgerliche Herkunft, Opportunismus, moralische Schwäche – entwertet, jede Anhängerschaft bedenkenlos ausgenutzt. Am Ende bleibt nur, frei von der Ursünde, unbefleckt empfangen, die nackte Macht."

Ausschlaggebend für diese Erkenntnis war Edwards’ Eintreten für den Dichter Heberto Padilla, der 1971 von der Staatssicherheit verhaftet und gezwungen wurde, sich von seinem vom Schriftstellerverband prämierten Lyrikband "Außerhalb des Spiels" zu distanzieren und Selbstkritik zu üben:

"Es handelt sich um Beleidigungen und Diffamierungen der Revolution, deretwegen ich mich schäme… Und dann die unzähligen Male, an denen ich ungerecht und undankbar war gegenüber Fidel. Ich werde es immer bereuen… Mit Hans Magnus Enzensberger, dem deutschen Dichter und Essayisten, führte ich defätistische Gespräche, die dazu beitrugen, seine Auffassung von unserer Revolution zu verdrehen…"

Nicht nur Padilla – jedes Verbandsmitglied, das sich weigerte, ihn öffentlich zu verdammen, wurde als Konterrevolutionär an den Pranger gestellt, was den Verlust von Wohnung und Arbeitsplatz und oft jahrelanges Publikationsverbot nach sich zog. Jorge Edwards’ Vermittlungsversuch bewirkte das Gegenteil: Von Castro zum Gespräch einbestellt, wird er zur Persona non grata erklärt und des Landes verwiesen. Erst jetzt wurde ihm klar, dass die Polizei seine Wohnung verwanzt hatte, und nach der Abschiebung machte er die Erfahrung, dass frühere Freunde und Mitstreiter sich von ihm abwandten mit dem scheinheiligen Argument:

"Was du da schreibst, ist die reine Wahrheit, das wissen wir alle, aber es war einfach nicht der Moment, es zu erzählen."

Das Erscheinen von "Persona non grata" fiel zusammen mit dem Putsch von Pinochet, und obwohl der das Buch wegen offenkundiger Parallelen zu Chile verbieten ließ und Edwards ins Exil nach Spanien ging, denunzierten rechtgläubige Linke ihn als CIA-Agenten. Wer zu früh kommt, den bestraft das Leben: Hier liegt die tiefere Ursache für das späte Erscheinen dieses literarisch wie politisch bedeutsamen und bewegenden Texts.

Jorge Edwards: Persona non grata
Aus dem chilenischen Spanisch von Sabine Giersberg und Angelica Ammar. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2006