Aus guten Gründen, aber viel zu spät

Von Martin Steinhage, Hauptstadtstudio, Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur |
Die deutsche Sozialdemokratie ist in der Wählergunst weit im Hintertreffen. Um den Rückstand gegenüber der Union bis zur Bundestagswahl Ende September vielleicht doch noch gutzumachen, wollen die Genossen jetzt kämpfen, kämpfen, kämpfen. So jedenfalls verkündet es der Spitzenkandidat, so erklärt es der Parteivorsitzende, so geloben es alle, die etwas zu sagen haben in der SPD. Und das sind bekanntlich viele.
Einer aber scheint da etwas missverstanden zu haben: Peer Steinbrück, der Bundesfinanzminister und stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende, kämpft zunächst einmal mannhaft gegen die eigenen Reihen. Zumindest in einer nicht ganz unwichtigen Frage, nämlich der Idee einer staatlichen Rentengarantie. Eben diese Garantie aber hatte im Frühjahr der sozialdemokratische Bundesarbeits- und Sozialminister Olaf Scholz entwickelt – und bald schon Angela Merkel, die Kanzlerin und CDU-Chefin, dafür gewonnen.

Flugs hatte das Bundeskabinett einen entsprechenden Beschluss gefasst, und das Parlament änderte im Juni die Rentengesetzgebung: Egal, wie schlecht es der deutschen Wirtschaft und den Beschäftigten geht, die Rente wird niemals sinken! Ein Kernelement der Rentenformel, die im fein austarierten Generationenvertrag anderes vorsieht, wurde mit einem Federstrich außer Kraft gesetzt.

"Die Rente ist garantiert sicher" - darüber freuen sich nunmehr 20 Millionen Ruheständler. Was sich in dieser speziellen Win-Win-Situation im Wahlkampf auch für die Koalitionsparteien auszahlen sollte. So jedenfalls das durchsichtige Kalkül bei Union und SPD.

Mit seiner Kritik an dieser gleichermaßen plumpen wie volkswirtschaftlich heiklen Manipulation an der Rentenformel hat Peer Steinbrück fraglos recht. Allerdings muss er sich die Frage gefallen lassen, warum er post festum seine Ablehnung der Rentengarantie kundtut. Es wäre klüger gewesen, der Minister hätte nicht nur intern gegen die Beschlusslage gewettert – was er getan hat -, sondern sein Missfallen auch rechtzeitig öffentlich gemacht. Und im Kabinett zum Beispiel gegen die Vorlage gestimmt – was er nicht getan hat. So aber erreicht Steinbrück ungewollt zweierlei: Er schadet seiner ohnehin arg gebeutelten Partei, indem er zur Unzeit eine Debatte vom Zaun bricht, die jedem Wahlstrategen die Haare zu Berge stehen lässt. Und so ganz nebenbei beschädigt Steinbrück auch seine eigene Glaubwürdigkeit.

CDU und CSU jedenfalls können sich freuen, haben doch die "Sozen" erneut ein blitzsauberes Eigentor geschossen. Und so kann vielleicht am Ende allein die Kanzlerin für ihre Reihen den in Form von Wählerstimmen zu erwartenden Gewinn der Aktion Rentengarantie abschöpfen nach dem Motto: "Wir stehen fest an der Seite der Ruheständler, und die SPD wackelt herum."

Sollte aber eines nicht allzu fernen Tages so richtig deutlich werden, wie gefährlich die Garantie tatsächlich ist, werden sich auch die Sozialdemokraten entsprechende Vorwürfe gefallen lassen müssen: Mitgegangen, mitgehangen, wird es dann zu Recht heißen.