Aus Geldmangel zur ersten Rolle

Von Camilla Hildebrandt · 28.08.2007
Jakob Diehl, Bruder des Schauspielers August Diehl, ist in diesem Jahr als Schauspieler für den "First Steps Awards" nominiert. Der Preis für die Nachwuchstalente der Filmhochschulen wird am 28. August in Berlin vergeben. Dabei begreift sich Diehl der Jüngere vor allem als Komponist. Dank seiner Begabung kann er das Fach ohne Schulabschluss an der Universität der Künste studieren.
Jakob Diehl: "Zur Schauspielerei kam ich sehr praktisch: ich brauchte Geld und bin mit einem Freund zu einer Agentur gegangen, wo ich hörte, da kann man als Komparse arbeiten. Irgendwann rief mich dann eine Frau an: Sie hätten auch eine Schauspielabteilung, ob ich nicht Interesse hätte mir das mal anzusehen. Und ich habe gesagt: Ne, hab ich kein Interesse!"

"Dadurch, dass mein Bruder Schauspieler ist, gibt es sehr viele Leute, die denken, wenn der eine das kann, dann kann der andere das auch. Aber ich war immer beschäftigt mit Musik, ich hatte da überhaupt keine Ambitionen, also gar nicht!"

Jakob Diehl - kurze blonde Haare, das jugendliche Gesicht voller Sommersprossen, auf der Nase eine große rot-braun-umrandete Brille - sitzt konzentriert an seinem Schreibtisch: vor ihm liegen Notenpapier und ein Edding-Fineliner.

So entstehen seine Konzerte, erklärt er, mehr braucht er zum Komponieren nicht. Momentan - das heißt seit knapp zwei Jahren - schreibt er an einem Streichquartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello. Titel: "Stücke aus dem Ganzen".

"Ich begreife mich noch nicht als Schauspieler - ich bin Musiker, Komponist."

"Eigentlich wollte ich erst Geiger werden. Ich hab sehr spät angefangen. Ich bin mit 16 aus der Schule raus, weil ich damals gemerkt habe: dann muss ich das voll und ganz machen."

Drei Jahre verbringt Diehl fast ausschließlich mit Üben. Aber mit 19 wird ihm klar - einer unter vielen im Orchester zu sein, das ist nicht sein Ziel.

"Diese ganze Welt hatte sich zu einer totalen Horrorwelt entwickelt, die Welt des Übens, der Musik, der Interpreten, meine Lehrer. Da war ich froh, durch die Komposition mich ganz anders mit Musik beschäftigen zu können, vielseitiger und auch kreativer und nicht nur im Zimmerchen zu sitzen und Tonleitern zu spielen."

Jakob entscheidet sich für die Komposition, und Dank seiner "besonders künstlerischen Begabung" - so eine Formulierung im Hochschulgesetz - kann er ohne Schulabschluss an der Universität der Künste studieren.

Konzert-Komponist? Für einen jungen Musiker kein Job um reich zu werden, sagt der 29-Jährige, der halb in Berlin, halb in Holland bei seiner Freundin lebt. Trotzdem: Jakob Diehl ist gefragt: Ullrich Mühe engagierte ihn 2003 für seine Theaterinszenierung "Der Auftrag" von Heiner Müller; Diehl schreibt unter anderem Hörspielvertonungen und Stücke für das Staatstheater Belgrad. Die Musik ist seine Welt - aber die Schauspielerei lässt nicht locker.

"Es kam immer wieder an mich herangetragen. Und dann sagte die Frau von der Agentur am Telefon: willst du nicht doch mal kommen, ganz unverbindlich? Und dann sagte ich: Ok, warum nicht."

Filmausschnitt "Der blinde Fleck": "Laura hat leider nur sehr wenig von dir erzählt, nur, dass du Philosophie studierst - Stimmt - Und was möchten Sie später mal damit machen? - Nichts! - (Lachen) Keine Perspektive? - Muss man die haben? Ich denke, dass die Perspektive sich immer aus der Logik des jeweiligen Systems generiert, und dieses System wird implodieren - Und was kommt danach? Wieder der Kommunismus?"

In Tom Zenkers Film "Der blinde Fleck" - nominiert für den First Steps Award - , spielt er Max, den Freud der 18-jährigen Laura. Laura stammt aus gutbürgerlichem Haus, der Vater ist Polizist, die Mutter Krankenschwester. Die Familienidylle wird jäh zerstört, als Laura und Max unter Verdacht geraten zwei Polizisten erschossen zu haben. -Jakobs erste Spielfilm-Rolle, vorher hat er in Werbesports und Kurzfilmen mitgewirkt.

"Hauptgesprächsthema ist bei uns in der Familie immer gewesen: Schauspielerei. Nach jedem Film saßen wir mit der Familie zusammen, haben einen getrunken, und dann ging's los: Warum ist der gut, warum der nicht, wie spielt der, was macht der, was ist der Unterschied, blablabla. Als ich dann anfing mit Musikmachen, bin ich bei den Gesprächen immer aufgestanden und rausgegangen, weil ich sie in und auswendig kannte - meinte ich."

Dass Jakob nun doch bei der Schauspielerei gelandet ist und gleich für den First Steps Award nominiert wurde? Für seine Familie keine Überraschung. Vater Hans Diehl hat unter anderem am Thalia Theater und am Burgtheater Wien Erfolge gefeiert. Seine Mutter ist Kostümbildnerin, sein älterer Bruder August zählt zu den bekanntesten deutschen Jung-Schauspielern. Mit August versteht er sich sehr gut - und über das Schauspielern wird nach wie vor permanent diskutiert.

"Ja, also Konkurrenz spielt bei uns gar keine Rolle, deswegen, weil ich mich, das muss ich so sagen: ich begreife mich noch nicht als Schauspieler ..."

"Es soll schon weitergehen, trotzdem: was mir gar nicht behagt: Dass man immer Interpret ist und dass man sehr abgängig ist. Letztendlich ist es das Kunstwerk des Regisseurs, und da bin ich ein Kontrollfreak. Und da bin ich als Komponist genau am richtigen Schreibtisch."