Aus den Feuilletons

Zwei Leinwandhelden und ein Sangeskünstler

Philip Seymour Hoffman im Jahr 2012
Philip Seymour Hoffman im Jahr 2012 © picture-alliance / dpa / Daniel Dal Zennaro
Von Arno Orzessek · 08.02.2014
Der Tod zweier großer Schauspieler beschäftigte die Feuilletons in dieser Woche: Maximilian Schell und Philip Seymour Hoffman starben. WELT und FAZ bereisten die schwedische Kulturhauptstadt Umea. Und die SZ würdigte anlässlich seines 60. Geburtstags Dieter Bohlens Gesangskunst.
Zweimal trugen die Feuilletons in der vergangenen Woche Trauer. Während in der Wochenzeitung DIE ZEIT Oscar-Preisträger Maximilian Schell als "Der schönste Untergeher" verabschiedet wurde, verabschiedete die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Oscar-Preisträger Philip Seymour Hoffman mit den Worten:
"Er war der Beste seiner Generation, obwohl alle anderen schöner waren."
Da starben zwei von verschiedenem Schlag – und starben auch verschieden: Schell mit 83 Jahren in einer Innsbrucker Klinik, Hoffman mit 46 und einer Nadel im Arm in seiner New Yorker Wohnung.
"Ein Bild von einem Mann (…). Maximilian Schell in schwarzer Anwaltsrobe, wie er hinter dem Pult des Verteidigers steht, die Backenknochen scharfkantig, das Kinngrübchen sauber ausgestanzt, die Augen funkelnd vor Angriffslust. (…) – und dann ist da noch diese Stirnlocke, die eine fast unsittlich triumphale Lässigkeit obendrauf setzt",
schwärmte Tobias Kniebe in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG über Schells Auftritt in Stanley Kramers Film "Das Urteil von Nürnberg" und überlieferte den Ausruf Marlene Dietrichs – "'Gott, warst du großartig in diesem Film'" – genauso wie Schells Womanizer-Bekenntnis:
"'Eine Welt von schönen Frauen wartet da draußen – warum sollte man da nein sagen?'"
Ein ähnlicher Spruch ist von Philip Seymour Hoffmann nicht überliefert.
"Sein weicher, schwerer Körper schien ihn manchmal zu belasten und fast zu Boden zu drücken, wenn er nicht gerade auf einer Bühne stand oder gefilmt wurde",
verriet Verena Lueken in der FAZ, betonte aber:
"Es gibt wohl keinen Schauspieler seiner Generation, der ähnlich wandlungsfähig und dennoch völlig unverwechselbar ist."
Philip Seymour Hoffman: Der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG bleibt er als "Der Meister des maßlosen Ausdrucks" in Erinnerung und der BERLINER ZEITUNG als "Meister des menschlichen Makels".
Aus der Dunkelkammer Kino hinaus unter den nordischen Himmel.
"Hier toben die Künste acht Jahreszeiten lang", überschrieb die Tageszeitung DIE WELT ihren Bericht aus dem schwedischen Umea, der diesjährigen Kulturhauptstadt Europas. Die es übrigens nicht geworden ist, weil einst Krimi-Megastar Stieg Larsson dort geboren wurde. Aber warum dann? WELT-Autor Manuel Brug fand Umea nicht gerade prickelnd:
"Es ist eine typisch schwedisch demokratische, großzügige Siedlung mit schmucken aber gleichzeitig nüchtern patenten Häusern aus Holz oder Ziegel, wo man abends – es gibt natürlich keine Gardinen – in jedes Zimmer schauen kann."
Belustigter fühlte sich die Schweden-reisende FAZ-Autorin Hannah Lühmann. Unter dem Titel "So rentieren sich Rentiere" betonte Lühmann, dass eines in Umea unmöglich sei:
"sich als Angehöriger einer Minderheit nicht angemessen repräsentiert zu fühlen. Das Logo, das sich die Kulturhauptstadt gegeben hat, ist ein freundliches, pummeliges Herz mit einem lächelnden Mund. Man sieht es überall, mal ist es regenbogenfarben, weil Umea als schwulen- und lesbenfreundlichste Stadt des Landes gilt; mal ist (…) die eine Herzhälfte eine weiße und die andere eine schwarze Comicfigur, sie lächeln sich verliebt an. (….) Umea macht gute Laune."
Genau das macht – aus der Sicht seiner Fans – auch Dieter Bohlen. Zum 60. Geburtstag des "Castingshow-Kalif(en)" würdigte SZ-Autor Joachim Hentschel dessen Kompositions- und Gesangskunst.
"Ein Musik ohne Eigenschaften, eine Folklore für das Nirgendwo (…) So wenig zu packen wie der Anarchist, der sich an der Herdplatte die Fingerabdrücke wegbrennt. Wenn man so will, dann ist Bohlens Diskografie das Schengener Abkommen des deutschen Pop"…
Apropos Schengen: Die Türkei gehört bislang weder zum Schengen-Raum noch zur EU. Und das tut ihr weh.
"An der Türkei nagt der Schmerz der unerwiderten Liebe zu Europa", erklärte Hülya Özkan in der FAZ, setzte allerdings hinzu:
"(Die Türkei) emanzipiert sich aber auch: Da Erdogans islamisch-konservative Partei gesellschaftlich etabliert ist, braucht er die Europäer nicht mehr."
Anlass zu solchen Überlegungen war die Berlin-Visite von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, den das FAZ-Feuilleton offenbar nicht für voll nimmt, weil er den Mund so voll nimmt. "Türkei, du bist toll", spottete Karen Krüger nach Erdogans Auftritt im Berliner Tempodrom.
Unterdessen wurde in der Türkei die Kontrolle des Internets verschärft. Und zwar durch ein neues Gesetz, das laut TAGESZEITUNG "die staatliche Telekommunikationsbehörde (ermächtigt), Internetseiten auch ohne richterlichen Beschluss zu blockieren." Fazit der TAZ: "Die Türkei wird zum Überwachungsstaat".
Und was wird aus der Ukraine? SZ-Autor Andreas Ziehlke forderte von der EU "Einmischung" – natürlich auf Seiten der proeuropäischen Ukrainer:
"Zum Beistand ist die Union verpflichtet, weil sie durch das mit der Ukraine geplante Assoziierungsabkommen und die damit eröffnete Perspektive den Konflikt in dem Land mitverursacht hat, vor allem aber, weil sie das Freiheitsversprechen darstellt, das die rebellierenden Ukrainer einlösen möchten."
Derweil kümmerte sich der Schriftsteller Jurko Prochasko in der FAZ schon mal um den Nachfolger für Wiktor Janukowitsch:
"Ich halte (Vitali Klitschko) für einen genuinen Liberalen. Daher wäre er der richtige Präsident dieses Landes."
Am Ende zurück zum Film, zur 64. Berlinale. Die Frage der SZ"Alles klar in Berlin?" – wird in den nächsten Tagen noch genauer geklärt. Der Start immerhin scheint gelungen.
"Auf jeden Fall ist 'Grand Hotel Budapest' der glanzvollste Berlinale-Eröffnungsfilm seit sehr langer Zeit", fand die SZ.
In der ZEIT adelte Thomas Assheuer Lars von Triers Wettbewerbsfilm und Filmorgie "Nymphomaniac":
"Der Film ist ein Exorzismus, die rituelle Austreibung des leeren Sex durch seine pornografische Wiederholung, Stunde um Stunde, so lange, bis sich der Zuschauer ergibt und die fahlen, zuckenden Körper nicht mehr sehen kann."
"Nymphomaniac" dauert übrigens fünf Stunden. Was aber nicht der Grund dafür ist, dass Regisseur John Waters in der SZ aussprach, was nun wirklich niemals Berlinale-Parole wird. Waters sagte:
"Alle Filme sind zu lang."