Aus den Feuilletons

Zuckerberg will Bücherwurm werden

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg beim Mobile World Congress in Barcelona 2014
Hält Bücher für "intellektuell sehr erfüllend" - Facebook-Gründer Mark Zuckerberg © picture alliance / dpa / Alberto Estevez
Von Hans von Trotha · 05.01.2015
Alle zwei Wochen ein Buch - das hat sich Mark Zuckerberg für 2015 vorgenommen. Die "FAZ" fragt sich, ob er auch zum Koran greifen wird, den ihm die meisten Kommentatoren empfehlen. In der "Welt" geht es um Mammutstammbäume, also um "die Facebook-Variante von Familie".
"Will man wirklich 80.000 Verwandte haben?", titelt die WELT. So kurz nach den Feiertagen ist die Frage natürlich nicht ohne Brisanz. Iris Alanyali berichtet vom "größten Stammbaum der Welt", an dem der Amerikaner A. J. Jacobs arbeitet. Das Projekt heißt "Global Family Reunion" und wurde durch eine E-Mail ausgelöst, die der Autor von einem ihm unbekannten Cousin 12. Grades aus Israel erhielt, zu dessen Ahnen auch Karl Marx gehören soll. In solchen Mammutstammbäumen, findet Alanyali, "lösen sich die Unterschiede zwischen Bluts- und angeheirateter Verwandtschaft vollends auf. Aus Ahnenforschung wird die Facebook-Variante von Familie, und die Frage lautet weniger `Wo komm ich her´ als vielmehr ´Wo fahr ich denn mal hin´."
Frau Alanyali meint sicher noch das Facebook von gestern, also aus der Zeit, bevor Mark Zuckerberg, anders kann es ja nicht gewesen, sein, zu Weihnachten ein Buch geschenkt bekommen hat – vielleicht von einem entfernten Verwandten.
"Was passiert, wenn Mark Zuckerberg anfängt zu lesen?", fragt die FAZ. Zuckerberg soll nämlich gesagt haben: "Bücher seien `intellektuell sehr erfüllend´ und … `Bücher können ein Thema viel umfassender darstellen als die meisten anderen Medien heute. Ich freue mich deshalb, meinen täglichen Medienkonsum auf Bücher hin zu verlagern.´"
Vielleicht hält er ja bis 2019 durch. Dann wird Friedrich Nietzsche 175 und aus diesem Anlass werden "gleich drei neue Werkausgaben mit insgesamt 45 Bänden erscheinen", wie der TAGESSPIEGEL vorsichtshalber jetzt schon meldet. Bis dahin wird Zuckerberg allerhand durch haben, denn, so die FAZ: "Alle zwei Wochen will Zuckerberg einen neuen Band durcharbeiten." Listig fragen die Frankfurter: "Hat er vielleicht die Feiertage damit zugebracht, ein bisschen mit Jeff Bezos hin- und herzumailen und auszukungeln, welche Werke eine Portion Facebook-Werbung gut vertragen könnten?" Und: "Wird er den Koran lesen, wie ihm die meisten Kommentare mit Empfehlungen raten?"
Besorgte Bürger hier wie da
Wenn er den Koran durch hat, kann er womöglich Winfried Kretschmann beispringen der in der TAZ in einem Offenen Brief von Micha Brumlik hart angegangen wird:
"Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Sie haben sich kürzlich für eine Selbstreinigung des Islam ausgesprochen. Als bekennender Christ ist ihnen das Wort aus dem Evangelium des Matthäus (7,3) bekannt: `Warum siehst du den Splitter im Auge deines Mitmenschen, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?´ In diesem Sinne erlauben wir uns als besorgte Bürger, sechs Fragen und Forderungen an Sie zu richten."
So recht der Brumlik hat – es geht um eine mögliche Behinderung der NSU-Ermittlungen durch die baden-württembergischen Behörden - beim Stichwort "besorgte Bürger" schrillen in Zeiten von Pegida und Freihandel alle Alarmglocken.
"Abendlandstollen made in Dresden´", fasst die FAZ zusammen. "Angeblich", schreibt Jürgen Kaube, "haben uns erst Migranten gelehrt, was Entfremdung vom eigenen Land ist. Doch schon die Frage, was eine Weißwurst ist, schafft keine Klarheit über kulturelle Identität."
Von "Xgida-Demonstrationen" und "Pegida-Deppen"
Von wegen besorgte Bürger. Deniz Yüzel nennt sie in der TAZ "Pegida-Deppen":
"Das haben die Pegida-Deppen davon, dass sie das Naziwort von der 'Lügenpresse' herausgekramt haben: Sie genießen zwar deren Aufmerksamkeit, nicht aber ihre Zuneigung."
Die FAZ spricht vornehmer von "Xgida-Demonstrationen in Dresden und andernorts", auf denen Menschen klagen: "Es sei dies nicht mehr 'ihr Deutschland'."
"Nun", schreibt Jürgen Kaube, "das entscheiden sie natürlich selbst. Doch ein wenig verwundert es schon, dass sie erst der Migranten, die sie meist aus den Medien kennen, bedurften, um eine solche biographische Erfahrung zu machen."
Womit wir unverhofft wieder bei der Ahnenforschung wären. "Auf die Frage `Wer sind wir?´", meint Kaube, "bekommt man auf diese Weise ähnlich durchdachte Antworten wie auf die Frage 'Was ist Bier eigentlich?'"
Würden die "Pegida-Deppen" A.J. Jacobs´ Stammbaumbuch lesen, würden sie zugeben müssen, wie eng sie mit denen verwandt sind, von denen sie sich bedroht fühlen. Und es hätte dann doch noch sein Gutes, wenn wir tatsächlich 80.000 Verwandte haben. Herr Zuckerberg, bitte schnell, einmal Daumen Hoch für A.J. Jacobs´ "Global Family Reunion!"
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