Aus den Feuilletons

Wortkünstler mit Ball

04:10 Minuten
Der Fußballer Lothar Matthäus auf einem Fußballplatz beim Schuss
Ballkünstler Lothar Matthäus konnte auch mit lustigen Sprüchen unterhalten. Die "SZ" zitiert ihn: "Das Chancenplus war ausgeglichen." © dpa / picture alliance / Frank Kleefeldt
Von Ulrike Timm · 19.02.2021
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An Wortkunst und Fußball erinnert die "SZ" und empfiehlt, Fußballern auch zuzuhören. Hamburgs Legende Uwe Seeler wird ebenso zitiert wie die Weltmeisterkollegen Lothar Matthäus und Andi Brehme, der wusste: "Da ist schon lange Schnee drüber gewachsen."
Wir haben heute von allem was: Kunst und Geld. Kunst und Fußball. Und Tatort.
Tja. Wobei sich das "Tja" auf eine Überschrift in der Süddeutschen Zeitung bezieht, die vom zweiten 'Wonder Woman' Film viel mehr erwartet hätte, als sie dann bekam. Doch der Reihe nach.

Große und kleine Eurobeträge für die Kunst

Die SZ zitiert eine Studie, die den Corona-Schaden für die Kultur- und Kulturwirtschaft Deutschlands in Zahlen zu fassen versucht: minus 30 Milliarden Euro. Wobei unterschiedliche Szenarien die Milliarden leicht nach oben oder unten schieben.
Nach den ganz großen Zahlen gleich die ganz kleinen:
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG widmet sich den Lebensumständen bildender Künstler. "Da ohnehin nur ein Bruchteil der 'staatlich ausgebildeten' Jungkünstler in große, überlebenssichernde Galerien gelangt, gründen immer mehr von ihnen Plattformen im Netz, über die ebenfalls Kunst verkauft wird." Die Rentenerwartung nach heutigem Stand schmettert Stefan Trinks gleich hinterher – sie liege zum Beispiel in Berlin "im Durchschnitt bei 357 Euro." Die FAZ meint: "In der Pandemie bekommen Künstler viel Mitgefühl. Dabei ist die Entscheidung für diesen Beruf schon in Normalzeiten schwer genug."

Unvergessene Wortkünstler

Wortkunst und Fußball? "Ich sach ma", titelt die SZ in bester Hansi-Flick-Manier. Soll man Fußballstars eigentlich zuhören, wenn sie nicht mit den Füßen sprechen, sondern mit dem Mund? Unbedingt, meint Holger Gertz, und hat Bemerkenswertes auf Lager. "Der Meteorologe Andi Brehme: 'Da ist schon lange Schnee drüber gewachsen.' Der Statiker Uwe Seeler: 'Wir stehen mit dem Rücken nicht mehr an der Wand, sondern in der Wand.' Der Mathematiker Lothar Matthäus: 'Das Chancenplus war ausgeglichen.'" Sie merken: alles schon eine gute Weile her.
Heutiges ist weit weniger ruhmreich. Als seine in Coronazeiten privilegierten Profi-Kicker mal wieder alles gewonnen hatten, während die Amateurvereine darüber nachdenken, den Laden dichtzumachen, jammerte Bayerns "Fastwelttrainer Flick" über sein schweres Los in der Pandemie und meinte, so langsam könne man die "sogenannten Experten gar nimmer hören."
Der SPD-Gesundheitsexperte und Epidemiologe Lauterbach hatte es gewagt, die Reise zur Klub-WM nach Katar zu kritisieren. Und kassierte dafür Morddrohungen. Inzwischen haben sich Lauterbach und der Bayern-Trainer ausgesprochen. Aber von Fußballern wünscht man sich wirklich wieder mehr Meteorologisches, Statisches oder Mathematisches. Das waren vergnüglichere Zeiten.
Wir haben aber noch Lob zu vermelden, viel Lob.

Einhelliges "Tatort-Lob"

SZ, TAZ, NZZ und Tagesspiegel, sie alle loben den neuen Dortmunder Tatort, der am Sonntag ausgestrahlt wird. Ein Krimi "über Rassismus ohne Banalitäten und Belehrungen" – die TAZ. Der die "aktuelle Kritik an der Polizei aufgreift" – der TAGESSPIEGEL. Und die NZZ schwingt sich gänzlich zur raumgreifenden Eloge auf:
"Wie Cybermobbing und Hetzjagden im Netz sich verselbstständigen, wie die Menschen sich ihre eigene Wahrheit bis hin zur Verschwörungstheorie basteln, wenn sie nicht mehr in direktem Kontakt stehen, das wird hier in rasantem Tempo gezeigt: Was auf der Straße passiert, wird milieuübergreifend mit dem Handy aufgenommen, sofort ins Netz gestellt und weiterverbreitet, so entstehen Fake News und falsche Anschuldigungen".
Uff. Und all das ohne Belehrungen, frohlockfrohlock!
Die Story müssen Sie selber gucken. Nur noch so viel: die grandiose Stefanie Reinsperger und der bittersüß-melancholische Tatortphilosoph Jörg Hartmann spielen mit, und der klaut sich einen Satz von Mark Twain bzw. das Drehbuch hat ihn ihm in den Mund gelegt: "Eine Lüge ist dreimal um die Welt gelaufen, ehe sich die Wahrheit die Schuhe anzieht."
Dieses Rennen ist im Internet-Zeitalter nicht unbedingt ausgeglichener geworden.
Tja.
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