Aus den Feuilletons

Woher kam der Judenhass?

Von Adelheid Wedel |
Die "Berliner Zeitung" berichtet über Debatten auf der Leipziger Buchmesse zum Verhältnis von Politik und Literatur in Osteuropa. Und die "Welt" befasst sich mit einer neuen These zur Entstehung von Hitlers pathologischem Judenhass.
"Die postmoderne Diktatur Weißrusslands brauche zunächst mal eine Mentalitätsrevolution",verkündete der Kunstaktivist Artur Klinau auf dem Forum Ostsüdost während der Leipziger Buchmesse. Darüber berichtet Sabine Vogel in der BERLINER ZEITUNG. Das Verhältnis von Politik und Literatur in der Ukraine, in Polen und Belarus wurde auf diesem Forum von verschiedenen Prominenten erörtert. So sprach der ukrainische Schriftsteller Juri Andruchowitsch über seine Erfahrungen mit Rechtsgesinnten auf dem Maidan. Auch erzählte er, wie es ihn rührte,"dass die Leipziger Nikolaikirche eine ukrainische Fahne aufgehängt hatte". Der russisch schreibende Autor aus Kiew, Andrej Kurkow , wiederum betonte, "dass nicht die zwei Sprachen die Ukraine trennten". Er selbst wendet sich gegen die "Schutzmaßnahmen" durch Präsident Putin. "Kunst und Kultur habe die große Aufgabe, die Bürger an freies Denken heranzuführen",war das unausgesprochene Credo der Veranstaltung.
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG macht sich Nils Minkmar aus gegebenem Anlass Gedanken über das Risiko, dem vor allem die Reichen ausgesetzt sind. "Wenn sie vom Weg abkommen, gibt es niemand, der sie aufhält",klagt er. Der Druck von Menschen, auf die man angewiesen ist – Eltern, Mitbewohner, Kollegen, Nachbarn – "ist ein Mittel zur Wahrheitsfindung und eröffnet im besten Fall den Weg zurück zu einer Wiedergewinnung der Selbstkontrolle".Aber im Fall von sehr Prominenten gibt es oft kein Umfeld mehr, das so eine Kontrolle oder auch nur Einflussnahme hinbekäme, "zum einen, weil die Entourage sehr prominenter Menschen den großen Mann oder die göttliche Frau von früh bis spät mit Lob und Wohlgefallen einlullt, zum anderen weil sie von Eskapaden und mangelnder Selbstkontrolle profitieren".
Das Problem, schreibt Minkmar, betrifft alle vermögenden Menschen, besonders kritisch aber ist es im Sport und in den Künsten. Und nun zum unvermeidlichen Fall dieser Tage: "Geld, Ruhm, sportliche Erfolge – im Fall Hoeneß sind all diese soziokulturellen Enthemmer gegeben und potenzieren sich in ihrer Wirkung. Das Ende ist traurig",berichtet die FAZ, "abermals geht eine väterliche Figur, der die Leute Vertrauen schenkten, von der Bühne".
In der Tageszeitung DIE WELT fragt Sven Felix Kellerhoff: Hasste Hitler den Westen stärker und früher als die Juden? Sein Ausgangspunkt: "Generationen von Historikern haben sich gefragt, woher der pathologische Judenwahn Adolf Hitlers kam, ohne den der Holocaust nicht denkbar wäre." Eine These des Cambridge-Professors Brendan Simms könnte jetzt einen neuen Historikerstreit auslösen. Simms überlegt, "ob nicht die Feindschaft zum kapitalistischen Westen, gegenüber Großbritannien und den USA mit ihrem liberalen, schon im Ersten Weltkrieg weitgehend demokratischen System, die Ursache für Hitlers Rassenhass gewesen sein könnte".Hitler sei ein Feind der Juden geworden, bevor er eingestandenermaßen ein Feind des russischen Bolschewismus war. Und er wurde ein Gegner der Briten und ihrer amerikanischen Verwandten, bevor er ein Feind der Judenwurde. "Das ist nicht mehr und nicht weniger als eine komplette Umbewertung der bisherigen Forschung", meint Kellerhoff.
Othmar Plöckinger, Mitglied im Editionsteam des Instituts für Zeitgeschichte, das Hitlers "Mein Kampf" gegenwärtig wissenschaftlich aufbereitet, kam jüngst zum entgegengesetzten Ergebnis. "Der Antibolschewismus sei nicht die Ursache, sondern die Folge von Hitlers Judenhass gewesen."Das Resumée: "Ob sich Simms Forschungsergebnisse und Hypothesen nun teilweise oder ganz bestätigen, sei nicht entscheidend. Sie werden grundlegend und bahnbrechend die Art und Weise verändern, wie wir über Hitler denken."
Mit dem Satz "Wer Rom liebt, muss nach Trier fahren!" wirbt die FAZ für die neue große Ausstellung im Rheinischen Landesmuseum unter dem Titel "Stadtleben im römischen Deutschland – Ein Traum von Rom".Bis zum 28. September breitet das Museum seine Schätze aus und mahnt: "Wir träumen von Rom - und übersehen Trier."