Aus den Feuilletons

Willkommen im Trollzeitalter

Eine Troll-Skulptur in San Diego zeigt US-Präsident Donald Trump. PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY - ZUMAga3_ 20171011_zap_ga3_001 Copyright: xJohnxGastaldox
Trump als Troll. Die echten Trolle kann man mit Brei besänftigen - die in den sozialen Medien nicht. © imago stock&people
Von Ulrike Timm · 26.06.2018
Mit Trollen, dem "Umweltproblem Mensch" und Kulissenmalern beschäftigen sich die Feuilletons der "NZZ", "SZ" und der "Welt": Gegen Erstere lässt sich wenig machen, gegen zu viele Menschen auf der Erde hingegen schon, meinen die sogenannten Antinatalisten.
"Wir leben im Zeitalter des Trolls" meint die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) – und meint natürlich nicht die verschroben-verstrubbelten skandinavischen Biesterkobolde, die ordentlich pieksen, aber mit einer Portion Grütze meist ganz gut zu besänftigen sind. Sondern die hyperfiesen Netzgeister.
"Der Troll schaltet sich mit fast automatischer Schicksalhaftigkeit in jeden unserer Diskurse ein. Es ist wirklich so: für jede Unsäglichkeit findet sich jemand, der sie sagt. Der Troll bezieht seinen Kitzel daraus, das im Moment Übelste zu twittern, was natürlich zugleich bedeutet, dass das neue Übelste immer erst noch erfunden werden muss – daher kann einem bei richtig gutem Trolling auch ein Gefühl mathematischer Erhabenheit ergreifen: von allen schrecklichen Antworten hat er die schrecklichste gefunden."

Zu Kristall geronnene Wut

Alles komprimiert der Troll in 280 Zeichen, "Jedes Wort ist zu Kristall gewordene Wut", meint die NZZ, die das Trollige wunderbar analysiert, aber für Troll-Opfer auch nur den Trost hat, dass das eben heute so ist. Immerhin hat sich die Überschriften-Redaktion ordentlich ins Zeug gelegt: "Der Mensch erscheint im Trollozän", darunter lauter Emoticons, von denen eines den dezidierten Miesepeter gibt.
Wir schalten um, vom Trollozän aufs Anthropozän und von der NZZ zur SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Die untersucht ja seit einiger Zeit in loser Folge das Menschenzeitalter, das Anthropozän. Und: "Das größte Umweltproblem ist der Mensch", das haut uns schon die Titelkzeile um die Ohren. Und es stimmt ja, wir sind zu viele – "137 Millionen Menschen kommen weltweit jährlich dazu, es sterben aber im selben Zeitraum nur rund 58 Millionen", hat jemand ausgerechnet, wir beuten die Ressourcen aus und die sind endlich.

"Mehret euch nicht!"

Deshalb fordern die Antinatalisten das Ende der Fortpflanzung, ganz im Ernst, und frei nach dem Motto: "Ihr seid furchtbar, also mehret euch nicht!" Der Vordenker der Bewegung ist Theophile de Giraud. Autor Alex Rühle hat ihn beim Bier getroffen, offenbar halb faszinierend und halb gruselig gefunden, uns in der SÜDDEUTSCHEN eben die Antinatalisten vorgestellt und errechnet, dass während seines drei Stunden Gesprächs mit dem Ober-Antinatalisten weltweit 27000 Menschen dazu gekommen sind.
Das macht nicht wirklich Mut. Musikmachen macht dagegen fast immer Mut.
"Ist wie Häuserbauen", sagt Wesley Pentz alias Diplo über "Popmusik im Schnipselsturm der Digitalisierung". Er hat Weltkarriere gemacht als DJ mit dem kongenialen Zusammenfügen von allerlei Musiksplittern – Musikmachen bedeutet eben manchmal wirklich so Steinchen auf Steinchen setzen wie Häuserbauen. Und auch wenn der DJ wegen seiner 300 Flüge im Jahr sehr müde ist, sieht er aus, als könnten seine Hände wirklich jederzeit loslegen. Und neue Musik bauen.

Die Oper lässt gerne von berühmten Künstlern malen

"Die Oper ist der hyperkomplexe, besonders teure, absolut realitätsferne Traum vom Gesamtkunstwerk." Da reicht dann der Schnipselsturm der Digitalisierung wohl doch nicht ganz aus. Wir sind in der WELT gelandet. Immer wieder lässt sich die Oper ihre Kulissen von berühmten Künstlern bemalen, und die Kulissenkunst und die Klangkunst stehen da oft nicht recht konform – so beschreibt Manuel Brug also die "Geschichte einer schwierigen Beziehung".
"Jörg Immendorf, Georg Baselitz, Werner Tübke, Markus Lüpertz, Daniel Richter, sie alle blieben doch bei ihren Opernausflügen … sehr eindimensional den Leinwänden verhaftet. Die Sensation war meist der Name, nicht so sehr das Ergebnis." Und oft malten die Künstler nicht mal selbst!
In Bayreuth soll es diesmal anders sein. Neo Rauch und Rosa Loy haben "dem Vernehmen nach wirklich eine ganz eigene, eigensinnige, komplette wie komplexe Bühnenwelt erfunden und in den Malersälen selbst gepinselt. Jawohl: eigenhändig." Ist noch ein bisschen hin, bis wir erfahren können, was es denn dieses Jahr bei Wagners zu gucken und zu hören gibt, aber vielleicht handelt es sich ja dank der beiden Künstler wirklich um "Lautmalerei".
Mehr zum Thema