Aus den Feuilletons

Wie sinnvoll ist eine Rückgabe der Echos?

Die Pianistin Yaara Tal
Die Pianistin Yaara Tal © Gustav Eckart
Von Arno Orzessek  · 18.04.2018
Zahlreiche Künstler haben angekündigt, ihre Echos zurückgeben zu wollen. Sie reagieren damit auf die Auszeichnung für Kollegah und Farid Bang. In der "Süddeutschen Zeitung" begründet die Preisträgerin Yaara Tal, warum sie das für sinnlos hält.
Sie spüren es zwar selbst auf Ihrer Haut, liebe Hörer ... Aber weil es so angenehm ist, lassen Sie es sich bitte auch von der TAGESZEITUNG gesagt sein: "Der Frühling ist da! Alle sind glücklich, flanieren, grüßen sich, trinken abends draußen noch was." Natürlich hat die Freude einen Haken. Denn einfach nur so dem guten Wetter und der guten Laune huldigen, das wäre nicht TAZ-like.
Tatsächlich zelebriert Jürn Kruse nach der sonnigen Einleitung seinen Hass auf den Sand, den seine Kinder jetzt immer von draußen mitbringen und bis in jede Ecke der Wohnung tragen. Weil uns Kruses Sandprobleme allerdings wumpe sind, wenden wir uns übergangslos dem Eklat rund um die Echo-Auszeichnung der deutschen Rapper Kollegah und Farid Bang zu.

Yaara Tal hält nichts davon, ihre Echos zurückzugeben

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG erklärt unseres Wissens nicht zum ersten Mal, was es mit der Stilrichtung "Gangsta- oder Battle-Rap" auf sich hat. Auf die Gefahr hin, dass die Kundigen jetzt gähnen, hier die zentrale Passage:
"Der Battle-Rap ist die Spielart des Hip-Hop, bei der sich die Protagonisten einerseits auf extreme - und durchaus auch immer wieder selbstironische - Weise feiern und andererseits ihre Gegner auf übelstmögliche Weie herabwürdigen. Gerne - und hier dann oft erstaunlich bierernst - garniert mit Frauenverachtung, Homophobie und Gewaltverherrlichung oder eben Antisemitismus. Ein Kampf mit Worten, je schmutziger, härter und krasser, umso besser."
So der SZ-Autor Jens-Christian Rabe in einem Aufklärungskasten. In dem Interview auf derselben Seite erläutert die Pianistin und fünffache Echo-Preisträgerin Yaara Tal, die Tochter von Holocaust-Überlebenden, warum sie ihre Echos nicht zurückgibt.
"Wäre ich [bei der Ehrung von Kollegah und Farid Bang] im Saal gewesen, hätte ich meine Preise auf die Bühne gepfeffert und gesagt: Die Firma dankt! So war es aber nicht. Wenn ich jetzt die Echos aus Protest zurückgebe, dann ist das wohlfeil. Die Agenturen haben sie als Gütesiegel benutzt, die Veranstalter Konzerte damit beworben. Sie nun husch, husch zurückzugeben, ist heuchlerisch."
So Yaara Tal, die das "künstlerische Ausdrucksbedürfnis" der beiden Rapper anerkennt, deren Songtext aber trotzdem verboten findet: "Es gibt für mich eine Grenze dort, wo das Leid von Menschen verhöhnt wird. Der Holocaust ist das konzentrierteste Symbol für das, was Menschen anderen Menschen antun können. Diese Grenze will ich in keinem Land auf der Welt verletzt oder überschritten sehen. Punkt."

Greta Gerwig: "Ein Mann ist niemals die Antwort"

Unterdessen erklärt Kulturstaatsministerin Monika Grütters im Berliner TAGESSPIEGEL, warum in Berlin in puncto Kultur und speziell bei Personalentscheidungen immer alles so kompliziert ist - siehe Volksbühne, siehe Humboldt Forum, siehe Berlinale:
"Berlin hat einen sehr politischen Kulturbetrieb, was ich erst einmal gut finde [erklärt Grütters]. Aber das bedeutet auch, dass immer viele mitreden. Und die Menschen in der Kultur sind sehr selbstbewusst und sensibel. Politiker stecken in einem Dilemma: Sie müssen einerseits mutig und entscheidungsfreudig sein, gleichzeitig aber Fürsorge tragen für die Institutionen und für die Leitungspersönlichkeiten."
Die Tageszeitung DIE WELT führt ein Interview mit Greta Gerwig, die als eine von nicht mehr als fünf Frauen in fast einhundert Jahren für einen Regie-Oscar normiert wurde. Für die WELT ist Gerwigs Film "Lady Bird" der "wohl erste feministische Teenager-Film" - Gerwig selbst formuliert es etwas anders:
"Also, ich wollte schon zeigen, wie romantisch und aufregend diese ersten Beziehungen sein können, aber es soll keine Welt sein, in der ein Mann die Antwort ist. Weil ein Mann niemals die Antwort ist."
Die ganze Wahrheit sehr hübsch ausgedrückt - von Greta Gerwig in der WELT. Am Ende müssen wir zweierlei zugeben: Erstens liegt uns das Feuilleton der Wochenzeitung DIE ZEIT wegen einer Panne nicht vor. Zweitens fasziniert uns der Rest, abzüglich weniger Höhepunkte, heute auch nicht so richtig. Unser Gesamteindruck lässt sich mit einer SZ-Überschrift formulieren. Sie lautet: "Ohne Schärfe."
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