Aus den Feuilletons

Wie der Staatsschutz Max Frisch beschattete

Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch.
Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch. © picture alliance / dpa / Undatierte Aufnahme
Von Adelheid Wedel · 09.10.2015
Der Text "Ignoranz als Staatsschutz?", geschrieben von Max Frisch, ist nach einem Vierteljahrhundert wieder aufgetaucht. Es geht darum, wie der Schweizer Staatsschutz den Schriftsteller sein halbes Leben lang beschattete. Max Frischs ironischer Umgang damit ist eines der Themen in den Feuilletons.
Unter Lebensgefahr begibt sich die Publizistin Samar Yazbek drei Mal in den syrischen Untergrund. Sie reist heimlich in die von Rebellen gehaltenen Gebiete. Sie will Teil einer demokratischen Revolution sein, deren Strukturen mittlerweile in der Zangenbewegung zwischen dem Regime des syrischen Diktators Assad und den aufkommenden Islamisten drohen zerrieben zu werden schreibt die Tageszeitung TAZ, in der ein Interview mit der Schriftstellerin zu lesen ist. Ihr noch druckfrisches Buch "Die gestohlene Revolution. Reise in mein zerstörtes Syrien" wird in der Zeitung von Andreas Fanizadeh als eindrückliches Dokument beschrieben, das dem Freiheitskampf und dem Freiheitswillen der Menschen in Syrien gewidmet ist. Ein großer Reisebericht, so urteilt der Rezensent, der auch detailliert beschreibt, wie das Zaudern des Westens im Zusammenspiel mit Assads Terror den Islamisten in die Hände spielt. Die 1970 geborene Samar Yazbek lebt heute im Exil in Paris.
Das halbe syrische Volk ist nicht mehr da
Ihre deutliche Kritik heißt: Das Assad-Regime setzt alles daran, den national-demokratischen Aufstand in eine ethnische und religiöse Auseinandersetzung zu verwandeln. Und sie meint, die Flüchtlingskrise, die inzwischen Deutschland erreicht hat, sei eine Konsequenz des Schweigens der Welt gegenüber Assads Verbrechen. Konsequent fordert sie deswegen: Man sollte nichts unversucht lassen, um das Töten in Syrien zu beenden. Das halbe syrische Volk ist nicht mehr da, aber der Diktator ist es noch.
In der Tageszeitung DIE WELT geht Wolf Lepenies auf eine Klage des Kameruner Filmemachers Jean-Pierre Bekolo ein. Bekolo gehört zu den Intellektuellen Afrikas, schreibt Lepenies, und gehört zu jenen, die für die Fehlentwicklung des Kontinents nicht nur den Kolonialismus, sondern auch das Versagen heimischer Eliten verantwortlich machen. Jetzt übt er Kritik an Deutschland. Warum, fragt Bekolo, gibt man den Syrern, was man den Afrikanern verweigert hat? Die Syrer sind den Europäern weniger fremd als die Afrikaner, vermutet er.Oder, fragt er weiter, steckt dahinter Opportunismus, der sich vom Zustrom arbeitsfähiger junger Männer die Lösung demografischer Probleme und den Aufbau einer Reservearmee billiger Arbeitskräfte erhofft? Lepenies kommentiert: Deutsche und EU-Politiker haben in der Tat auf die Massenflucht der afrikanischen Boat People mit weniger Empathie reagiert als auf die Ankunft der syrischen Flüchtlinge. Dass abr die deutsche Bevölkerung die Flüchtlinge nach Hautfarbe diskriminiere, lässt sich bis jetzt nicht behaupten. Erkennbar aber sei die Entwicklung: Man wollte lange Zeit keine Einwanderer – und hat nun dafür Flüchtlinge bekommen.
Die Erich-Fried-Tage in Wien
In der TAZ informiert Wolfgang Gast über eine Episode aus Max Frischs Leben. Kurz vor seinem Tod erhielt der Schriftsteller Einblick in Karteikarten, die der Schweizer Staatsschutz über ihn angelegt hatte: 13 eng beschriebene Seiten. Frisch schnippelte die Zeilen auseinander und kommentierte, was er las. So entstand der Text "Ignoranz als Staatsschutz?", der jetzt nach einem Vierteljahrhundert wieder auftauchte und von den Herausgebern Gugerli und Mangold bei Suhrkamp veröffentlicht wurde. Gast empört sich: Die Aufzeichnungen dokumentieren fein säuberlich, wie Frisch über 40 Jahre lang überwacht worden war. Skandalös. Frisch wusste sich zu wehren und hatte offenbar Spaß daran. Wo die Angaben in seiner Akte geschwärzt waren, schrieb er unerschütterlich dazu: "Stimmt".
Von einem Fest der Literatur berichtet die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG und meint damit die Erich-Fried-Tage, die kürzlich in Wien stattfanden. Das hochkarätig besetzte Treffen stand unter dem Motto "Facts and Fiction. Literarische Reportagen". Den Höhepunkt des Festes bildete die Verleihung des 15.000 Euro schweren Erich-Fried-Preises an die junge Schweizer Autorin Dorothee Elmiger. Vom Juror Reto Hänny wurde sie für ihr Vermögen gelobt, die brennenden Zeitfragen in eine poetische Prosa umzusetzen, die einen in der literarischen Welt neuen, unerhörten Klang anschlägt.
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