Aus den Feuilletons

"Wer nicht schreibt, bleibt dumm"

Eine Schülerin der Klasse 3a der Regenbogenschule in Fahrland, einem Ortsteil von Potsdam (Brandenburg), schreibt in der Unterrichtsstunde Worte mit h.
Wie wichtig ist das Schreiben mit der Hand für die Lernleistung? © dpa / picture alliance
Von Gregor Sander · 01.06.2017
Um das Schreiben mit der Hand steht es in Deutschland schlecht, meint die Lehrerin und Buchautorin Maria-Anna Schulze Brüning. Der Sprachwissenschaftler Wolfgang Krischke erklärt in der "FAZ", warum das eine Gefahr sein könnte.
"Wer nicht schreibt, bleibt dumm",
das behauptet Maria-Anna Schulze Brüning, seit 25 Jahren Gesamtschullehrerin und ihr Co-Autor Stephan Clauss schon im Titel ihres bei Piper erschienen Sachbuchs. Gemeint ist dabei das Schreiben mit der Hand, um das es wohl schlecht in Deutschland steht.
"Vor zwei Jahren ergab eine Untersuchung des Deutschen Lehrerverbandes, dass über die Hälfte der Jungen und fast ein Drittel der Mädchen an weiterführenden Schulen Probleme mit der Handschrift hatten",
erklärt Wolfgang Krischke in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG und stellt fest:
"Psychologische Studien und die alltägliche Erfahrung zeigen, dass Handgeschriebenes besser im Gedächtnis haftet, das Durchdenken von Gehörtem und Gelesenem stärker fördert als die Eingabe am Computer."
Doch der digitale Überfluss der heutigen Schülergeneration wird von dem Autorenteam gar nicht für das Erlahmen der Schreibhand verantwortlich gemacht:
"Die entscheidenden Ursachen – so die zentrale Aussage des Buchs – liegen in einem Schreibunterricht, der von pädagogischen Illusionen, didaktischen Fehleinschätzungen und bildungspolitischen Ideologien geprägt ist."

"So blieb er zeitlebens ein pessimistisch raunender Poet"

Als Wolf Wondratschek sein Abitur am Karlsruher Goethe Gymnasium machte, war das vermutlich noch anders. Alle seine Aufsätze waren natürlich handgeschrieben, aber trotzdem nicht zu verstehen, wie Wondratschek in einer Rede an seiner alten Penne feststellt, die die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG abdruckt:
"'Mit schulischen Maßstäben nicht zu erfassen!' stand da nur. Ich fand das in Ordnung. Bis zum Abitur blieb es dabei. Keiner meiner Deutschaufsätze wurde benotet. Ich empfand das als Auszeichnung. Wie die Ohrfeige, die mir mein Vater verpasste, als er mich auf dem Bett liegend antraf und wissen wollte, was ich tue – und ich ihm sagte: das siehst du doch, ich arbeite."
Auch der am Donnerstag gestorben Dramatiker Tankred Dorst war kein Freund der Tastatur, wie Peter von Becker im Berliner TAGESSPIEGEL erzählt:
"Beim Schreiben, das immer zuerst von Hand geschah, geriet in seiner energisch weichen, fast musikalisch geschwungenen Schrift selbst das Katastrophische noch ins Schweben, war ein Höllensturz noch ein Himmelsflug, nur eben abwärts, weil alle große Dichtung ihren Grund im Abgründigen hat."
Dorst, der mit Theaterstücken wie "Merlin oder Das wüste Land" oder "Toller" auch internationale Anerkennung fand, wird von Reinhard Wengierek in der Tageszeitung DIE WELT mit diesen Worten betrauert:
"Dieser Mann glaubte sein ganzes Dichterdasein lang nicht an grundsätzliches Menschenumkrempeln; schon, weil es für ihn den 'Menschen im Allgemeinen' überhaupt nicht gab. Weltverbesserung hielt er für eine – vergebliche – Sache von Ideologen. Und so blieb er zeitlebens ein pessimistisch raunender, ein vielleicht gerade deshalb heiterer, bei all seinen fantasievollen Höhenflügen gutgeerdeter Poet."

"Ein neues Buch muss auch gut riechen"

Ob Donna Leon mit der Hand schreibt, war durch eine kurze Internetrecherche nicht herauszubekommen. Elmar Krekeler stellt allerdings auch in Frage, ob die Amerikanerin überhaupt noch Krimis schreibt. Über den 27. Fall des Commissario Brunetti mit dem Titel "Stille Wasser" schreibt er in der WELT:
"Eine entspannte Melancholie liegt wie eine schützende Haube über Brunetti und überhaupt über diesem Buch. Man sollte es vielleicht nicht Krimi nennen, was man da liest. Es ist eine kontemplative Erzählung über die Bienen und wie sie uns vorwegsterben, weil sie sensibler sind als wir."
Früher war mehr Verbrechen, denkt man da. Und da dieser Blick in die Feuilletons doch sehr literaturlastig geraten ist, beschließen wir ihn auch noch mit dem selbsternannten Büchernarr Alain Claude Sulzer, der in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG fordert:
"Ein neues Buch muss nicht nur frisch aussehen, es soll auch nach der neuesten Mode gekleidet sein und gut riechen."
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