Aus den Feuilletons

Wer knackte das Fremdgang-Portal?

Der Schatten einer Frau und eines Mannes, die sich küssen, sind an eine Wand geworfen.
40 Millionen Nutzer des Internet-Portals befürchten, dass ihre Namen veröffentlicht werden. © dpa / picture alliance / Jan-Philipp Strobel
Von Paul Stänner  · 19.08.2015
Nicht nur der US-Wahlkampf, auch der Nordkorea-Auftritt der Band Laibach beschäftigt die Tageszeitungen. Wir fragen uns dagegen, wer wohl das Seitensprung-Portal "Ashley Madison" geknackt hat. Vielleicht hat es was damit zu tun, dass ausgerechnet die Rubrik, in der ältere Frauen junge Männer suchen, nicht gehackt wurde?
Die erschütterndste Meldung der Feuilletons vom Donnerstag ist die von der Ermordung des Khaled al-Asaad, des früheren Chef-Archäologen der Weltkulturerbe-Stätte Palmyra, durch die Schlächtern des IS. Was für ein hirnloser Sauhaufen!
Und bei uns? Wir sehen fast täglich, wie schlichte Denker vor Flüchtlingslagern Verbal-Terror ausüben. Daher erinnert Dirk Pilz in der BERLINER ZEITUNG an den 30 Jahre alten Roman "Die Abendröte im Westen" von Cormac McCarthy. Pilz schildert den Protagonisten – Mutter tot, Vater eine Zumutung, wie es heißt – und zitiert: "ein Hang zu sinnloser Gewalt brütet bereits in ihm. Alle Geschichte ist auf diesem Gesicht gegenwärtig". Der Junge schließt sich einer Bande an, die Indianer tötet – es geht um Gewalt und das Gefühl, sich darüber zu definieren, dass man Feinde hat.
Jetzt Pilz: "Diesen Roman im Sommer 2015 zu lesen, ist von schockartiger Wucht. Wie „gemeinsame Feinde" aus Vorurteilen und diffusen Ängsten zurechtgezimmert werden, ist derzeit täglich zu erleben: Es sind in Deutschland heute "die Flüchtlinge", sie werden bereits sprachlich zu Objekten heruntergehandelt" – man lese, sagt er, diesen Roman als eine "dunkle Prophezeiung".
Hacker knacken Seitensprung-Portal
In der SÜDDEUTSCHEN schreibt Peter Richter über den Rechtsprofessor Lawrence Lessig, immerhin von der Harvard-Universität. Der will Präsident werden mit nur einem Thema: Lessig will das amerikanische Wahlsystem demokratisieren. Ist das erledigt, will er das Amt an den Vizepräsidenten weiterreichen. Wahlen in den USA seien bestimmt vom "big money" und Richter betont: "nicht nur die Kritiker dieses Systems sind der Überzeugung, dass diejenigen, von denen dieses Geld ... stammt, ihren politischen Interessen so besonderen Nachdruck verleihen können. Dieser Überzeugung sind vor allem diese Großspender selber". Und deswegen können wir davon ausgehen, dass sich ein reicher, dumpfer Donald Trump diese Vorteile niemals von einem noch so brillanten Jura-Prof aus der Hand nehmen lassen wird.
Wer Daten aus der Hand gibt, lebt gefährlich.
Knapp 40 Millionen Nutzer werden ihr leichtsinniges Verhalten überdenken müssen, denn Hacker haben das Seitensprung-Portal "Ashley Madison" geknackt und kennen Namen, Adressen, sexuelle Vorlieben. Sie wollen die Daten dieser - wie sie sagen - "betrügerischen Drecksäcke" veröffentlichen, sollte das Portal seine Angebote nicht schließen. Die FAZ kommentiert, die Hacker würden sich zwar moralisch gebärden, glaubt ihnen aber nicht. Sie wartet auf die Auswertung der Daten und hofft: "Wer weiß, vielleicht findet sich noch eine wirklich moralische Rechtfertigung."
Auch wir sind gespannt, zumal uns aufgefallen ist, dass einzig das "Ashely Madison"-Portal, in dem ältere Frauen junge Männer suchen, nicht bedroht wurde. Da wird ein Tatmuster sichtbar. Wir denken, Ermittler sollten sich die Profile von älteren weiblichen Hackern anzuschauen – falls es dergleichen gibt.
Was verbindet Josef Fritzl und Kim Jong Il?
In der WELT hat Slavoj Zizek der slowenischen Band Laibach eine "philosophische Einstimmung" mitgegeben für ihre Konzerte in Nordkorea. Er setzt die Trapp-Familie und ihren Hollywood-Film "The sound of music", den Familienvater Josef Fritzl, der mehr als zwanzig Jahre lang seine Tochter im Keller gefangen gehalten und vergewaltigt hat, das Wörterbuch der koreanischen Sprache und das seltsam androgyne Wesen Kim Jong Il miteinander in Verbindung auf eine Art, wie sie nur mithilfe der Psychoanalyse möglich ist.
Der Band jedenfalls wünscht Zizek (warum eigentlich?) alles Gute – Zitat: "wenn sie für die große glückliche Familie unter Führung einer sorgenden Frau Fritzl auftreten". Die angeblich sorgende Mutter Kim Jong Il ist da bereits von Zizek in einer wirbelnder Gedankenkaskade als vergewaltigender Vater entlarvt. So etwas hatten wir schon geahnt – wenn auch nicht in diesem rasanten Durcheinander.
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