Aus den Feuilletons

Wenn Unfehlbarkeit zur Last wird

04:21 Minuten
Papst Franziskus hält eine Monstranz in die Höhe.
Mehr als 272.000 Getaufte sind im vergangenen Jahr alleine in Deutschland aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten. Eine Spätfolge des päpstlichen Unfehlbarkeitsdogmas, heißt es in der „SZ“. © Donatella Giagnori / Eidon
Von Klaus Pokatzky · 17.07.2020
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Dass der römisch-katholischen Kirche heute die Gläubigen davonlaufen, sei eine Spätfolge des Ersten Vatikanischen Konzils, heißt es in der „Süddeutschen Zeitung“. Vor 150 Jahren wurde dort das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes erlassen.
"Als Investigativreporterin versuche ich, den Stimmlosen eine Stimme zu geben", sagt Megan Twohey. "Es gibt einen großen Kulturwandel im Umgang mit sexueller Belästigung", meint im Interview mit dem SPIEGEL die Reporterin der "New York Times", die den Sexismus des Filmproduzenten Harvey Weinstein aufgedeckt hat – gemeinsam mit ihrer Kollegin Jodi Kantor.

Sorge um Frauen mit geringem Einkommen

"Menschen werden heute eher zur Verantwortung gezogen, das stimmt. Mit gewissen Verhaltensweisen kommt man nicht mehr durch, darunter sind auch solche, die früher als völlig normal galten", zieht Jodi Kantor im Doppelinterview eine Bilanz. "Ich weiß nicht, ob alle Unternehmen Strategien haben, um mit subtileren Verstößen umzugehen. Ich sorge mich vor allem um Frauen mit geringem Einkommen."
Und wenn zwei namhafte Investigativreporterinnen der "New York Times" interviewt werden, dann liegt die Frage des SPIEGEL nahe: "Präsident Donald Trump greift Ihre Zeitung seit Jahren an und behauptet, Sie würden nicht die Wahrheit schreiben. Hat das keinen Einfluss auf Sie?"
Antwort von Megan Twohey: "An unseren journalistischen Prinzipien der vergangenen Jahrzehnte hat Trump überhaupt nichts geändert." Und das bleibt hoffentlich so.

Wissenschaftsgroßmacht Amerika

"Die Vereinigten Staaten", steht in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, "zählten gestern mit mehr als siebzigtausend neu gemeldeten Covid-19-Positiven an einem einzigen Tag fast genauso viele Infizierte wie China insgesamt seit Ausbruch der Pandemie". Das erfahren wir über ein Land, dessen Präsident die "New York Times" eher nicht lesen dürfte – und sollte er es tun, sicherlich nicht glaubt, was darin steht.
"Für Donald Trump und seine Gefolgsleute ist das Virus zu tödlich, um es ganz ignorieren zu können, aber auch nicht tödlich genug, um es wirklich ernst nehmen zu wollen", schreibt Joachim Müller-Jung. "Die Art, wie sich die Wissenschaftsgroßmacht Amerika vor der Welt blamiert, macht nicht nur sprachlos. Sie wird in Europa auch als Symptom einer beklemmenden Ohnmacht wahrgenommen."
Dabei kann Glaube bekanntlich nur Berge versetzen und nicht auch Pandemien besiegen. Selbst von einem Präsidenten, der sich für unfehlbar hält, lässt sich Corona nichts vorschreiben.

Was Kim Jong-un und der Papst gemeinsam haben

Unfehlbar? "Vor 150 Jahren erließ das Erste Vatikanische Konzil das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes", erinnert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG an einen besonderen Geburtstag am 18. Juli. "Ein ähnliches Verständnis vom Amt des Oberhauptes kennt allenfalls die Verfassung von Nordkorea", zieht Rudolf Neumaier einen zeitgemäßen Vergleich – auch, wenn uns da noch eine ganze Reihe von Namen einfallen könnten.
"Wenn der römisch-katholischen Kirche heute die Gläubigen davonlaufen, sind das Spätfolgen von 1870. Mehr als 272.000 Getaufte sind im vergangenen Jahr ausgetreten." Und das nur in Deutschland.

Der Vorläufer von Twitter wird 150

"Die Postkarte feiert gerade 150. Geburtstag", gratuliert die FRANKFURTER ALLGEMEINE, wenn auch mit leichter Verspätung. "Vor 150 Jahren unterzeichnete der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck eine Verordnung zur ‚Einführung der Correspondenzkarte‘, die dann am 1. Juli 1870 in Kraft trat", schreibt Walter Hömberg – und zeigt damit, dass wir dem nun um seine Denkmale fürchtenden Eisernen Kanzler nicht nur Schlechtes verdanken:
"Der Impuls dazu kam von Heinrich Stephan, dem Generalpostdirektor des Norddeutschen Bundes. Dieser hatte fünf Jahre zuvor in einer Denkschrift kritisiert, dass ‚die jetzige Briefform für eine erhebliche Anzahl von Mitteilungen nicht die genügende Einfachheit und Kürze‘ erlaube."
Was der Mann heute wohl zum Twittern sagen würde?
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