Aus den Feuilletons

Wenn der Glaube an die Zukunft schwindet

04:20 Minuten
Erste internationale Klimaschutz Demonstration, Klimastreik, der Bewegung Fridays for Future, in Aachen, mit mehreren zehntausend Teilnehmern.
Zentausende protestieren bei der ersten internationalen Klimaschutz Demonstration der Bewegung "Fridays for Future" in Aachen. © imago images / Jochen Tack
Von Ulrike Timm · 21.06.2019
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Die Klimaaktivisten protestieren, weil sie Angst davor haben, dass es die Welt in ihrer jetzigen Form in Zukunft nicht mehr gibt. Warum man der drohenden Klimakatastrophe am besten mit Melancholie begegnet, schreibt die "Süddeutsche Zeitung".
Die Feuilletons geben sich auf, nun ja, etwas eigentümliche Weise sinnlich.
"Ich musste wohl dann mal kurz auf den Tisch scheißen" steht in der TAZ über einem Gespräch mit der Komikerin Carolin Kebekus, die ihre "gelegentlich etwas deutliche" beziehungsweise vulgäre Sprache so rechtfertigt: "Ich habe das Gefühl, dass mich die Leute deswegen ernst nehmen".

Die angesagte Schriftstellerin Rachel Kushner

"Ich wusste ziemlich früh, dass ich für reguläre Arbeit nicht tauge", das ist nicht der Grund fürs kurz mal auf den Tisch scheißen, das steht in der WELT und ist ein Satz der derzeit sehr angesagten Schriftstellerin Rachel Kushner. Deren neuester Roman "Ich bin ein Schicksal" sorgt gerade für viel Wirbel. Mit der WELT spricht Kushner nicht nur über dieses Buch, sondern auch über Bohemiens, Dostojewski und die Unordnung der Existenz. Also einmal rundum - eine kluge, ungewöhnliche Frau, die sich grundsätzlichen Fragen stellt, bei allzu grundsätzlichen jedoch mit bestimmter Fröhlichkeit abwinkt, Kostprobe: "Was die Erlösung betrifft, so fragen Sie mich das in fünf oder zehn Jahren noch mal!"
Vielleicht sind wir dann ja schon weg. Oder doch fast weg.

Ein Hoch auf die Melancholie

"Wir sind untröstlich", so besingt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG die Melancholie, die "einzig angemessene Reaktion auf die drohende Klimakatastrophe". Das meint jedenfalls der Autor Philipp Bovermann. Und beschwört wortgewaltig und ganzseitig die Hochzeiten der Melancholie als Geisteshaltung in Romantik und Barock, um dann doch in die Schlussvolte zu preschen und in unserer Zeit zu landen.
"Frühere Generationen gingen auf die Straße, weil sie an eine bessere Welt glaubten. Die heutigen Klimaaktivisten tun das, weil ihr Glaube an die Zukunft schwindet. Darin liegt ein vorpolitisches Element: der Wunsch, die Welt anzuhalten anstatt darüber zu diskutieren, ob wir im fünften, im vierten oder vielleicht, wenn wir den Gürtel besonders eng schnallen, nur im dritten Gang weiter auf den Abgrund zurasen werden."
Eine – melancholische – Hoffnung auf Erkenntnis: "Die Übersee – Avocado im Supermarkt verwandelt sich in ein Zeichen des Unheils, denn vermutlich war dort, wo sie gewachsen ist, einmal Regenwald. So verliert sie ihren Glanz, ihren Instagram-Warenfetisch. Es vergeht einem möglicherweise der Appetit."
Das Hoch auf die Melancholie steht in der SÜDDEUTSCHEN.

Der Geruch der Städte

Auch die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG wendet sich an unsere Sinne und spürt unter der Überschrift "Riechen, so weit das Auge reicht" der olfaktorischen Spur in unseren Städten nach. Diese einzufangen, hat allerdings seine Tücken. "Es gibt kaum etwas, das die Erinnerungen in einem solchen Maß hervorruft wie ein Geruch. Und es gibt wenig, das sich außerhalb der Parfumflacons so schwer einfangen lässt.
Bildschirme auf jeder Hauswand und in jeder Hosentasche, Kopfhörer sind auch greifbar, audiovisuell ist alles unter Kontrolle. Olfaktorisch aber geht die Entwicklung nur wenig über Räucherstäbchen hinaus." Eine norwegische Künstlerin will das ändern und hat bis heute 52 Profile internationaler Metropolen als Geruchslandschaft entwickelt, allein 22 Geruchsmuster zur "molekularen Kommunikation" will sie in einer Straße im Berliner Wedding dingfest und ins Reagenzglas gepackt haben. Bei den anschließenden Duftshows herrschte allerdings manchmal ziemlich dicke Luft. "Viele Sinne sind angesprochen, aber der Abgang ist etwas hart".

Meryl Streep wird 70

Zum Schluss noch was Handfestes. Gratulieren wir dem "letzten echten Filmstar", Meryl Streep nämlich, zum 70. Geburtstag. "Jede ihrer Rollen ist ein Meisterwerk, weil sich Pathos und Distanz darin die Waage halten", schwärmt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.
"Kann man sich das Kino ohne Meryl Streep überhaupt vorstellen?" Das hält der TAGESSPIEGEL für eine eher rhetorische Frage. "Der Präsident mag sie für ‚eine der meistüberschätzten Schauspielerinnen in Hollywood‘ halten. Aber man wird sich an Meryl Streep noch erinnern, wenn Donald Trump längst wieder vergessen ist."
Doch hoppla, bitte keinen Nachrufton, sie feiert doch Geburtstag. Und dreht hoffentlich noch ein paar Filme.
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