Wenn Bilder aufmucken

Ab Freitag sind wieder Kunstwerke im Mauritshuis in Den Hag zu bestaunen. Während Ingeborg Ruthe in der „Berliner Zeitung“ schwärmt, stört sich Kia Vahland in der „SZ“ an der pompösen Präsentation.
„Der vielleicht größte Standortvorteil der Art Basel war stets das Schweizer Bankgeheimnis“, stellt Tobias Timm in der Wochenzeitung DIE ZEIT fest und fügt hinzu: „Auf dieser Kunstmesse ließen sich in einer kunstverliebten Stadt mitten in Europa recht einfach unversteuerte Vermögen in wertvolle Kunstwerke umwandeln.“ Das sei nun vorbei. „Genau genommen müssen die großen Sammler nämlich nicht mehr hinfahren. Nicht nur, weil es inzwischen gerade für US-Amerikaner und Deutsche schwieriger geworden ist, in der Schweiz ein Schwarzgeldkonto zu unterhalten, sondern auch, weil viele Werke der besonders gefragten Künstler hier schon längst verkauft oder zumindest schon reserviert worden waren."
Die Sammler sehen die Bilder gar nicht mehr in Basel, sondern schon vorher in dicken Katalogen oder als verschickte Bilddatei per E-Mail. Sammler geben also, Schwarzgeld hin oder her, sechs- oder siebenstellige Summen aus ohne das Werk vorher betrachtet zu haben. Und so, stellt Timm in der ZEIT fest, funktioniere die Art Basel immer noch: „Die Galerie White Cube hatte ein Medizinkabinett von Damien Hirst aus dem Jahr 1992 für 6 Millionen Dollar verkauft, Thaddaeus Ropac die Holzskulptur Volk Ding Zero von Georg Baselitz für 2,3 Millionen Euro und David Zwirner eine putzige Delfinskulptur von Jeff Koons für 5 Millionen Dollar.“
Was Jeff Koons vom vielen Geld hält kann man ein paar Seiten weiter im ZEIT-Feuilleton lesen. „Die Außenwelt konzentriert sich nicht wirklich auf die Kunst und auf das, was an ihr wichtig ist. Statt darüber zu reden, was ein Balloon Dog kosten mag oder für welche Summe ein Jasper Johns verkauft wird, sollte man sich über Inhalte unterhalten.“
Und wie sich Jeff Koons das vorstellt, erklärt er so: „Es geht gar nicht ums Kaufen, sondern um Kommunikation, um ein Erlebnis. Ich bin glücklich, dass Leute den Austausch mit meinen Arbeiten genießen, dass sie Bedeutung in ihnen erblicken – ihre ökonomische Existenz kommt nur als sekundärer Aspekt ins Spiel.“
Um Kommunikation und Erlebnis geht es auch in Den Haag, wenn dort am Freitag das Mauritshuis wiedereröffnet wird: „Zwei Jahre lang blieb während der Um- und Erweiterungsarbeiten kaum ein Stein auf dem anderen. Die Straße und der See vorm Palais wurden unterbuddelt, unterirdisch mit einem benachbarten Art-Deco-Haus verbunden, wo ein modernes Foyer mit Liften, Kassen, Garderoben, Shop, Café entstand, dazu Bibliothek, Museumspädagogik, Vortragssäle. Und überall sanfte LED-Beleuchtung. Aus 3400 wurden 6400 Quadratmeter Fläche, und der Vorplatz bekam ein repräsentatives Entrée“, schwärmt Ingeborg Ruthe in der BERLINER ZEITUNG. Meisterwerke wie Vermeers „Mädchen mit dem Perlenohrring“ oder Rembrandts „Die Anatomiestunde des Dr. Nicolaes Tulp“ von 1632 sind im Mauritshuis nun wieder zu bewundern. Kia Vahland stört sich in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG allerdings an der pompösen Präsentation: "Edel möchte man sein, so royal, wie es diese Sammlung, zusammengetragen von William IV. und V., seit dem 18. Jahrhundert ist. Nur dass die Bilder aufmucken gegen ihre marineblauen Saalwärterinnen mit Perlenkette. Keine Epoche der Kunstgeschichte war lustvoll-dreckiger als das niederländische 17. Jahrhundert. Der Spitzname „Goldenes Zeitalter“ klingt ironisch angesichts dieser bräunlichen Erdenschwere.“
Und Andreas Kilb von der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG gibt zu bedenken: „Wenn sich der Ruhm des „Distelfinken“ und des „Mädchens mit dem Perlenohrring“ über die neuen digitalen Netzwerke erst einmal in alle Ecken der Welt verbreitet hat, werden weit mehr mit Smartphones bewaffnete Kunstfreunde nach Den Haag pilgern als die Viertelmillion Besucher, auf die Emilie Gordenker hofft. Dann wird man die Bilder von Fabritius und Vermeer nur mehr so betrachten können wie die „Nachtwache“ im Rijksmuseum oder die Mona Lisa im Louvre: aus der Ferne, in der Menge, hinter Glas. Für diese Art der Präsentation aber ist das Mauritshuis zu klein.“ Mit anderen Worten: Nach dem Umbau ist vor dem Umbau.