Aus den Feuilletons

Warum die "Trump 2020"-App die Demokratie torpediert

04:21 Minuten
Eine Fotografie zeigt ein Handy mit der offiziellen Wahlkampf-App von Donald Trump 2020.
Die "Trump-App" 2020 stellt den demokratischen Prozess in Frage, schreibt die "FAZ". © imago-images / Zuma Wire / AppStore
Von Hans von Trotha · 26.10.2020
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In der „FAZ“ beschreibt ein US-Professor wie die offizielle „Trump 2020“-App keineswegs nur die Wählerschaft mobilisieren soll. Sie werde dazu gebraucht, Wut zu erzeugen und den Konsens zu untergraben, dass Demokratie überhaupt notwendig sei.
In der SÜDDEUTSCHEN fragt sich Andrian Kreye, welcher Ort in der Popkulturgeschichte zu Donald Trump passt. Es ist: der Punk. Der Vergleich, so Kreye, "hinkt zwar und hat nichts mit Stil, Mode und Musik zu tun. Er erklärt aber, warum sich die Vernünftigen aller Länder mit dem Phänomen Trump so schwertun.
Donald Trump ist nicht trotz, sondern wegen seines Ungestüms, nicht nur die Regeln der Politik, sondern auch der Grammatik, Logik und Vernunft zu brechen, zum Star seiner Wähler geworden. Die Pop-Parallele ist der Stolz, mit dem Punk-Gitarristen die 'Three Chords and the Truth'-Haltung vertraten.
Zu einer Zeit, in der Rockstar-Millionäre ihre Virtuosität mit Soli demonstrierten, die bis zu eine Viertelstunde dauerten, war die Rückkehr zu Songs mit drei Akkorden ein Akt des Klassenkampfes. Die drei Akkorde, die Trump beherrscht, sind der Hyperpragmatismus des Geschäftemachers, die Emotionspeitsche des Nationalisten und die Angstwalze der Autokraten."

Mangelndes Datenschutzbewusstsein in den USA

Und die werden den Leuten derzeit auf elektronischem Weg eingehämmert, wie der FAZ zu entnehmen ist. "Von morgens bis abends werden wir in Amerika mit Werbung zur Wahl eingedeckt", berichtet Nina Rehfeld und fragt sich: "Wie kommen die Teams von Donald Trump und Joe Biden eigentlich an unsere Daten?"
Rehfeld erläutert, dass es "im Vergleich zu Europa in Amerika kein großes Datenschutz-Bewusstsein gibt. Und das, obwohl hier enorme Mengen von persönlichen Daten gesammelt, aggregiert und gehandelt werden." Sie zitiert Shoshana Zuboffs Begriff vom "Überwachungskapitalismus", dessen Methoden sich auch eine "Trump 2020"-App bedient.
"Es geht längst nicht mehr nur darum, die Wählerschaft zu mobilisieren", zitiert Rehfeld Samuel Woolley, der an der Universität von Texas Propagandaforschung betreibt, die Datenmengen werden "auch dazu genutzt, 'in bestimmten Gruppen ein Gefühl der Hilflosigkeit, der Vereinzelung, der Wut zu erzeugen, damit diese Leute nicht zur Wahl gehen und vielleicht sogar den demokratischen Prozess als Ganzes infrage stellen'. Das sei klassische KGB-Taktik, sagt Woolley, 'mit dem Ziel der Untergrabung vom Konsens, dass Demokratie überhaupt notwendig ist.'"

Menschen weichen den Pandemieverboten aus

Da haben wir es hier ja richtig gut. Wir haben es nur mit der ein bisschen spießigen Corona-App zu tun, dem "datenschutzvorbildlichsten Projekt, das die Bundesregierung in den vergangenen Jahren so auf den Weg gebracht hat", wie Svenja Bergt in der TAZ anerkennend vermerkt. Aber hilft sie auch? Schwer hat sie es auf jeden Fall, denn:
"Reisen, feiern, einkaufen. Pandemiebekämpfung richtet sich zwangsläufig gegen die Errungenschaften der modernen Gesellschaft", wie Jürgen Kaube in der FAZ feststellt. Er konstatiert eine "Ausweitung der Ausweichzone" und meint das "Ausweichverhalten" bei Verboten.
Von einem ganz anderen Ausweichen erzählen Catrin Lorch und Johan Schloemann. Sie erinnern an eine Liedzeile von Tocotronic: "Gehen die Leute auf der Straße eigentlich absichtlich so langsam?" "Inzwischen gehen viele absichtlich so langsam", beobachten die beiden in der SÜDDEUTSCHEN.

Die Corona-App erwacht aus dem Sommerschlaf

"Man erinnert sich noch, wie bizarr wir bei den ersten Corona-Spaziergängen im Frühling diese hüpfenden, elastischen Ausweichmanöver fanden, dieses seltsame Passantenballett", die "mentale Schwimmnudel, die uns gut anderthalb Meter vom sich vorbeiquetschenden Mitmenschen auf Abstand halten soll."
Vielleicht verlassen wir uns doch lieber auf die App, also nicht auf "Trump 2020", auch nicht auf die "Vote Joe"-App, nein auf unsere Corona-App. Die erwacht gerade aus ihrem Sommerschlaf.
"Zunächst hatten alle bloß grüne Warnungen", erinnert sich Uli Hannemann in der TAZ, "also Warnungen, die vor gar nichts warnen. 'Alles ist in Ordnung', scheint die Warnung zu sagen. 'Ich warne nur ein bisschen. Vor nichts.' Die Wichtigtuer-App gibt damit an: Ich tu was, ich kann was, ich arbeite. Fragt sich nur, was und wozu. Eine Freundin", erzählt Hannemann, "hatte mal fünfzehn grüne gesammelt, auf einen Streich. Fünfzehn mal nüscht ist nüscht", hat Hannemann mal in Mathe gelernt. Aber er gibt zu, er "war trotzdem ein wenig neidisch. Fünfzehn! Alter!" Was ihn "weiter zu der Frage bringt: Kann man die vielen grünen denn auch irgendwann gegen eine rote umtauschen?"
Das macht die App bei mangelndem Ausweichverhalten auf der Straße und zu viel Ausweichverhalten bei den Regeln in den nächsten Wochen ganz von selbst. Wetten?
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